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Antifaschismus

Erste Risse im Block der Verteidiger

Neu­rup­pin — Ein zer­fasert­er fün­fter Ver­hand­lungsstag im Prozess gegen zwei Angeklagte, die einen Arbeit­slosen aus Tem­plin bru­tal ermordet haben sollen, brachte gestern zahlre­iche Beweisanträge der Vertei­di­gung, die Ein­schätzung der Jugendgericht­shil­fe, Sven P. nach Jugen­drecht zu behan­deln, nicht erschienene Zeu­gen und die deut­lich for­mulierte Erken­nt­nis des Vor­sitzen­den Richters, dass es sich bei den im Zim­mer von Sven P. gefun­de­nen Plakat­en, Fly­ern, Klei­dungsstück­en und Musik-CDs um die typ­is­che Ausstat­tung eines rechts Denk­enden handle.

Damit reagierte der Richter auf Teile des umfan­gre­ichen Beweisantrages, den der Anwalt der Ehe­frau des Ermorde­ten am vorheri­gen Prozesstages gestellt hat­te, und der bele­gen sollte, dass es sich bei Sven P. um einen Recht­sex­trem­is­ten han­delt, der seine Tat aus niedri­gen Beweg­grün­den began­gen hat. In diesem Fall, weil das Opfer, der am Rande der Gesellschaft ste­hende Bernd K., es wagte, ent­ge­gen vorheriger Absprachen zu han­deln und auch Forderun­gen ignori­erte, sich wieder verabre­dungs­gemäß zu verhalten.

Bild­be­tra­ch­tun­gen

Dank der deut­lichen Fotobeschrei­bun­gen des Vor­sitzen­den Richters beka­men auch die Zuschauer mit, welche Nazi-Devo­tion­alien sich im Zim­mer von Sven P. befan­den: Rudolf Hess Plakat an der Zim­mertür, Rudolf Hess Foto im Regal, Karten mit der “schwarzen Sonne”, “White Pow­er” und eine “Blood & Hon­our” Fahne an der Wand mit der Auf­schrift “Skrew­driv­er – Hail the new dawn”. Dazu fan­den sich CDs der Recht­srock-Bands “Nord­front” und “Sturmwehr”. Der Klei­der­schrank bot unter anderem Klein­dung der Marken “Lons­dale” und “Cons­daple”. Bei sein­er ersten Vernehmung am Mor­gen nach der Tat trug Sven P. ein Rudolf Hess Sweatshirt.

Der Richter zeigte sich auch bere­it, am näch­sten Ver­hand­lungstag zwei Briefe vorzule­sen, die Sven P. von Sebas­t­ian F. aus dem Gefäng­nis erhal­ten hat­te. Sebas­t­ian F. gilt in der recht­en Szene Tem­plins als etwas Beson­deres. Er war im Jahre 2002 an der Ermor­dung eines Jugendlichen in Pot­zlow beteiligt. Dabei hat­ten die drei Täter ihr Opfer stun­den­lang gedemütigt und gequält und schließlich die Leiche in ein­er Jauchegrube versenkt. Seit Mai let­zten Jahres befind­et sich Sebas­t­ian F. erneut wegen poli­tisch motiviert­er Gewalt­tat­en in Haft.

Schon die Anrede in bei­den Briefen “Heil dir” und der Schluss der Schreiben “Ruhm und Ehre der Waf­fen-SS” sowie “Heil Euch alle da” und “Sei stolz und weiß” weisen laut Neben­kläger­an­walt darauf hin, das die bei­den Män­ner eine faschis­tis­che Ide­olo­gie verbindet. Zusät­zlich auf Bit­ten der Staat­san­waltschaft betra­chteten die Prozess­beteiligten ein Foto von Chris­t­ian W., das bei ihm zwei Tätowierun­gen zeigt: ein fettes Hak­enkreuz über dem recht­en Knie und eine große “White Pow­er” Faust auf dem Bauch.

Strate­gie der Verteidigung

Bei der Vertei­di­gung deutete sich an, dass man in Zukun­ft getren­nte Wege gehen kön­nte. Die bei­den Vertei­di­ger von Chris­t­ian W. arbeit­en durch die Ladung zusät­zlich­er Zeu­gen darauf hin zu beweisen, dass ihr Man­dant während der Tatzeit sehr stark betrunk­en war. Weit­er­hin zweifel­ten sie die Neu­tral­ität der Gutach­terin Frau Dr. Horn an, die in ihrem Gutacht­en bei Chris­t­ian W. keine Anhalt­spunk­te für eine Voll­trunk­en­heit beziehungsweise ver­min­derte Schuld­fähigkeit zur Tatzeit gefun­den hat­te. Sie lis­teten eine Rei­he von Unter­suchungsmän­geln auf und ver­langten in ihrem Beweisantrag einen weit­eren Gutachter, der ihren Man­dan­ten auch auf eine Bor­der­line-Per­sön­lichkeitsstörung hin unter­suchen soll. Der Vor­sitzende Richter wies darauf hin, dass für ein qual­i­fiziertes Gutacht­en, die Mitar­beit von Chris­t­ian W. notwendig sei, die dieser aber — auch auf Anrat­en sein­er Vertei­di­ger — verweigere.

Der Vertei­di­ger von Sven P. will ver­suchen, die detail­ge­naue Schilderung des Tather­gangs durch Chris­t­ian W. zu erschüt­tern, die seinen Man­dan­ten als Haupt­täter präsen­tiert. Seine Beweisanträge zie­len darauf ab, Chris­t­ian W. als jeman­den ent­lar­ven, der sein Täter­wis­sen dazu nutzt, sich als unschuldig darzustellen und andere Per­so­n­en zu belas­ten. Als Begrün­dung zitierte er Zeu­ge­naus­sagen aus früheren Prozessen bei denen Chris­t­ian W. auf der Anklage­bank saß. Der Richter schien davon unbeein­druckt und erk­lärte, dass hier das frühere Ver­hal­ten bei anderen Tat­en nicht zäh­le. Ein zarter Hin­weis darauf, dass Sven P. schon sein Schweigen brechen muss, um die Aus­sagen seines Kom­plizen zu erschüttern.

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