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Extreme Re-Reeducation

Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm trat vor kurzem als Fes­tred­ner auf einem Tre­f­fen der Stu­den­ten­verbindung “Ham­burg­er Waf­fen­ring” auf. von andreas speit 

Die Ein­gangstüren der Prov­inzial­loge zu Ham­burg waren weit geöffnet. Aber längst nicht jed­er Inter­essierte durfte die Tagung unter dem Mot­to “Deutsche Erin­nerungskul­tur” besuchen. “Geschlossene Gesellschaft”, erk­lärte ein junger Herr höflich, aber bes­timmt, vor den Mozart­sälen der Loge. Über 350 erwün­schte Gäste sollen am 29. April zu der Tagung der “Staats- und Wirtschaft­spoli­tis­chen Gesellschaft” (SWG) anlässlich “der 60. Wiederkehr des 8. Mai 1945” gekom­men sein. 

Seit über 40 Jahren bemüht sich die SWG, die von dem Brigade­gen­er­al a.D. Rein­hard Uhle-Wet­tler geleit­et wird, um die “kon­ser­v­a­tive Bil­dungsar­beit” im “vor­poli­tis­chen Raum”. Mit Erfolg, wie die Gesellschaft, die als gemein­nütziger Vere­in in Ham­burg einge­tra­gen ist, bere­its bei ihrem 25jährigen Jubiläum bilanzierte: “Pro­fil­ierte Poli­tik­er, hohe Mil­itärs, Wis­senschaftler der ver­schieden­sten Diszi­plinen haben in unseren Ver­anstal­tun­gen gesprochen”. Und das tun sie auch heute noch. 

Schon die Aufk­le­ber an den park­enden Autos vor der Prov­inzial­loge offen­barten, um welche Klien­tel es sich bei der SWG han­delt. Embleme von Burschen­schaften prangten neben Aufk­le­bern gegen Polit­i­cal Cor­rect­ness. Auf der Tagung sprachen, der Ein­ladung zufolge: Dok­tor Klaus Wip­per­mann, ehe­ma­liger Chefredak­teur der Zeitung Aus Poli­tik und Zeit­geschichte, über die “Kun­st des Erin­nerns”; Pro­fes­sor Ulrich Mat­tée von der Uni­ver­sität Kiel über das “Erbe des deutschen Ostens am Beispiel Königs­berg”; Ehrhardt Bödeck­er, Berlin­er Buchau­tor und Banki­er, über “Preußen – ein Vor­bild für Kul­tur und Lebens­form?” sowie Pro­fes­sor Gün­ter Zehm, Uni­ver­sität Jena, über Friedrich Schiller als “Erzieher der Deutschen”. Zehm schreibt schon seit langem für die Junge Freiheit. 

In sein­er Begrüßung for­mulierte Uhle-Wet­tler seine übliche Kri­tik an dem ver­meintlich vorherrschen­den Geschichts­bild in Deutsch­land. Regelmäßig klagt der langjährige Vor­sitzende der SWG, der eine Festschrift für den englis­chen Auschwit­zleugn­er David Irv­ing veröf­fentlichte und bei der recht­sex­trem­istis­chen Kul­turvere­ini­gung “Gesellschaft für freie Pub­lizis­tik” auf­trat, über das “US-amerikanis­che Umerziehung­spro­gramm für die besiegten Deutschen”. Doch auch der “Ham­burg­er Aufruf” der SWG, den sie gle­ich mit der Ein­ladung ver­schick­te, deutete die Aus­rich­tung der Tagung an. “Wir Frauen und Män­ner aus dem Volk”, schreibt die SWG, “rufen unsere Vertreter im Deutschen Bun­destag auf, das (…) pos­i­tive Erbe unser­er Vor­fahren dankbar anzunehmen” und “die über­zo­gene und unangemessene Bußkul­tur” zu been­den, “die sich in ein­er zer­störerischen Selb­st­bezich­ti­gung (…) äußert”. Um den “inneren Frieden” nicht zu gefährden, müsse eben­so die “ständi­ge (…) Beru­fung auf ange­blich vorhan­de­nen (…) Ras­sis­mus und Anti­semitismus” aufhören. 

Der Aufruf wurde auch in der Preußis­chen All­ge­meinen Zeitung (PAZ) veröf­fentlicht. Schon deren Vor­läuferzeitung, das Ost­preußen­blatt, hat­te gute Kon­tak­te zur SWG. Der langjährige Chefredak­teur des Blattes, Hugo Wellems, war einst Presseref­er­ent bei Joseph Goebbels, bevor er 1962 die Gesellschaft mit­be­grün­dete. Erst nach seinem Tod über­nahm 1995 Uhle-Wet­tler den Vorsitz. 

