(MAZ, Viola Volland, Sachsenhausen) In Oranienburg gibt es eine lebendige rechte Szene. Sie wird aber nicht
angemessen wahrgenommen, ist eine der Hauptthesen der gerade erschienenen Studie “Futur Exakt — Jugendkultur in Oranienburg zwischen rechtsextremer Gewalt und demokratischem Engagement”. Eine richtige Beobachtung? Das war eine der Fragen, die am Donnerstagabend im Besucherinformationszentrum der Gedenkstätte Sachsenhausen diskutiert wurde.
“Es ist leiser geworden um das Problem”, sagte die Koordinatorin gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in Oranienburg, Silke Sielaff. Sie war eine von vier Rednern auf dem Podium — neben dem Rechtsextremismusexperten am
Zentrum für Antisemitismusforschung, Michael Kohlstruck, dem Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, und dem SPD-Kreispolitiker, Dirk Blettermann. RBB-Redakteurin Carla Kniestedt moderierte den Abend.
Die Ergebnisse der “Futur Exakt”-Studie seien zutreffend, meinte Silke
Sielaff. “Die Szene ist nicht mehr so laut, aber die Reaktion auf den Rechtsextremismus ist auch nicht mehr so laut”, sagte die ehrenamtliche Koordinatorin. Stiftungsdirektor Günter Morsch schloss sich dieser
Einschätzung an. Die Bevölkerung und die Medien würden in den vergangenen Jahren “deutlich gemäßigter” dem Rechtsextremismus begegnen, als dies noch Anfang der 90er-Jahre der Fall gewesen sei.
Der Großteil der Diskussion drehte sich deshalb um die Frage, was gegen Rechtsextremismus in Oranienburg unternommen werden kann und wie man dem schwindenden Interesse der Bevölkerung an dem Thema entgegen wirkt. Denn
auch am Donnerstagabend wurde wieder deutlich: Geht es um das Thema Rechtsextremismus, engagieren sich meistens dieselben. “Das ist ja fast wie bei einer Familienfeier”, scherzte Ralph Gabriel, einer der “Futur Exakt”-Autoren, zu Beginn der Veranstaltung. Die meisten in der Runde
kannten sich.
Bestehende Initiativen fördern, das sieht Michael Kohlstruck als wichtigen Ansatzpunkt gegen rechts an: “Rechtsextremismus ist ein Dauerproblem, deshalb muss es dauerhafte Strukturen geben, um damit umzugehen”, sagte der
Extremismusexperte. Doch wenn diese nur wenige erreichen? “Die Leute engagieren sich nur da, wo es sie tatsächlich betrifft, die Demokratie ist für sie relativ weit weg”, meinte beispielsweise SPD-Politiker Dirk Blettermann desillusioniert. Und Günter Morsch betonte: “Wir waren schon
weiter.” Mitte der 90er-Jahre habe in Oranienburg noch Aufbruchstimmung geherrscht. An diese positive Bürgerbewegung müsse man wieder anknüpfen, so
Morsch. Der Stiftungsleiter kritisierte, dass wichtige Projekte wie Libeskinds “Schneise der Hoffnung” gescheitert sind. Das habe viel kaputt gemacht. “Oranienburg will nur das Positive”, sagte der Stiftungsdirektor.
Die Stadt habe aber die Aufgabe, beide Seiten ihrer Geschichte auszuhalten — auch die negative. Morsch forderte von der Politik deshalb, ihrer “Vorbildfunktion” nachzukommen. “Politiker müssen Initiativen Halt und
Richtung geben.”