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Es darf weiter gefesselt werden

Das Ver­wal­tungs­gericht Frank­furt (Oder) hat die Klage ein­er jun­gen Keni­aner­in abgewiesen. Sie war in der Zeit von Sep­tem­ber bis Novem­ber 2003 in ein­er speziellen Zelle der Abschiebe­haft Eisen­hüt­ten­stadt — teil­weise stun­den­lang — an Armen, Beinen und Bauch gefes­selt wor­den. Gegen­stand des Ver­fahrens waren zwei Fes­selun­gen am ersten und zweit­en Okto­ber 2003. Am ersten Tag war die Kla­gende 5 Stun­den und 15 Minuten, dann noch ein­mal 9 Stun­den und 45 Minuten in ein­er speziellen Zelle der Haf­tanstalt auf dem Boden gefes­selt gewesen.

Das Gericht sah die Maß­nah­men allerd­ings als notwendig an. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich die Keni­aner­in selb­st ver­let­zen oder Mobil­iar beschädi­gen kön­nte, hieß es zur Begrün­dung des späten Urteils. Für das Anstaltsper­son­al habe es keine andere Möglichkeit gegeben, die Frau zu beruhi­gen, stellte das Gericht fest. Da sie zuvor bere­its einen Schaum­stoff­ball in Brand geset­zt und mit der Toi­let­ten­spülung ihre Zelle über­schwemmt habe, seien die einge­set­zten Maß­nah­men notwendig und angemessen gewesen.
Die Klägerin sel­ber, die Keni­aner­in Alice Kamau, nahm nicht an der Ver­hand­lung teil, sie war bere­its im Dezem­ber 2003 abgeschoben wor­den. Zuvor hat­te sie ihre Erleb­nisse während der Abschiebe­haft in ein­dringlichen Briefen beschrieben. Dort schreibt sie: „Sie fes­seln deine Beine, deine Arme und deinen Bauch. Die Gurte wer­den ange­zo­gen. So dass du deinen Arme und Beine nicht mehr fühlst. Manch­mal kon­trol­liert eine Schwest­er, ob die Gurte noch fest genug sind. Du bleib­st in dieser Posi­tion für vier Stun­den und dann kom­men sie und fes­seln dich erneut, nun aber mit dem Gesicht nach oben.” Dabei habe sie teil­weise auf dem kalten Boden gelegen.
Für die Anwältin der Klägerin, Antje Kla­mann, ist eine solche Ver­fahrensweise nach wie vor nicht hin­nehm­bar. Zwar sei die Anwen­dung von Zwang im Abschiebe­haftvol­lzugs­ge­setz grund­sät­zlich erlaubt, allerd­ings müssten solcher­art tief gehen­den Ein­griffe im Gesetz geson­dert aufge­führt wer­den. Darüber hin­aus ver­stoße die stun­den­lange Fes­selung in Abschiebe­haft gegen das Ver­hält­nis­mäßigkeits­ge­bot und den Artikel 1 des Grundge­set­zes. Nur: Richter Bölicke fol­gte, nach­dem er noch während des Prozess­es die Men­schen­würde berührt sah, in seinem jet­zt vor­liegen­den Urteil dieser Argu­men­ta­tion nicht.

Der Leit­er der Abschiebe­haftein­rich­tung, Regierungs­di­rek­tor Dr. Bock erläuterte vor Gericht die Vorge­hensweise bei Fix­ierun­gen. Er ges­tand einem Prozess­bericht zufolge ein: „Schön ist das nicht”. Dass Frau Kamau suizidge­fährdet und damit haf­tun­fähig gewe­sen sei, verneinte er, obwohl diese mehrfach ver­sucht hat­te sich etwas anzu­tun und beispiel­sweise Sham­poo getrunk­en hatte.
Die Fes­selung von Alice Kamau in Eisen­hüt­ten­stadt ist kein Einzelfall. Ein­er Unter­suchung des Europäis­chen Antifolterkomi­tees vor zwei Jahren zufolge, wur­den auch noch 2004 in vierzehn Fällen und 2005 in fünf Fällen Men­schen in Eisen­hüt­ten­stadt am Boden über Stun­den fix­iert. Auch in anderen Abschiebe­haf­tanstal­ten gibt es der­ar­tige Ein­rich­tun­gen. In der Abschiebe­haf­tanstalt Büren in Nieder­sach­sen und in Ham­burg­er Gefäng­nis­sen existieren, laut EU-Antifolterkomi­tee, ähn­liche Fes­selungsvor­rich­tun­gen. In der Abschiebe­haftabteilung des Ham­burg Unter­suchungs-Gefäng­niss­es sei die dor­tige „schwere Beruhi­gungszelle“ (SBZ) wed­er mit ein­er Gegen­sprechan­lage, noch mit ein­er Videoüberwachung aus­ges­tat­tet. Das Antifolterkomi­tee beze­ich­nete diesen Zus­tand als inakzeptabel.

Die Vorge­hensweisen des Per­son­als inner­halb von Haf­tanstal­ten und die Fes­selung von Insassen bleiben in der Regel der Öffentlichkeit unbekannt.

Tim Zülch (Freier Journalist)

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