Freitag, den 25.04
um 20 UHR
in der Zelle 79 (Parzellenstr.79, Cottbus)
Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist der immer wieder
neu gestellte Klassiker der Frauenfrage. Hatten die 68er Frauen die Frage
noch versucht kollektiv durch den Aufbau von Kinderläden zu beantworten, so
wurde mit der Kampagne gegen den §218 und der Parole “Mein Bauch gehört mir”
auf die individualisierte Variante gesetzt. Seither wurde sich in der
Frauenbewegung an dem an der Aufklärung angelehnten Idealbild des
selbstbestimmten Subjekts orientiert. Ziel war nicht nur wie bei der ersten
Frauenbewegung die rechtliche Gleichstellung, die doch an der konkreten
Situation der Frau als vom Mann Abhängige nichts änderte, sondern eine
vollständig selbstbestimmte Existenz.
Das hat, so die These Andrea Trumans, nicht zu einer Angleichung an die
Männer, sondern zu einer spezifisch weiblichen Form der bürgerlichen
Subjektwerdung geführt, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem selbst von der
Idee der bürgerlichen Subjektivität im emphatischen Sinne nichts mehr übrig
geblieben ist. Diesen Widerspruch reflektierte die Frauenbewegung jedoch
sehr selten. Nur während der Studentenbewegung gab es eine Ahnung davon,
dass Freiheit auch mehr bedeuten könnte als Arbeitsfähigkeit und Kontrolle
über die eigene Gebährfähigkeit. Aufgrund dieser nicht hinterfragten
Prämissen erwies sich die neue Frauenbewegung als Katalysator
kapitalistischer Modernisierungsprozesse. Das hat nicht zu einer Abschaffung
patriarchaler Verhältnisse geführt, sondern zu einer Verinnerlichung
patriarchaler Herrschaft in die Subjekte hinein. Nachgezeichnet werden soll
im Vortrag die Geschichte bürgerlicher Subjektwerdung sowie deren weibliches
Äquivalent bis hin zu gentechnologischen Zeiten, in denen die Frauen ganz
selbstbestimmt und autonom eugenische Sortierungen ausführen.
Andrea Truman, geb. 1973, ist Diplom-Pädagogin. Sie engagierte sich in
verschiedenen feministischen Gruppen, führte bei Jungdemokratinnen/Junge
Linke Seminare zum Thema Frauenbewegung durch und veröffentlichte eine Reihe
von Artikeln zu Fragen feministischer Theorie. Schon seit längerem
beschäftigt sie sich im Berliner AK Wissenschaftskritik mit
Bevölkerungspolitik, Naturbegriffen und Gentechnologie.
2002 erschien von A. Truman im Schmetterlingverlag “Feministische Theorie:
Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus”