Opferperspektive e.V.
Aufruf vom 11.08.2003
Orabi Mamavi, der 41-jährige Asylbewerber aus Rathenow, der 1997 und 2002 Opfer rassistischer Gewalt wurde, soll am 4. September 2003 abgeschoben werden. Auf Empfehlung des Petitions-Ausschusses hatte die Ausländerbehörde
des Landkreises Havelland die für den 24. Juli geplante Abschiebung
ausgesetzt, damit das Strafverfahren gegen den Angreifer vom Dezember 2002
vollständig abgeschlossen werden konnte. Der Täter, der 26-jährige Marco D.
aus Rathenow, wurde am 22. Juli zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten
Haft und einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt. Das Urteil wurde eine Woche
später rechtskräftig. Die Ausländerbehörde hat nun einen neuen Termin für
die Abschiebung festgesetzt, den 4. September.
Wir lassen nichts unversucht, das Unrecht der Abschiebung eines Opfers rassistischer Gewalt zu verhindern.
Über einen Asylfolgeantrag für Orabi Mamavi ist noch nicht entschieden. Bei
einer Abschiebung nach Togo wäre Orabi Mamavi hochgradig von Verhaftung und
Folter bedroht, da deutsche Behörden seinen Mitgliedsausweis einer
Oppositionspartei an die togolesische Botschaft weitergeleitet haben.
Der Antrag auf ein sicheres Bleiberecht in Form einer Aufenthaltsbefugnis
wurde von der Ausländerbehörde abgelehnt. Mamavis Anwalt hat gegen die
Entscheidung Widerspruch eingelegt. Rechtlich möglich (nach § 30.3 AuslG
i.V.m. §§ 54, 55.2 AuslG bzw. nach § 30.1 AuslG) wäre die Gewährung einer
Aufenthaltsbefugnis durch das Innenminsterium. Vom Kirchenkreis Kyritz, der
Orabi Mamavi beisteht, von der Landesausländerbeauftragten Almuth Berger und
vom Verein Opferperspektive wurden Petitionen für eine Bleiberecht von Orabi
Mamavi an den Landtag gerichtet, die im Ausgust behandelt werden sollen.
Es ist völlig ungewiss, wie die Behörden und das Innenministerium
entscheiden werden. Für Orabi Mamavi ist diese Zeit der Ungewissheit
unerträglich. Die Angst vor der drohenden Abschiebung verstärkt seine
Traumatisierung, die er von den Angriffen und dem Leben in Rathenow erlitten
hat. Er leidet unter Schlafstörungen, unter den Bildern der rassistischen
Angriffe wie auch unter den Bildern der Folter, der er in Togo ausgesetzt
war, er leidet unter Depressionen und ist sehr verängstigt, wie das
Traumatherapiezentrum Xenion feststellte.
Die Zeit drängt. Jede und jeder kann einen Beitrag leisten, um die drohende Abschiebung zu verhindern.
Schicken Sie einen Fax-Appell an den Innenminister.
Vorschlag für ein Protestfax
Hier ein Textvorschlag für den Appell:
[Name und Anschrift nicht vergessen!]
An das
Ministerium des Innern
des Landes Brandenburg
Herrn Minister Jörg Schönbohm
Henning-von-Tresckow-Str. 9–13
14467 Potsdam
Sehr geehrter Herr Minister,
ich wende mich an Sie mit einem dringenden Appell. Der togolesische Asylbewerber Orabi Mamavi aus Rathenow soll am 4. September 2003 abgeschoben werden. Herr Mamavi, der seit neun Jahren in Rathenow lebt, wurde in den Jahren 1997 und 2002 Opfer fremdenfeindlich motivierter Gewalttaten. Noch
heute ist er von den Angriffen traumatisiert. Aus Angst vor weiteren Angriffen und aufgrund des fremdenfeindlichen Klimas in Rathenow war seine Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt.
Ich bin wegen der drohenden Abschiebung von Herrn Mamavi sehr besorgt. Ich appelliere an Sie, in diesem Fall Ihre besondere Verantwortung für ein Opfer
fremdenfeindlicher Gewalt wahrzunehmen und Herrn Mamavi aus politischen und humanitären Gründen ein Bleiberecht zu gewähren.
