Am Samstag, den 06. Juni 2015, wollte die neonazistische Initiative “Zukunft statt Überfremdung” den “Tag der deutschen Zukunft” (TddZ) als Abschluss ihre “Kampfkampagne gegen antideutsche Politik” durchführen. Die über 500 Neonazis aus Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Sachsen-Anhalt sowie aus Dortmund, wo 2016 der nächste TddZ stattfinden soll, wurden jedoch durch den Protest von mehreren tausend Gegendemonstrant_innen zum Abbruch ihres Aufmarsches gezwungen.

Polizeigewalt: Antifa-Blockaden standhaft
Während ein Teil der Neonazis sich in Velten, kurz hinter Berlin zur gemeinsamen Anreise und kurzer Kundgebung traf, starteten bereits am Vormittag zwei antifaschistische Demonstrationen. Diese und weitere hunderte anreisende Antifaschist_innen folgten dem Aufruf des antifaschistischen Bündnisses “No TddZ” und blockierten noch vor Ankunft der Neonazis in Neuruppin wichtige Punkte der geplanten Aufmarschroute. Trotz eines massiven Polizeiaufgebotes und rigorosem Vorgehen der Polizei gegen die Gegendemonstrant_innen, konnten die Innenstadt blockiert werden. Pfefferspray und Wasserwerfer wurden gegen die Blockierenden eingesetzt. Etwa 1500 Polizist_innen soll an diesem Tag im Einsatz gewesen sein. In den frühen Morgenstunden hatten einige von ihnen schon mit “Hurra, Hurra- die Hamburger sind da”-Rufen über die Polizei-Lautsprecheranlage ihre Vormachtstellung auf der Straße verkünden wollen. Das berichtet eine Augenzeugin. Mindestens 19 Festnahmen soll es an diesem Tag gegeben haben, mehrere Aktivist_innen mussten im Krankenhaus behandelt werden.


Neonazis: Fontane, Rasse, Genetik
Im Vorfeld des TddZ warben die Neonazis der Freien Kräfte Neuruppin, die als austragende Lokalgruppe für die Initiative “Zukunft statt Überfremdung” fungierte, mit dem Schriftsteller Theodor Fontane als Symbol der Stadt Neuruppin. Nach Kritik von der Gegenseite, Fontanes Zitate falsch zu deuten und sein Konterfei zu missbrauchen, nutze Bea Koch — führende Aktivistin der Freien Kräfte Neuruppin — ihre Begrüßungsrede um sich für die Nutzung Fontanes als Symbol der diesjährigen Kampagne zu rechtfertigen. In ihrer Rede erklärte sie ihre Weltanschauung als “modern” und “zeitgemäß” und verteidigte das Rassenkonzept, indem sie auf die genetischen Differenzen sogenannter “Rassen” verwies. Auch lies sie es sich nicht nehmen, zu behaupten, mit der derzeitigen Asylpolitik ginge eine Verherrlichung von Gewalt einher.


Gegen 13 Uhr startete die Neonazidemonstration vom Bahnhof Neuruppin West. Bereits zu Beginn herrschst eine aggressive Stimmung, die sich vor allem gegen die anwesenden Journalist_innen richtete. Neben den üblichen Neonaziparolen wie “Nationaler Sozialismus Jetzt”, “Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen” und “Deutschland den Deutschen — Ausländer raus”, zeigten die Neonazis ihre Drohgebärden gegenüber den anwesenden Antifaschist_innen und Journalist_innen in lautstarken Aussprüchen wie “Antifa-Hurensöhne” und “Lügenpresse, auf die Fresse”. Nebenher lief über den Lautsprecher der Neonazis vornehmlich Rechtsrock, aber auch ein eigens komponierter Song für Neuruppin von Marvin Koch, lokaler Aktivist und Möchtegern-Rapper.

