RATHENOW “Wissen sie nicht, was sie tun?” So lautete das Thema eines
Bürgerforums, zu dem die Friedrich- Ebert-Stiftung im März 2000 in die Aula
der Weinbergschule eingeladen hatte. Es war jene Zeit, in der Rathenow
aufgrund rechtsextremistischer Vorfälle in den Blickpunkt der Öffentlichkeit
gerückt war. Fünf Jahre danach hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung am Samstag
nun erneut zu einem Bürgerforum eingeladen. “Nachgefragt”, lautete dieses
Mal das Thema, und damit war klar, dass es darum ging, zu erkunden, was sich
in der Zeit seit 2000 getan hat.
Im Mittelpunkt der Diskussion standen Erfahrungen, Hintergründe und
Maßnahmen in Bezug auf Jugendgewalt und Jugendkriminalität. Vor rund 40
Zuhörern hatte Reinhard Scheiper, Moderator der Veranstaltung, kompetente
Gesprächspartner an seiner Seite. Übereinstimmend stellten diese fest, dass
es in Rathenow gelungen sei, die rechtsextremen Erscheinungen von damals
zurückzudrängen.
Insgesamt zeige die Jugendkriminalität eine leicht rückläufige Tendenz,
erklärte Wolfgang Wegwerth, Leiter der Polizeiwache Rathenow. So ist im
Polizei-Schutzbereich Havelland die Anzahl der Delikte in der Kinder- und
Jugendkriminalität von 5249 im Jahr 2003 auf 5210 im Jahr 2004 gesunken. Im
Wachenbereich Rathenow gab es im vergangenen Jahr 1804 Tatbestände. Wenn
auch die Anzahl insgesamt rückläufig ist, so machte Wegwerth darauf
aufmerksam, dass es in solchen Bereichen wie Roheitsdelikten und
Körperverletzungen eine steigende Tendenz gebe. Im Wachenbereich Rathenow
wurden 2004 außerdem 60 Graffitisschmierereien ermittelt.
In der Diskussion schlug einer vor, dass man die Täter die Schmierereien
eigenhändig mit der Zahnbürste entfernen lassen müsste. Für Wegwerth keine
Lösung. Stattdessen forderte er einen wirksameren Täter-Opfer-Ausgleich.
Unterstützung kam dazu von Staatsanwältin Posselt. Nach ihren Angaben stehen
Diebstähle bei Jugenddelikten mit 60 Prozent ganz vorne. 20 Prozent aller
Fälle im Kinder- und Jugendbereich, die von der Staatsanwaltschaft
bearbeitet würden, seien Gewalttaten, 15 Prozent Sachbeschädigungen und zwei
Prozent Raub. Der Rest verteilt sich auf andere Straftaten. Nach Angaben von
Richter Axel Teckemeyer wurden im vergangenen Jahr vom Jugendschöffengericht
in Rathenow 37 Verfahren verhandelt. 1999 waren es noch 89 Verfahren. Für
den Rückgang gibt es nach Meinung des Richters verschiedene Ursachen, vor
allem hätten diverse Präventionsmaßnahmen durchaus Wirkung gezeigt.
Gewalt spiele auch im Umkreis von Schulen eine Rolle, räumte Schulrätin
Christa Hildebrand ein. Delikte und Vorkommnisse, die nach ihrer Auffassung
auf das Konto von fünf Prozent der Schüler gingen. 95 Prozent der Schüler
seien nicht kriminell. Zusätzliche Freizeitangebote an den Schulen seien
wichtig, um Schüler von Dummheiten abzuhalten. Die Zahl von 95 Prozent hielt
Claudia Wolfram, Kinder- und Jugendbeauftragte der Stadt Rathenow, für
unrealistisch. Viel mehr neigten dazu, mitzulaufen, wenn es einen Leithammel
gebe. Die Mitläufer gelte es zu gewinnen und zu aktivieren.