Den fremdenfeindlichen Angriffen liegt die Motivation der Täter zugrunde, Ausländern ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewalttätig zu bestreiten. In Rathenow haben Rechtsradikale eine weitgehende Vertreibung von Ausländern
aus dem öffentlichen Raum erreicht. Ich würde es als ein besonderes Unrecht betrachten, wenn der Staat den fremdenfeindlichen Täter den Gefallen täte, den Betroffenen abzuschieben.
Nach meiner Überzeugung hat Herr Mamavi ein Bleiberecht als Ausgleich für die Angriffe und ihre bedrückenden psychischen und sozialen Folgen verdient.
Damit würden Sie ein Zeichen der Solidarität mit Opfern rechtsextremer
Gewalt setzen, das auch als eine deutliche Ächtung des Rassismus verstanden
würde. Die Wirkung der Angriffe würde damit umgekehrt, als ein klares Signal
an die Täter, dass sie ihre menschenverachtenden Ziele nicht erreichen.
Sehr geehrter Herr Schönbohm, Sie haben die Befugnisse, in diesem Fall das
Unrecht einer Abschiebung zu verhindern. Ich fordere Sie auf, entsprechend
einer humanitär verstandenen Gerechtigkeit zu entscheiden.
hochachtungsvoll
[Datum und Unterschrift]
So wirds gemacht
Schickt den Brief mit dem oben stehenden Text an die angegebene Adresse des Innenministeriums oder entwerft einen eigenen Brief. Vergesst nicht Euren Namen, Eure Anschrift und Eure Unterschrift.
Oder: schickt ein Fax an die Nummer 0331 866 2666 (Innenministerium Potsdam)
Auf folgenden Websites könnt Ihr kostenlos Faxe verschicken:
denotos (nur 480 Zeichen),
Mailt unbedingt eine Kopie Eures Briefes oder Faxes an die Opferperspektive.
Gebt bitte in der Mail an uns an, ob Ihr einverstanden seid, dass Euer Name
und Euer Wohnort in einem öffentlichen Appell an den Innenminister
veröffentlicht wird. Schickt bitte das Fax oder den Brief so schnell wie möglich. Die Zeit drängt.
Für Rückfragen stehen wir unter 0171 1935669 gerne zur Verfügung.
Das Team der Opferperspektive
Fremdenfeindlich motivierte Angriffe auf Orabi Mamavi
Orabi Mamavi lebt seit 1994 in Rathenow und ist in dieser Zeit mehrfach Opfer fremdenfeindlich motivierter Gewalttaten geworden. Über die unmittelbare Schädigung der Angriffe hinaus wirkten diese Angriffe in Richtung auf eine Verdrängung und Vertreibung der ganzen Gruppe der Asylbewerber aus dem öffentlichen Raum in Rathenow.
Der Angriff 1997
1997 wurde Orabi Mamavi zum ersten Mal Opfer einer schweren fremdenfeindlich motivierten Gewalttat. An einem Samstag Abend, es war entweder im April oder im September, die Angaben darüber gehen auseinander, war er zusammen Nouredine I., Komlan M. und Assouma R., drei weiteren togolesischen Asylbewerbern, in der Diskothek “Lemuria” in Rathenow. Die Auseinandersetzung begann, als ein Rechtsradikaler I. durch einen feindseligen Blick provozierte und ihm ins Gesicht spuckte. Ein zweiter Rechtsradikaler kam hinzu und schubste I. Als die drei anderen Togolesen ihrem Landsmann zu Hilfe eilen wollen, verwies die Security sie des Lokals. Am Eingang umringte eine Menge von etwa 20 rechtsradikal orientierten jungen Männern die Gruppe der Asylbewerber. Diese versuchten, die Rechtsradikalen zu beschwichtigen, doch als M. auf sein Fahrrad stieg, um zu fliehen, trat ihm ein Rechtsradikaler in die Seite, so dass er auf den Boden fiel. Mamavi, I. und Komlan M. versuchten wegzulaufen, was R. wegen einer Gehbehinderung nicht möglich war. Er wurde von einem Rechtsradikalen geschlagen. Eine Angestellte der Diskothek brachte ihn in Sicherheit und rief die Polizei, die jedoch etwa eine halbe Stunde brauc
hte, um am Tatort einzutreffen. Die drei anderen wurden auf ihrer Flucht von den Verfolgern am Eingang der Diskothek eingeholt, Mamavi und Komlan M. wurden geschlagen. Mamavi erlitt eine Prellung im Brustbereich, Komlan M. ein Hämatom am Auge. Doch es gelang ihnen, sich freizumachen und auf die Straße zu laufen. Die Gruppe der Rechtsradikalen verfolgte sie auch da. Mamavi traf auf der Flucht zwei türkische Asylbewerber aus dem Heim Heidefeld. Einer nahm Mamavi auf dem Fahrrad bis zum Bahnhof mit, von wo aus Mamavi weiter zu Fuß bis Heidefeld rannte. Am nächsten Morgen um 7 Uhr gingen Mamavi, I. und Komlan M. zusammen mit den beiden türkischen Asylbewerbern zurück zur Diskothek, um ihre Fahrräder abzuholen, die sich auf der Flucht zurücklassen mussten. In Höhe Kaufland schnitt ihnen ein mit vier Männern besetzter VW Golf den Weg ab. Die Insassen setzen zum Angriff auf die Asylbewerber an, doch diese kehrten fluchtartig um, zurück zum Heim.
