Sie steckte ein Asylantenheim an, jetzt will sie im Spremberger Gefängnis
Beamtin werden
(LR, 28.8.) Schließt Wärterin Claudia (Name geändert) in der Justizvollzugsanstalt
Spremberg die Zellentüren, weiß sie, was die Häftlinge dahinter fühlen. Die
33-jährige Beamtin auf Widerruf saß nämlich selbst schon hinter Gittern -
weil sie in Lübbenau Brandsätze auf ein Asylbewerberheim geworfen hatte.
Eine ehemalige Rechtsextreme, die 20 Monate absaß, soll jetzt selbst im
Gefängnis für Recht sorgen. Ein Skandal? Das brandenburgische
Justizministerium spricht von «einer gelungenen Resozialisierung» .
Lübbenau im Sommer 1992: Claudia ist 22. Die gelernte Zoo-Technikerin,
verheiratet, ein Kind, ist arbeitslos. An einem öden Nachmittag in der
Weststadt besorgt sie sich eine Flasche Wodka und ein paar Horrorstreifen.
Am Abend leert sie am Hafen gemeinsam mit zwei anderen jungen Frauen zwei
Liter-Flaschen Sangria. Sie langweilen sich und beschließen, es an diesem
Tag zu tun.
Gegen Mitternacht stellen sie sich zu dritt nebeneinander vor das
Asylbewerberheim. «1–2‑3» , zählt Claudia. Dann schleudern sie die
Molotow-Cocktails. Ihr eigener entzündet sich vor den Platten am Eingang,
die beiden anderen fackeln die Türen an. Die 130 Heimbewohner, darunter 45
Kinder, sitzen in der Falle. Der Brand kann gerade noch gelöscht werden.
Doch die Brandstifterinnen flüchten nicht, sondern präparieren vor dem Heim
in «aller Seelenruhe» weitere drei Molotow-Cocktails, wie ihnen der
Oberstaatsanwalt später vor Gericht nachweisen wird. Die leeren
Bierflaschen, ein in Streifen gerissenes T‑Shirt und ein Moped, aus dem sie
das Benzin abzapften, standen bereit. Der Staatsanwalt spricht von einem
«zielgerichteten und planvollen Vorgehen» .
Claudia selbst erscheint vor Gericht in Springerstiefeln, trägt ein
schwarz-weiß-rotes T‑Shirt — die Farben des Deutschen Reiches. Kurz vor der
Tat war sie der «Deutschen Alternative» beigetreten, einer rechtsextremen
Partei, die später verboten wurde. Regelmäßig ging sie zu deren
Kameradschaftsabenden in einer Dorfkneipe bei Cottbus, tauchte mehr und mehr
im rechtsextremen Milieu ab, verkehrte mit West-Berliner Skins, ideologisch
geschulten West-Nazis, Lübbenauer Alt-Nazis und gleich gesinnten Lübbenauer
Jugendlichen.
In die laufenden Kameras sagt Claudia während des Prozesses: «Ich finde das
ungerecht, dass das jetzt so hochgespielt wird. Weil die Medien dabei sind,
wollen jetzt alle, dass ich in den Knast komme.» Dass sie wegen eines
Verbrechens angeklagt ist, will sie nicht verstehen. «Wir wollten uns
einfach mal abreagieren» , rechtfertigt sie sich. «Das Asylantenheim hat
sich angeboten, die Molis auszuprobieren.»
Rechte Gesinnung nicht verhehlt
Mitleid mit den Asylbewerbern hat sie nicht. «Wenn denen was passiert, das
stört mich nicht, das sind für mich keine Menschen» , diktiert Claudia in
die Blöcke. «Die Deutschen könnten die Arbeit der Asylbewerber genauso
machen. Und das ist die Schuld der Asylbewerber, dass die Deutschen nicht in
deren Wohnungen wohnen können» , sagt sie in die Kameras. Der
Oberstaatsanwalt bezeichnet Claudia in seinem Plädoyer als einen
«unverbesserlichen Ausländerfeind ohne Rechtsbewusstsein und Schuldgefühl» .
Claudia wirkt davon unbeeindruckt. Sie ist sich sicher, dass sie mit einer
Bewährungsstrafe davonkommt. Auch ihr Vater erwartet einen Freispruch.
Vater wertete Urteil als «Betrug»
Als das Gericht Claudia zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung
verurteilt, begründet, dass sie keine Reue gezeigt habe, spricht der Vater
von «Betrug» . «Weil meine Tochter härter bestraft worden ist als die Täter,
die das Asylantenheim in Schwarze Pumpe bis zu den Grundmauern abgefackelt
haben» , wie er erklärt.