Die SWG und die Zeitung haben nicht nur die gle­iche Postan­schrift. Das Per­son­al arbeit­et auch in anderen Pro­jek­ten zusam­men. So gehörte der Medi­en­beauf­tragte der SWG, Bern­hard Knap­stein, zu den Organ­isatoren des “Feier­lichen Fes­tkom­mers” des “Ham­burg­er Waf­fen­rings” (HW), den die PAZ eben­falls unterstützte. 

Am 22. April lud der HW, ein Zusam­men­schluss aller schla­gen­den Stu­den­ten­verbindun­gen der Hans­es­tadt, zu dem Kom­mers in die Prov­inzial­loge. Nicht etwa, weil an den 60. Jahrestag der Kapit­u­la­tion der Wehrma­cht im April 1945 in Kalin­ingrad erin­nert wer­den sollte, son­dern um “750 Jahre Königs­berg” zu feiern. Mehr als 400 Gäste kamen. Den großen Zulauf dürfte der HW auch dem Fes­tred­ner ver­danken, Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU).

Wegen des Auftritts ste­ht er in der Kri­tik, denn im HW sind mehrere extrem rechte Burschen­schaften vertreten. Mit sein­er Fes­trede adele der Innen­min­is­ter eine “Ver­anstal­tung neurechter Art”, warnte Pro­fes­sor Wolf­gang Gessen­har­ter von der Hel­mut-Schmidt-Uni­ver­sität. Die Forderung, seine Teil­nahme abzusagen, ignori­erte Schön­bohm. “Ich lasse mir den Mund nicht ver­bi­eten”, sagte er der Lausitzer Rund­schau. Auf die Kri­tik des stel­lvertre­tenden Vor­sitzen­den des DGB Berlin-Bran­den­burg, Bernd Riss­mann, der die “Recht­slastigkeit” der Organ­i­sa­tio­nen her­vorhob, reagierte Schön­bohm mit einem Brief. Ihm sei “schleier­haft”, wie der DGB zu dieser Kri­tik komme. Die Schirmher­ren der Kom­mers, wie etwa die “Lands­man­nschaft Ost­preußen”, seien “nicht in Ver­fas­sungss­chutzbericht­en erwähnt”. 

Auf den Vor­wurf, dass sich im HW auch extrem rechte Stu­den­ten­verbindun­gen find­en, ging er nicht ein. Die “Burschen­schaft Ger­ma­nia Ham­burg” etwa unter­hält seit Jahren enge Beziehun­gen zur extremen Recht­en. Anfang der neun­ziger Jahre nahm sie an Wehrsportübun­gen teil. Als ver­meintlich Inter­essierte im Jahr 2000 die NPD anschrieben, um zu erfahren, an welche Stu­den­ten­verbindung im “roten Ham­burg” sich ein “Nationaler” wen­den könne, antwortete die Burschen­schaft. Bis April 2004 wohnte Sascha Keller, der Betreiber des neon­azis­tis­chen “Nordic-Ham­mer-Ver­sands”, in dem Haus der Burschenschaft. 

Bere­its das Gruß­wort hätte dem Innen­min­is­ter zu denken geben kön­nen. In der Ein­ladung schreibt der Vor­sitzende der “Stadt­ge­mein­schaft Königs­berg”, Klaus Weigelt, zu Kalin­ingrad: “Sie ist zu ein­er Stadt (…) der Fremdbes­tim­mung gewor­den.” Wegen dieser indi­rek­ten Gebi­et­srück­forderung stellte die Bürg­er­schaftsab­ge­ord­nete der SPD, Luisa Fiedler, erneut eine kleine Anfrage zum HW und zur “Burschen­schaft Ger­ma­nia”. Zuvor räumte der Ver­fas­sungss­chutz auf eine Anfrage von ihr ein, dass von der Burschen­schaft “ver­fas­sungs­feindliche Bestre­bun­gen” aus­gin­gen. Weit­ere Auskün­fte kön­nten jedoch nur im Par­la­men­tarischen Kon­trol­lauss­chuss gegeben werden. 

Zöger­lich bestätigte der Ver­fas­sungss­chutz vor weni­gen Jahren, dass “per­son­elle Über­schnei­dun­gen” der SWG “zu recht­sex­trem­istis­chen Organ­i­sa­tio­nen” bekan­nt seien. Offen­siv­er verkün­dete der Ver­fas­sungss­chutz nun, dass die “Pen­nale Burschen­schaft Chat­tia Fried­berg” Mit­glieder in der “recht­sex­trem­istis­chen Szene” suche. Dies hat­te die Burschen­schaft allerd­ings im April in ein­er Anzeige in der Deutschen Stimme selb­st öffentlich gemacht. 

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