RATHENOW Das Stadtfest in Rathenow soll eine Veranstaltung sein, die Spaß
und Entspannung bietet. Manchmal allerdings wird diese Erwartung für den
einen oder anderen getrübt. Beim Fest selbst — oder auch später.
Das Amtsgericht Rathenow verhandelte jetzt wegen des Vorwurfs der
vorsätzlichen Körperverletzung gegen den Angeklagten Norman St. Ihm wurde
angelastet, er habe in der frühen Nacht des 12. September 2004 einen jungen
Mann niedergeschlagen und dann — als dieser am Boden lag — auf dessen Kopf
getreten.
Am 11. September 2004 war das Stadtfest in vollem Gange. Der Angeklagte und
der Geschädigte hielten sich dort auf, beide in Begleitung von Freunden.
Eigentlich problemfrei, aber nicht, wenn die Beteiligten verschiedenen
Gruppierungen angehören. St. ist der rechten Szene zuzuordnen, der
Geschädigte der linken. Das geht oft nur solange gut, bis die Zeit schon
vorgeschritten ist und man sich sieht. Gegen 1 Uhr am 12. September ging der
Geschädigte mit einem Freund in Richtung Berliner Straße. Mit einem Mal sah
er den Angeklagten. Die beiden starrten sich mit giftigen Blicken an — so
die übereinstimmenden Zeugenaussagen. Dann bewegten sie sich aufeinander zu.
Was dann geschah, war nur teilweise aufzuklären. Eine Zeugin wollte gesehen
haben, dass die beiden Beteiligten aufeinander zugingen, kurz miteinander
redeten und der Geschädigte dann mit einem Mal zuschlug. Ob der Angeklagte
getroffen wurde, konnte sie nicht sagen. Dieser habe jedenfalls
zurückgeschlagen und sich nur gewehrt. Auf den Kopf des danach am Boden
Liegenden habe er nicht getreten. Ein anderer Zeuge bestätigte diese Abläufe
und stellte den Geschädigten auch als Angreifer dar. Er habe dann den
Angeklagten von dort weggezogen. Einen Fußtritt habe es nicht gegeben.
Andere Zeugen bestätigten auch das Anstarren, den weiteren Verlauf wollten
sie anders gesehen haben: der Angeklagte allein habe plötzlich zugeschlagen.
Der Geschädigte sei zu Boden gegangen, dann habe St. ihm auf den Kopf
getreten. “Es knallte richtig”, sagte einer. Ein Zeuge kümmerte sich um den
am Boden Liegenden; der ging zur Polizeiwache und zeigte eine
Körperverletzung durch Unbekannt an. Als er zum Stadtfest zurückging, sah er
den Angeklagten erneut. Dies teilte er einem Polizisten mit. Dieser fuhr im
Streifenwagen mit ihm hinter dem Angeklagten her. In Höhe der Tankstelle
Berliner Straße wurde dieser dann zur Rede gestellt.
Widersprüchliche Zeugenaussagen
Das Gericht stand vor der Frage, was tatsächlich geschehen war. Die
Zeugenaussagen zum gesamten Tatablauf waren, so der Richter wörtlich, in
sich widersprüchlich und kaum glaubhaft. So hätten die Zeugen je nach
“Zugehörigkeit” nur das gesehen, was für die andere Seite belastend war,
ansonsten hätten sie angeblich nichts bemerkt. Er habe den Eindruck, es
werde wieder versucht, das Gericht für Szeneninteressen zu
instrumentalisieren. Hierzu sei es aber nicht da.
Die Staatsanwaltschaft hielt den Anklagevorwurf trotz der widersprüchlichen
Aussagen für bewiesen. Da der Angeklagte bisher nicht straffällig war,
beantragte sie insbesondere wegen des Fußtritts eine Geldstrafe von 60
Tagessätzen zu je 40 Euro.
Der Verteidiger glaubte den Fußtritt nicht und hielt den nachgewiesenen
Schlag des Angeklagten für eine berechtigte Abwehrreaktion auf einen Angriff
des Geschädigten. Er beantragte Freispruch.
Das Gericht ließ offen, ob möglicherweise der Geschädigte den Angeklagten
zuerst angegriffen habe. Wenn der Zeuge wegen des Schlags des St. dann zu
Boden ging, wäre möglicherweise bis hier nichts Strafbares geschehen. Aber
dann habe der Angeklagte noch auf den Kopf des wehrlos am Boden Liegenden
eingetreten. Dies sei das Einzige, was nach den wirren Zeugenaussagen
festzustellen bleibe. Im Übrigen sei der Tritt auch durch eine ärztliche
Stellungnahme bestätigt. Damit habe St. eine vorsätzliche gefährliche
Körperverletzung begangen. Das Urteil lautete auf 40 Tagessätze zu je 40
Euro .