Selbst während der Haft macht Claudia aus ihrer Gesinnung keinen Hehl. Als
Neonazi sieht sie sich zwar nicht. Im gleichen Atemzug begeistert sie sich
aber für die Nazi-Herrschaft. «Das ganze Volk stand hinter Hitler» , sagt
sie dem «Tagesspiegel» . Verbrechen der Nazis wie den Völkermord an den
Juden leugnet sie. «Ich würde Hitler nie zutrauen, dass er so etwas gemacht
hat.» Für Linke, Lesben, Schwule ist in Claudias Deutschland kein Platz.
Fremde dürften nur als Touristen kommen. Und nach ihrer Haft, kündigt sie im
«Tagesspiegel» an, wolle sie sich selbstverständlich mit ihren «Kameraden»
treffen.
Zwei Drittel ihrer Strafe sitzt Claudia ab. In Freiheit soll sie
weitergehetzt haben, wie der «Berliner Kurier» berichtet. Zum Beispiel gegen
die «Rassenmischung» . «In der Natur paart sich der Spatz mit nem Spatz und
die Kuh mit ner Kuh. Die machen das nicht durcheinander.»
Lübbenau im Sommer 2003: Heute ist Claudia S. 33 Jahre alt, hat drei Kinder.
Mit der rechten Szene will sie nach eigenen Angaben nichts mehr zu tun
haben. Dabei ist es ihre Aufgabe als angehende Justizvollzugsbedienstete im
Spremberger Gefängnis, zu verhindern, dass jugendliche Straftäter hinter
Gittern zu Nazis werden.
Ihre eigene rechtsextreme Vergangenheit tut sie offensichtlich nicht mehr
jedem gerne kund. Dem brandenburgischen Justizministerium war vor ihrer
Einstellung zumindest davon nichts bekannt. Sagt Sprecherin Petra Marx. Und
der von Claudia eingereichte Lebenslauf? «Der ist doch heute nur noch
stichpunktartig» , erklärt Marx lapidar.
Beamte, so steht es im Grundgesetz, müssen jederzeit die freiheitlich
demokratische Grundordnung vertreten. Erste Hinweise, dass es daran bei der
angehenden Beamtin Claudia möglicherweise Zweifel geben könnte, erhielt das
Ministerium nach eigenen Angaben aber erst nach deren Einstellung.
Dabei hatte Claudia zuvor erfolgreich das Einstellungsprozedere für eine
künftige Justizvollzugsbeamtin durchlaufen. Niemand in der
Auswahlkommission, die Claudias «besondere geistige und charakterliche
Eignung» für den Strafvollzug feststellte, hatte aber offenbar bei dem
zweitägigen Auswahlverfahren deren Lebenslauf genau unter die Lupe genommen.
«Das Führungszeugnis, das eingeholt worden ist, wies keine Vorstrafe aus» ,
erklärt Justizsprecherin Petra Marx. «Die verschwindet nach fünf Jahren
wieder aus dem Zeugnis. Und wegen der Fristen durfte sich die Bewerberin
auch als nicht vorbestraft bezeichnen.» Eine unbeschränkte Auskunft aus dem
Bundeszentralregister, die auch getilgte Vorstrafen umfasst und Claudias
Vergangenheit ans Tageslicht befördert hätte, dürfen sich die Behörden erst
seit diesem Jahr einholen.
Einen Vorwurf macht Petra Marx der angehenden Beamtin deshalb nicht.
«Grundsätzlich kann auch ein Vorbestrafter Beamter werden» , sagt sie. Die
Bewerberin habe sich «regelkonform» verhalten und «allen Anforderungen
entsprochen» . «Auch alle Persönlichkeitstests hatten ergeben, dass hier ein
gelungener Fall von Resozialisierung vorliegt.»
«Keinen Grund für eine Entlassung»
Einen Grund, die Frau mit der rechten Vergangenheit zu entlassen, sieht im
Justizministerium deshalb niemand. «In dem Fall ist bereits kurz nach der
Einstellung erneut alles überprüft worden» , sagt Petra Marx. «Die Dame wird
weiter bei uns beschäftigt.» In der Spremberger Justizvollzugsanstalt bleibt
alles beim Alten: Wenn die Zellentüren schließen, wird Wärterin Claudia
nachempfinden können, was die Häftlinge in d
iesem Moment fühlen. Im nächsten
Jahr muss sich Claudia dann selbst wieder einer Überprüfung stellen. Dann
erst wird entschieden werden, ob Claudia als Beamtin auf Probe übernommen
wird. «Da kann also nichts anbrennen» , macht Petra Marx deutlich.