POTSDAM. Es ging um nicht weniger als um das Recht auf Meinungsfreiheit. Das sagte der Beschuldigte am Donnerstag im Berufungsprozess vor dem Landgericht Potsdam. Es ging aber auch um den größten ostdeutschen Rückübertragungsfall
von ehemaligen Grundstücken jüdischer Alteigentümer aus der Nazizeit. Und es ging um den Vorwurf des Antisemitismus gegen hiesige Richter und Beamte.
“Ich bin unschuldig”, sagte der Angeklagte Peter Y. Sonnenthal am Ende
seiner fast zweistündigen Erklärung vor der 7. Strafkammer. Der 49-jährige
Amerikaner wurde bereits im April 2002 zu einer Geldstrafe von 13 500 Euro
verurteilt — wegen übler Nachrede. Er hatte in einem Fernsehinterview
behauptet, zwei Potsdamer Verwaltungsrichter und das Amt zur Regelung
offener Vermögensfragen würden die Rückgabe der von den Nazis geraubten
Grundstücke an die Erben absichtlich verzögern. Er hatte dies als
“antisemitische Verzögerungsstrategie” bezeichnet und die Juristen sogar mit
Hitler und Roland Freissler, dem Präsidenten des NS-Volksgerichtshofes,
verglichen.
Sonnenthal — selbst Anwalt in Denver, Colorado — wollte das Urteil nicht
akzeptieren. Er bestreitet nicht, die Aussagen getroffen zu haben, aber er
bestreitet, dass es eine Straftat war. Er habe lediglich das auch in
Deutschland verfassungsmäßig garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung
wahrgenommen. Deshalb ging er in Berufung und will freigesprochen werden.
Doch nicht nur er sieht das alte Urteil als falsch an. Auch Staatsanwalt
Peter Petersen wollte es nicht akzeptieren und forderte eine härtere Strafe.
“Es geht hier nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine falsche
Tatsachenbehauptung”, sagte er.
Gleich zu Beginn der Verhandlung forderte der Anwalt des Amerikaners einen
Freispruch. “Wir leben, Gott sei Dank, in einem Land, in dem die
Meinungsfreiheit ein sehr hohes Rechtsgut ist”, sagte Robert Unger, der
früher auch schon Egon Krenz vertreten hatte.
Sonnenthal sagte. “Ich bin ein sorgfältiger Anwalt.” In Amerika gebe es
überhaupt keine Einschränkungen für die Redefreiheit. “Meine Erklärung wäre
nach der US-Verfassung völlig legal.” Als er im Jahr 2001 glaubte, dass bei
der Rückübertragung kein fairer Prozess mehr möglich sei und die Gerichte
die Rückgabe verzögern, habe er provozieren wollen. “Ich wollte die
stärkstmögliche legale Äußerung, um Entscheidungen zu erreichen”, sagte er.
Sein damaliger Anwalt habe gesagt, dass der Vorwurf des Antisemitismus gegen
die Richter unproblematisch sei, solange klar wird, dass es sich um eine
persönliche Meinungsäußerung handele.
Richter empört
Der angegriffene Jurist Wilfried Hamm sagte vor Gericht: “Ich fühlte mich
nicht nur in meiner Ehre getroffen.” Auch die Vorwürfe, er hätte
Rückübertragungsfälle verzögert, sei völlig falsch. Am meisten ärgert ihn,
dass er als Antisemit bezeichnet wurde. “Meine Großmutter war jüdischen
Glaubens, wurde verfolgt und musste untertauchen”, sagte er. Sein Vater war
im aktiven Widerstand gegen die Nazis. “Toleranz ist mir eingetrichtert
worden, im positiven Sinne”, sagte Hamm. Er selbst beteilige sich seit
Jahren aktiv an der Aufarbeitung der Verstrickung deutscher Juristen in der
NS-Zeit.
Sonnenthal wurde freigesprochen. Das Gericht befand, dass er von seinem
Anwalt falsch beraten worden war und mit seiner Erfahrung der totalen
Redefreiheit in den USA nicht wissen konnte, dass er in Deutschland eine
Straftat begeht.