Neuer Verrat in V‑Mann-Affäre
Ehemaliger Spitzel belastet Geheimdienst / Vor Razzia des Bundes gewarnt
(MAZ) POTSDAM Die V‑Mann-Affäre des brandenburgischen Verfassungsschutzes nimmt offenbar bundespolitische Dimensionen an. Der enttarnte Spitzel Christian K. teilte der MAZ und dem Berliner “Tagesspiegel” in einem Gespräch mit, dass sein V‑Mann-Führer ihn über eine Razzia gegen Mitglieder der militanten Skinhead-Bewegung “Blood & Honour” (B&H) informiert habe. Mit dieser Razzia am 14. September 2000 wollte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) das
deutschlandweite Verbot der gefährlichen Neonazi-Organisation vollstrecken.
Durchsucht wurden damals auch die Wohnungen von Stefan R. aus Neu Bochow und
Sven S. aus Borkwalde (beide Potsdam-Mittelmark). S. war Brandenburg-Chef
und Schatzmeister von B&H.
Ex-Spitzel K. bestreitet aber, seinen Freund Sven S. im September 2000 vor
der Durchsuchung gewarnt zu haben. Anders verhielt es sich nach K.s Worten
im Februar 2001. Damals habe er S. über die Razzia unterrichtet. Das
vorgesehene Datum, den 17. Februar, habe ihm am 6. Februar sein
V‑Mann-Führer mit dem Tarnnamen “Max” telefonisch mitgeteilt, sagt K. Der
etwa 40 Jahre alte “Max” habe betont, dass die Razzia im Zusammenhang mit
Ermittlungen gegen die rechtsextreme Terrorgruppe “Nationale Bewegung”
stehe. Die bis heute unentdeckte Organisation hatte am 8. Januar 2001 den
Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Potsdam verübt.
Die Aussagen des ehemaligen V‑Manns, der von 1998 bis Ende 2002 als Spitzel
arbeitete und als zuverlässige Quelle galt, stehen im Widerspruch zu
Erklärungen des Verfassungsschutzes in der Parlamentarischen
Kontrollkommission (PKK). PKK-Chef Christoph Schulze (SPD) erklärte noch in
dieser Woche, es gebe keinen Hinweis auf einen Verrat durch den
Geheimdienst. Der Informant müsse aus der Polizei stammen.
Auch dazu äußerte sich Spitzel K.: Nachdem der Verrat durch ein abgehörtes
Telefonat zwischen K. und S. offenkundig geworden war und die Razzia hastig
vorgezogen werden musste, habe “Max” eine “Geschichte erfunden”, die den
Verdacht auf die Polizei lenken sollte.
Ex-Spitzel belastet Geheimdienst
V‑Mann-Skandal: Leck offenbar doch beim Verfassungsschutz
(MAZ) POTSDAM Christian K., der enttarnte Spitzel des brandenburgischen
Verfassungsschutzes, der im Februar 2001 eine Polizeirazzia gegen die
rechtsextreme Terrorgruppe “Nationale Bewegung” verriet, belastet den
Geheimdienst schwer. In einem Gespräch mit der MAZ und dem Berliner
“Tagesspiegel” sagte der 27-jährige Baumaschinenfahrer, sein V‑Mann-Führer
mit dem Tarnnamen “Max” habe ihm das Datum der Razzia sowie die Dimension
der Aktion mitgeteilt.
Dies steht offenbar in Widerspruch zu Äußerungen von Verfassungsschutzchef
Heiner Wegesin vor der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des
Potsdamer Landtags. Im Beisein von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist
die Rolle des Geheimdienstes beim Verrat so dargestellt worden, dass
PKK-Chef Christoph Schulze (SPD) den vermeintlichen Alleinschuldigen für den
Verrat bei der brandenburgischen Polizei zu erkennen glaubte.
Es gebe keinen Hinweis, dass der V‑Mann von seinem Führungsbeamten beim
Verfassungsschutz auf die Razzia aufmerksam gemacht wurde, teilte Schulze
nach der Geheimsitzung in dieser Woche mit. Der Verräter müsse den Reihen
der Polizei entstammen. Immerhin, erklärte der Kontrolleur, seien “Hunderte,
wenn nicht Tausende Polizisten” im Vorfeld in die Razzia eingeweiht
gewesen — was nach Recherchen der MAZ nicht im entferntesten zutrifft. Einen
V‑Mann-Skandal des brandenburgischen Verfassungsschutzes, meinte Schulze,
gebe es nicht.
