Ein Gespräch mit Michael Grolm
In der vergangenen Woche sind im brandenburgischen Zehdenick acht ihrer Mitstreiter von »Gendreck weg!« wegen Sachbeschädigung verurteilt worden, weil sie im Juli 2006 an einer sogenannten Feldbefreiung teilgenommen haben. Sie selbst müssen sich am heutigen Donnerstag vor dem Landgericht Neuruppin verantworten. Wie kam es dazu?
Ich habe im Vorfeld der Aktion als Pressesprecher unserer Initiative gesagt, daß ich zusammen mit anderen das Feld betreten und Genmaispflanzen herausreißen würde. Dann wurde ich aufgefordert, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, das nicht zu tun. Ansonsten wurde mir angedroht, bis zu 250000 Euro zahlen zu müssen oder ein halbes Jahr ins Gefängnis zu gehen. Die einstweilige Verfügung gegen mich wurde zwar im Namen der Bauerngenossenschaft Neuruppin beantragt, aber rein zufällig vom Düsseldorfer Firmenanwalt des Herstellers von genverändertem Saatgut Monsanto durchgesetzt. Dadurch ist klar, wer dahintersteckt. Warum sollten Bauern aus Neuruppin sonst einen Düsseldorfer Anwalt konsultieren? Und obwohl ich dann selbst nicht an der Feldbefreiungsaktion teilgenommen habe, muß ich jetzt vor dem Landgericht Neuruppin erscheinen. Die Prozeßkosten von rund 7 000 Euro bleiben wohl in jedem Fall an mir hängen.
Feldbefreier berufen sich auf rechtfertigenden Notstand. Welche Gefahren sehen Sie konkret?
Es geht zum Beispiel um die Freiheit, sich für Produkte ohne Gentechnik entscheiden zu können. Als Produzent und als Verbraucher. Diese Freiheit wird uns genommen. Es gibt bald keine Produkte mehr, die null Prozent Gentechnik enthalten. Die Unmöglichkeit der Koexistenz zeigen Erfahrungen aus Kanada, wo es durch Auskreuzung und Vermischung keinen gentechnikfreien Raps und keine gentechnikfreien Sojaprodukte mehr gibt. Biobetriebe können dort nicht mehr anbauen. Dadurch wird auch fremdes Eigentum beschädigt – weniger durch die Feldbefreier als durch die Gentechnikkonzerne. Ich selbst habe Probleme, meinen Honig zu verkaufen. Einer meiner Abnehmer verlangt bereits eine Unterschrift, mit der ich ihm garantiere, daß keine gentechnisch veränderten Pollen im Honig sind.
Befürworter der Gentechnik berufen sich darauf, daß eine Gesundheitsgefährdung durch Genfood nicht nachgewiesen sei.
Das stimmt schon mal nicht. Gesundheitliche Risiken wurden bereits in Studien nachgewiesen. Konzerne wie Monsanto haben versucht, das unter Verschluß zu halten. Zum Beispiel gab es Blutbildänderungen bei Ratten, die Genpflanzen verzehrt hatten.
Gibt es nicht auch indirekte Gefahren für Mensch und Umwelt?
Durch Gentechnik kann es zu Hungerkatastrophen kommen. Dadurch, daß man heute Saatgut patentieren lassen kann, das Bauern Jahrhunderte lang gezüchtet haben, wird die Landwirtschaft immer abhängiger, und die Sortenvielfalt, die bis jetzt der Menschheit ihr Überleben garantiert hat, ist gefährdet. Die Gentechnik bringt auch kurzfristig nicht den Reichtum, den sie verspricht – im Gegenteil. In Indien haben mehrere tausend Bauern Selbstmord begangen, weil sie durch genmanipulierte Baumwolle einen Totalausfall hatten – es fehlten die Resistenzen gegen einen bestimmten Wurm. Irakische Bauern dürfen ihr eigenes Saatgut nicht mehr anbauen, sie werden genötigt, es von den US-Amerikanern zu kaufen. Das sogenannte »Terminator-Saatgut« keimt nur einmal; im nächsten Jahr muß wieder Neues gekauft werden.
Werden Sie für Ihren Prozeß Unterstützung bekommen?
Wir nutzen den Prozeß, um auf unser Anliegen aufmerksam zu machen. Imker in Berufskleidung werden ab 10 Uhr vor dem Gerichtsgebäude demonstrieren und den Spieß umdrehen: Aus Bienenkästen wird eine Klagemauer errichtet, mit der Aufschrift »Wir klagen Monsanto an«. Uns liegt viel daran, daß unsere Feldbefreiungen nicht als Lust an der Zerstörung wahrgenommen werden. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen etwas bewahren. Deshalb weisen wir auch immer wieder darauf hin, wie aggressiv diese Technologie ist. Klar könnte man solche Feldbefreiungen auch bei Nacht und Nebel durchführen, ohne erwischt und vor Gericht gezerrt zu werden, aber dann wäre das Thema nicht in der Öffentlichkeit.
* Rechtshilfe Gendreck-weg, Konto-Nr: 401 687 1300, BLZ: 430 609 67, GLS Bank Bochum, weitere Infos: gendreck-weg.de