Widerstand: währt nicht lang
Nach wenigen hundert Metern kam es zum ersten größeren Zwischenfall: Nachdem die Neonazis auf Grund von Blockaden stoppen mussten, führte die Polizei einige Zeit darauf den Aufzug unmittelbar an einem antifaschistischen Blockadepunkt vorbei. Dabei wurden die Neonazis lediglich über den Grünstreifen an der Antifablockade geleitet, Flaschen und Pyrotechnik flogen. In dieser Situation kam es erneut zu Bedrohungen von Journalist_innen. Nach dem Passieren der Blockade blieben den Neonazis nur noch wenige Meter bis ihr Aufmarsch endgültig zum Stehen kam. Eine weitere Blockade mit etwa mehreren hundert Gegendemonstrant_innen verhinderte den Weg. Anmelder Dave Trick — NPD Abgeordneter in Neuruppin und ebenfalls Aktivist der Freie Kräfte Neuruppin — stand nach Verhandlungen mit Polizei vor der Wahl: Entweder freiwillig die Strecke zurückzulaufen oder unter Drängeln der Polizei auf direktem Weg zum Bahnhof West zurück. Trick entschied, den Aufmarsch vorzeitig zu beenden.
Während der Verhandlung ergriff Bea Koch erneut das Mikrofon und drohte mit Angriffen auf das linke Hausprojekt “Mittendrin” in Neuruppin. Als deutlich wurde, dass die Polizei die Blockade nicht räumen wird, versuchten Neonazis mehrfach aus ihrem Aufmarsch auszubrechen und unterliefen sukzessive die Polizeiketten. Neonazis wie Christian Bentz und David Gudra aus Berlin, die sich als Fotografen ausgaben, bedrohten Gegendemonstrant_innen. Nach der Auflösung der Veranstaltung brach eine Gruppe von 25–30 Neonazis aus und versuchte ebenfalls die Blockaden anzugreifen. Einige Zeit später konnten die ausgebüxten Neonazis wieder eingefangen werden. Dass sich die Neonazis einen frühzeitigen Abbruch ihrer Veranstaltung nicht gefallen lassen, machten sie in mehreren Redebeiträgen deutlich: Sie werden sich den Weg notfalls erkämpfen, so eine der Aussagen. Letztlich gelang den Neonazis der Durchbruch nicht. Da half auch ein energisches Diskutieren von Aktivist Thomas “Steiner” Wulff nicht. Ebenso wenig wie seine Drohung gegenüber der Polizei, dass auch diese einen Nach-Hause-Weg hätten. Die “Lügner” der Polizei, wie sie die Neonazis betitelten, geleiteten die Teilnehmer_innen des aufgelösten Aufmarsches auf kürzestem Weg zum Bahnhof Neuruppin West zurück.

Rednermangel
Von den sieben angekündigten Rednern kam nur die Hälfte zu Wort: Maik Eminger vom III. Weg Brandenburg, Sebastian Schminkte von der NPD Berlin, Stefan Köster von der NPD Mecklenburg-Vorpommern und Pierre Dornbrach von der JN Brandenburg, zu Wort. Ungewöhnlich für den TddZ: Es redeten mehrere Frauen (Bea Koch, und Aileen Rokohl, NPD Brandenburg in Velten) — und das obwohl nur Männer angekündigt waren. Auch in Vorjahren waren es fast ausschließlich männliche Redner. Einer der diesjährigen Redner hätte Michael Brück von “Die Rechte Dortmund” sein sollen. Seine Aufgabe wäre es gewesen, den nächsten Demonstrationsort für den 8. Tag der deutschen Zukunft zu verknüpfen. Im nächsten Jahr wird Dortmund die Kampagne gestalten.

Erstmals TddZ blockiert
Die erfolgreiche Blockade in Neuruppin verhinderte damit erstmals einen “Tag der deutschen Zukunft”. Bereits im Vorjahr im sächsichen Dresden konnten antifaschistische Proteste den Neonazis den Weg in die Innenstadt versperren. In Neuruppin versammlten sich nach Abzug der Neonazis über 700 Antifaschist_innen zu einer spontanen Demonstration und feierten den gelungenen Tag. Ingesamt waren an diesem Tag etwa 2500 Gegendemonstrant_innen unterwegs. Auf dem Schulplatz hatte das landesweite “Aktionsbündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt” gemeinsam mit dem lokalen Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt und vielen Vereinen und Initiativen unter dem Titel “Vielfalt ist unsere Zukunft” ein breites Bühnenprogramm organisiert.

Fotos (9) von Pressedienst Frankfurt (Oder).
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Eine Antwort auf „Erstmals TddZ blockiert“
Ich will an dieser Stelle dem Orga-Team des NoTddz 2015 gratulieren.
Als wir uns auf dem Weg nach Hp gemacht haben, hatte ich trotz der letztmaligen Erfahrungen mit den erfolgreichen Blockaden, ein ungutes Gefühl ob es erneut klappen wird.
In Neuruppin angekommen und mit dem Blick der anreisenden Busse und immer zunehmenden Anzahl von entschlossenen Gegenprotestanten*innen schlich mir das Gefühl ein, heute kann was gehen.
Der Ticker, die Organisation der Blockaden, die schnelle Reaktion auf neue Situationen, Verteilung Proviant-> FETTES LOB an alle Mitwirkenden*innen!!!!
Das am Ende der Abruch des Neonazi-Aufmarsches und eine sehr lange Spontandemo mit über 800 Antifas zu Buche steht, bedarf nicht vieler Worte.
Erneut haben NSFKN eine Niederlage in NP einstecken müssen.
Schön war auch das anschließende siegreiche gemeinsame zusammensitzen am Mittendrin!