Sollte sich jedoch erweisen, dass der ehemalige V‑Mann Christian K. den
Verrat der Razzia samt den Hintergründen wahrheitsgetreu wiedergibt, ist der
Verfassungsschutzskandal noch viel größer, als selbst erfahrene
Sicherheitsexperten dies bisher für möglich hielten. Es wäre nicht
auszuschließen, dass der PKK, die den Verfassungsschutz überwachen soll,
Unwahrheiten mitgeteilt wurden — wissentlich, fahrlässig oder zufällig.
K. lässt keinen Zweifel daran, dass er seit Jugendjahren ein überzeugter
Neonazi ist. Kurz nach seiner Entlassung aus der Bundeswehr im Jahr 1998
hatte der brandenburgische Verfassungsschutz den jungen Mann aus Damsdorf
angeworfen und als Informanten in der rechtsextremen Musikszene eingesetzt.
Abgeschaltet wurde K. nicht sofort nach Bekanntwerden seines Verrats im
Februar 2001, sondern erst Ende vergangenen Jahres. Pro Woche soll der
Spitzel mehrere hundert Mark Informationshonorar erhalten haben, manchmal
mehr. Das ist kaum weniger, als der im Juni 2000 enttarnte Topspitzel
Carsten S. bekommen hatte. Das zeigt den hohen Stellenwert, der K.s
Informationen beigemessen wurden. Der Spitzel hatte den Ruf, wahrheitsgemäß
zu berichten.
Was im Februar 2001 geschah, gibt Spitzel K. so wieder: Um die Mittagszeit -
es muss Dienstag, der 6. Februar gewesen sein — habe sein Handy geklingelt,
das ihm der Geheimdienst zur Verfügung gestellt habe. “Max”, sein
V‑Mann-Führer, habe ihm knapp mitgeteilt, dass für den 17. Februar eine
Polizeirazzia im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die “Nationale
Bewegung” geplant sei. Die Terrorgruppe, die am 8. Januar 2001 den
Brandanschlag auf den Jüdischen Friedhof in Potsdam verübt hatte, ist bis
heute unentdeckt, obwohl der Generalbundesanwalt seit fast zweieinhalb
Jahren ermittelt.
“Max”, so ist K.s Worten zu entnehmen, hat den Spitzel offenbar ermuntert,
den Razziatermin weiterzuerzählen, insbesondere an Sven S. aus Borkwalde,
dem früheren Brandenburg-Sektionschef der militanten Skinhead-Bewegung
“Blood & Honour” (B&H), die Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am 14.
September 2000 als kriminelle Vereinigung verboten hatte.
Seit etwa Anfang 2000, berichtet K., habe er “verbotenes Zeug”, das S.
gehörte, in seinem Keller gebunkert. Die verbotenen CDs (von “Macht & Ehre” bis “Landser”) und T‑Shirts — insgesamt “drei bis vier Umzugskartons” -
sollten bei Durchsuchungen von S. Wohnung nicht gefunden werden. Sein
V‑Mann-Führer, sagt Spitzel K., habe dies gewusst, und dies sei auch der
Grund für “Max” Warnanruf am 6. Februar gewesen. “Ich sollte S. irgendwie
begreiflich machen, dass er das Zeug rausholen sollte”, beschreibt K. den
Auftrag.
Am Nachmittag des 6. Februar habe er seinen Freund Sven S. angerufen und ihm
den Razziatermin genannt. Was die beiden nicht wussten: Das brandenburgische
Landeskriminalamt hörte das Telefonat im Auftrag der Potsdamer
Staatsanwaltschaft ab, die gegen Sven. S. wegen Volksverhetzung ermittelte.
Daraufhin wurde die Razzia eilig um zehn Tage auf den 7. Februar vorverlegt.
Offensichtlich ist nicht auszuschließen, dass V‑Mann K. — auf Anregung
seines V‑Mann-Führers — staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Sven S.
behinderte.
Um den Verdacht von sich abzulenken, so K., habe “Max” sich dann “eine
Geschichte ausgedacht”. K. solle behaupten, er hätte in der Borkwalder
Gaststätte “Pipi Langstrumpf” zufällig das Telefongespräch eines Polizisten
belauscht, der den 17. Februar als Razziatermin erwähnt hätte. “Das sollte
ich erzählen, sagte der V‑Mann-Führer, damit er keinen auf den Deckel
kriegt”, erklärt K. Kurz vor Ende seines Arbeitsverhältnisses Ende 2002 — 18
Monate nach dem Razziaverrat — habe er einem anderen V‑Mann-Führer mit
Tarnnamen “Dirk” die Wahrheit erzählt, so K. Unklar ist, in welchem Umfang
das anschließend in der Behörde bekannt wurde.