Obwohl die Heimleitung von den Angriffen unterrichtet wurde, wurden diese Straftaten von der Polizei offenbar nicht verfolgt. Es fanden keine Vernehmungen der Opferzeugen statt. Die Wiederaufnahme der Ermittlungen im Juni 2003 endete mit einer Einstellung wegen Verjährung.
Für viele Asylbewerber in den Rathenower Heimen war die Verfolgungsjagd des 25. April 1997 ein gravierender Einschnitt. Konnten sie sich bis dahin noch relativ frei in der Stadt bewegen oder in die Diskothek gehen, so wurde seitdem ihre Bewegungsfreiheit durch Angst vor neuen Angriffen erheblich eingeschränkt. Viele gingen nur noch in das Stadtzentrum zum Einkaufen, und das auch nur in Gruppen. Nach eigenen Aussagen lebten viele Asylbewerber seit diesem Zeitpunkt in Rathenow “wie in einem Gefängnis”.
Wiederholte Pöbeleien und Bedrohungen
Dass sie selbst beim Einkaufen bei Tageslicht nicht sicher sind, mussten Mamavi und I. im Frühsommer 2001 erfahren, als sie beim “Multistore” von einer Gruppe von vier bis fünf Rechtsradikalen mit “Hey, Neger” angepöbelt wurden. Ein tätlicher Angriff, zu dem die jungen Männer schon angesetzt hatten, kam es nur nicht, weil drei weitere Afrikaner Mamavi und I. zu Hilfe kamen.
Vor wenigen Monaten wurde Mamavi erneut Opfer einer fremdenfeindlich motivierten Gewalttat.
Der Angriff von 2002
Am Vormittag des 23.12.2002 war Mamavi zusammen mit dem togolesischen Asylbewerber Tronou D. zu Schneeräumarbeiten in der Berliner Straße eingesetzt. Ein junger Mann kam auf sie zu und beschimpfte sie als “Scheiß-Neger”. Als sich die beiden von ihm entfernten, folgte er ihnen und fuhr mit den Beschimpfungen fort. Er redet in aggressivem Ton auf sie ein: “Was machst du hier? Geh zurück in dein Land! Wie viel kriegst du für diese Scheiß-Arbeit? Sag mal! Sag mal!” Dann trat er D. gegen das Knie und schlug Mamavi mit der Faust drei Mal ins Gesicht. Der Angreifer stürzte mit Mamavi auf den Boden, wo eine Rangelei begann, aus der Mamavi sich jedoch befreien konnte. Als Mamavi Polizei rief, entfernte sich der Mann. Mamavi trug von den Schlägen Prellungen im Gesichtsbereich und ein Hämatom am Auge zu. Eine schon vor der Tatzeit bestehende Augenerkrankung wurde so verschlimmert. Der Täter, der 26-jährige Marco D. aus Rathenow, wurde am 22.07.2003 wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Haftstrafe von vier Monaten auf Bewährung und einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.
Zusammengestellt nach Informationen der Betroffenen.