BELZIG Bestürzt und enttäuscht haben Jungen und Mädchen der Gesamtschule auf
die Entscheidung von Landrat Lothar Koch (SPD) reagiert, die bosnische
Familie Memic am Freitag abschieben zu lassen. “Von unserer Hoffnung auf
Solidarität, Humanität und Demokratie bleiben nur große Hilflosigkeit,
tiefste Trauer und absolutes Unverständnis übrig”, äußerten Juliane
Mühlsteph, Linda Wiemann und Tina Rabinowitsch gestern gegenüber der MAZ.
Gemeinsam mit mehr als 250 Schülern und Bürgern hatten sie am Dienstag
versucht, Lothar Koch zu bewegen, seinen Entscheidungsspielraum in diesem
Fall zu nutzen und sich für ein vorläufiges Bleiberecht der Familie
einzusetzen.
Der Landrat rechtfertigte gestern seine Haltung damit, dass es weder
Formfehler im Verfahren gegeben habe, noch eine angestrebte einstweilige
Verfügung auf Aussetzung der Abschiebung Erfolg hatte. “Wenn ich mich anders
entschieden hätte, wäre dies ein Verstoß gegen geltende Gesetze gewesen”,
wiederholte er seine bereits vor den protestierenden Jugendlichen dargelegte
Position.
Zwar sieht das Gesetz vor, dass der Kreis eine Abschiebung verhindern kann,
wenn inhumane Gründe es rechtfertigen, doch findet es Lothar Koch nicht
inhuman, dass Mehmed Memic nun die Schulausbildung abbrechen muss. “Die Zeit
bis zu seinem Abschluss ist noch zu lang”, sagt er. Anders wäre es gewesen,
wenn er kurz vor den Prüfungen das Land hätte verlassen müssen. Die Schüler
indes halten dagegen: “Wir hätten vom Landrat als Vertreter der zuständigen
Behörde mehr persönlichen Einsatz erwartet, auch auf die Gefahr hin, dass er
sich gegen geltendes Recht hätte stellen müssen.”
Inzwischen übt auch die Linkspartei-PDS Kritik an Koch. “Allein in seiner
Kompetenz hätte eine humanitäre Entscheidung gelegen”, heißt es in einer
Presseerklärung. Auch die FDP-Ortsgruppe Hoher Fläming fordert in einer
Stellungnahme “eindringlichst die Aussetzung der Abschiebung der Familie”.
Der Abschluss der Ausbildung müsse ermöglicht werden.
Ein Teil der Schüler hat indes angekündigt, morgen früh vor der Wohnung der
Familie Memic erneut gegen die Abschiebung zu protestieren beziehungsweise
sich in herzlicher Form von ihrem Mitschüler zu verabschieden. Gegen 6 Uhr
soll die Familie nach Informationen der MAZ von mehreren Polizeibeamten zu
einem Berliner Flughafen gebracht werden. Die Tickets sind bereits
ausgestellt.