Die V‑Mann-Affäre des brandenburgischen Verfassungsschutzes könnte eine
zusätzliche bundespolitische Dimension gewinnen. Sein V‑Mann-Führer habe
nicht nur in allgemeinen Worten “oft gesagt: räum mal
die Bude leer”,
erzählt K. Er sei auch konkret auf die bundesweite Razzia hingewiesen
worden, mit der Bundesinnenminister Otto Schily das “B&H”-Verbot
vollstreckte. Damals jedoch, im September 2000, habe er seinen Freund Sven
S. nicht gewarnt.
Etappen eines Skandals
Chronologie (MAZ)
17. Mai: Die MAZ enthüllt den Verrat einer Polizeirazzia durch einen Spitzel
des Verfassungsschutzes im Februar 2001. Die Razzia stand im Kontext von
Ermittlungen gegen die rechtsextreme Terrorgruppe “Nationale Bewegung”
18/19. Mai: Der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission,
Christoph Schulze (SPD) kritisiert Geheimdienstchef Heiner Wegesin und
beantragt eine PKK-Sondersitzung.
20.Mai: Nach vierstündiger Geheimsitzung beschließt die PKK mehrheitlich, es
habe keinen V‑Mann-Skandal gegeben. Die Bundesanwaltschaft sei über den
Verrat informiert gewesen.
21. Mai: Der Innenausschuss des Bundestags will den Generalbundesanwalt zu
dem Vorfall anhören.
3. Juni: Die Potsdamer PKK tagt erneut und verdächtigt allein die Polizei
des Geheimnisverrats.
Zeitungen: Spitzel belastet massiv den Verfassungsschutz
(MOZ) Potsdam (ddp-lbg). In der Brandenburger V‑Mann-Affäre belastet ein früherer
Spitzel massiv den Verfassungsschutz. Der Rechtsextreme Christian K., der im
Februar 2001 eine geplante Polizeirazzia an einen Neonazi verriet, habe
detaillierte Informationen darüber von seinem V‑Mann-Führer bekommen,
berichten der «Tagesspiegel» und die «Märkische Allgemeine Zeitung»
(Freitagausgabe).
Ein Beamter mit dem Decknamen «Max» habe ihm vorab das Datum mitgeteilt und
auch berichtet, dass die Razzia die Ermittlungen gegen die rechtsextreme
Terrorgruppe «Nationale Bewegung» voranbringen solle, sagte K. in einem
Gespräch mit den Zeitungen. Gegen die Gruppe ermittelt seit Januar 2001
Generalbundesanwalt Kay Nehm.
Er habe die Razzia in einem Telefonat an den Neonazi Sven S. verraten, sagte
K. Um den Ursprung des Verrats zu verschleiern, habe ihm der Beamte
aufgetragen, bei Befragungen eine Fantasiegeschichte zu erzählen. Er sollte
in einer Kneipe in Borkwalde zufällig mit angehört haben, wie ein Polizist
ziemlich laut per Handy telefonierte und von einer Razzia am 17. Februar
sprach.
Das Landeskriminalamt hörte das Telefonat zwischen K. und S. mit und zog die
Aktion daraufhin vor, entdeckte aber keine Hinweise auf die «Nationale
Bewegung». K. wurde trotz des Verrats erst 18 Monate später vom
Verfassungsschutz abgeschaltet.
K. sagte, bereits im Jahr 2000 habe ihn ein Beamter über den bevorstehenden
Verbot der «Deutschland-Division» einer internationalen Skinhead-Bewegung
informiert. Der V‑Mann-Führer habe in diesem Zusammenhang auch vor
Durchsuchungen gewarnt. Am 14. September 2000 wurde die
«Deutschland-Division» der Gruppe verboten. Zugleich wurden bundesweit mehr
als 30 Objekte durchsucht. Die Ausbeute wurde in Sicherheitskreisen
unterschiedlich bewertet, einige Experten sprachen von einem eher mageren
Resultat. K. bestreitet, die Information über das bevorstehende Verbot an
die Szene weitergegeben zu haben.
V‑Mann-Affäre: Jetzt spricht der Spitzel
Christian K. bestätigt Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz — Beamter gab Informationen über Nazi-Razzia weiter
(Tagesspiegel) Potsdam. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gerät in Erklärungsnot. Seit
Wochen sagt Schönbohm, es gebe keine neue V‑Mann-Affäre — doch jetzt hat der
ehemalige Verfassungsschutz-Spitzel Christian K. die Vorwürfe gegen die
Behörde bestätigt. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel und der “Märkischen
Allgemeinen Zeitung” sagte K., er habe Anfang 2001 von einem Beamten des
Verfassungsschutzes detaillierte Informationen über die geplante Razzia der
Potsdamer Polizei erhalten. Sein V‑Mann-Führer mit dem Decknamen “Max” habe
gesagt, am 17. Februar 2001 wolle die Polizei in der rechten Szene
durchsuchen — in Zusammenhang mit den Ermittlungen von Generalbundesanwalt
Kay Nehm gegen die Terrorgruppe “Nationale Bewegung”. Christian K. gab zu,
er habe dann am 6. Februar 2001 per Telefon den Neonazi Sven S. informiert.
Dieses Gespräch wurde, wie berichtet, vom Landeskriminalamt mitgehört.
Bislang behauptet Schönbohm, es gebe gar keine V‑Mann-Affäre, da unklar sei,
woher der V‑Mann von der Razzia wissen konnte. Aus dem Umfeld des
Verfassungsschutzes und im Landtag wird sogar die Polizei verdächtigt. Doch
der frühere V‑Mann lächelt über diese Geschichten. Als der Verrat der Razzia
bekannt geworden sei, habe sein V‑Mann-Führer mit dem Decknamen “Max”
gedrängt, bei Befragungen ein Märchen zu präsentierten. Christian K. sollte
erzählen: Kurz vor dem Verrat habe er in Borkwalde in der Kneipe “Pippi
Langstrumpf” rein zufällig mitbekommen, wie sich ein Polizist am Handy
lauthals über die für den 17. Februar 2001 geplanten Durchsuchungen äußerte.
Der Ex-Spitzel hat denn auch einem Vorgesetzten des V‑Mann-Führers die
Pippi-Langstrumpf-Story erzählt — offenkundig seinem V‑Mann-Führer “Max”
zuliebe. Denn dieser habe ihn häufig in einem italienischen Restaurant in
Werder großzügig bewirtet. Außerdem habe der Verfassungsschutz, sagt K., gut
gezahlt: Beträge von “300 Mark und mehr” seien die Regel gewesen.
Dass “Max” gerade vor der Razzia, die sich gegen die Terrorgruppe “Nationale
Bewegung” richtete, konkreter als sonst und sogar mit der Angabe des Datums
warnte, habe ihn auch gewundert, sagte Christian K. Er habe aber keine
Fragen gestellt. Auch nicht, als er im Sommer 2000 überraschend erfuhr, der
Bundesinnenminister werde demnächst den deutschen Ableger der
Skinhead-Vereinigung “Blood & Honour” verbieten.
Einem weiteren V‑Mann-Führer namens “Dirk” habe er vom Verrat der Razzia im
Februar 2001 und dem Verhalten von “Max” erzählt, sagte K. Sollte diese
Angabe stimmen, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Verfassungsschutz-Chef
Heiner Wegesin schon lange die Hintergründe des Verrats kannte. Und
möglicherweise auch Jörg Schönbohm.
Chronik einer Affäre
Chronik (Tagesspiegel)
6. Februar 2001: Der rechtsextreme V‑Mann Christian K. informiert den
Neonazi Sven S., die Polizei plane für den 17. Februar eine Razzia.
7. Februar 2001: Die Razzia wird vorgezogen. 200 Polizisten durchsuchen
Wohnungen von 19 Neonazis. Erhoffte Hinweise auf die Terrorgruppe “Nationale
Bewegung” bleiben aus.
5. Mai 2003: Die Bundesanwaltschaft erfährt von den Recherchen des
Tagesspiegels und der “Märkischen Allgemeinen Zeitung”, dass
Dienstgeheimnisse verraten worden sein sollen.
19. Mai: Innenminister Jörg Schönbohm nennt die V‑Mann-Affäre “in höchstem
Maße ärgerlich”. Der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkomission
(PKK), Christoph Schulze (SPD), sieht das Vertrauen in den Verfassungsschutz
“stark beschädigt”, da der Verrat der Razzia zwei Jahre verschwiegen wurde.
20. Mai: Die PKK trifft sich zur Sondersitzung. Verfassungsschutz-Chef
Wegesin bestätigt, ein V‑Mann berichtete einem Neonazi über die Razzia. Nach
der Sitzung sagt Schulze: “Es gibt keinen V‑Mann-Skandal”. Nichts sei
vertuscht, die Bundesanwaltschaft sei “zu jedem Zeitpunkt ” unterrichtet.
21. Mai: Die Bundesanwaltschaft gerät in den Verdacht, auch sie habe die
V‑Mann-Affäre vertuscht.
Anfang Juni: Der ehemalige V‑Mann Christian K. bestätigt den Verrat der
Razzia. V‑Mann-Führer “Max” warnte ihn vor der für den 17. Februar 2001
geplanten Durchsuchung, so der frühere Spitzel.
Ex-V-Mann belastet Verfassungsschutz
Spitzel: Konkrete Warnungen durch V‑Mann‑F&u
uml;hrer
(LR) Seit Wochen sagt Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), es gebe
keine neue V‑Mann-Affäre. Doch jetzt hat der ehemalige
Verfassungsschutz-Spitzel Christian K. die jüngsten Vorwürfe gegen die
Behörde bestätigt.
K. sagte, er habe Anfang 2001 von einem Beamten des Verfassungsschutzes
detaillierte Informationen über eine geplante Razzia der Potsdamer Polizei
erhalten. Sein V‑Mann-Führer mit dem Decknamen «Max» habe ihm gesagt, am 17.
Februar 2001 wolle die Polizei in der rechten Szene durchsuchen in
Zusammenhang mit den Ermittlungen von Generalbundesanwalt Kay Nehm gegen die
Terrorgruppe «Nationale Bewegung» . Christian K. gab zu, er habe dann am 6.
Februar 2001 per Telefon den Neonazi Sven S. informiert. Dieses Gespräch
wurde vom Landeskriminalamt mitgehört (die RUNDSCHAU berichtete).
Razzia wurde vorgezogen
Im Polizeipräsidium Potsdam wurde daraufhin entschieden: Die Razzia wird
vorgezogen. 200 Polizisten schwärmten aus, durchsuchten Wohnungen von 19
Neonazis. Erhoffte Hinweise auf die Terrorgruppe «Nationale Bewegung»
blieben jedoch aus.
Bislang behauptet Innenminister Schönbohm, es gebe gar keine V‑Mann-Affäre,
da unklar sei, woher der V‑Mann von der Razzia wissen konnte. Aus dem Umfeld
des Verfassungsschutzes und im Landtag wird sogar die Polizei verdächtigt.
Doch der frühere V‑Mann lächelt über diese Geschichten. Als der Verrat der
Razzia bekannt geworden sei, habe sein V‑Mann-Führer mit dem Decknamen «Max»
gedrängt, bei Befragungen ein Märchen zu präsentierten.
Christian K. sollte folgende Geschichte erzählen: Kurz vor dem Verrat habe
er in Borkwalde in der Kneipe «Pippi Langstrumpf» rein zufällig mitbekommen,
wie sich ein Polizist am Handy lauthals über die für den 17. Februar 2001
geplanten Durchsuchungen äußerte. Der Ex-Spitzel hat dann auch einem
Vorgesetzten des V‑Mann-Führers die Pippi-Langstrumpf-Story erzählt,
offenkundig seinem V‑Mann-Führer «Max» zuliebe.
Gute Bezahlung für Infos
Denn dieser habe ihn häufig in einem italienischen Restaurant in Werder
großzügig bewirtet. Außerdem habe der Verfassungsschutz, sagt K., gut
gezahlt: Beträge von «300 Mark und mehr» seien die Regel gewesen. Dass «Max»
gerade vor der Razzia, die sich gegen die Terrorgruppe «Nationale Bewegung»
richtete, konkreter als sonst und sogar mit der Angabe des Datums warnte,
habe ihn auch gewundert, erklärte Christian K. Er habe aber keine Fragen
gestellt. Auch nicht, als er im Sommer 2000 überraschend erfuhr, der
Bundesinnenminister werde demnächst den deutschen Ableger der
Skinhead-Vereinigung «Blood & Honour» verbieten.
Einem weiteren V‑Mann-Führer namens «Dirk» habe er vom Verrat der Razzia im
Februar 2001 und dem Verhalten von «Max» erzählt, berichtete K. Sollte diese
Angabe stimmen, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Verfassungsschutz-Chef
Heiner Wegesin schon lange die Hintergründe des Verrats kannte. Und
möglicherweise auch Innenminister Jörg Schönbohm.
Nach Zeitungsberichten Mitte Mai über den Verrat der Razzia hatte
Verfassungsschutz-Chef Wegesin der Parlamentarischen Kontrollkommission im
Landtag erklärt, dass ein V‑Mann einem Neonazi über die Razzia berichtet
habe. Es sei aber unklar, woher er die Information hatte.
Der Sprecher des Potsdamer Innenministeriums, Heiko Homburg, bezeichnete die
erhobenen Vorwürfe als “nicht überprüfbare Behauptungen dubiosen
Ursprungs”. Von den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes lägen Erklärungen vor, die den erhobenen Vorwürfen widersprächen.