Im Asylbewerberheim am Lerchensteig kursiert die Angst. Mehr als 140
Flüchtlingen, zum Teil seit Jahren in Potsdam geduldet, droht die
Abschiebung. In einem Schreiben der Ausländerbehörde wurden die Asylbewerber
aufgefordert, innerhalb von vier Wochen ihre Papiere für die Ausreise zu
beschaffen. Die Grünen werfen der Behörde nun vor, die Abschiebungen
vorzubereiten, um die vor kurzem in Kraft getretene Härtefallkommission zu
unterwandern. Die Sozialbeigeordnete Elona Müller wies die Vorwürfe
entschieden zurück.
“Die Schreiben haben viel Angst und Sorge ausgelöst”, sagte die neue
Ausländerseelsorgerin Monique Tinney gestern vor Journalisten. Die insgesamt
142 Formbriefe seien ohne Ansehen der Person verschickt worden, auch
Schwangere, suizidgefährdete und traumatisierte Flüchtlinge seien betroffen,
die meisten davon im Lerchensteig. “Eine Familie mit fünf Kindern, von denen
drei in Potsdam geboren sind, wurden aufgefordert, ihre Ausreise
vorzubereiten”, nennt Tinney nur ein Beispiel von vielen.
Für die Grünen liegt der Zusammenhang auf der Hand: “Das gehäufte
Verschicken der Schreiben kurz nach Inkrafttreten der neuen
Härtefallkommission kann kein Zufall sein. Das sieht nach einer Kampagne
aus”, betonte die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm vor den
Pressevertretern. Ziel der “konzertierten Aktion” sei es möglicherweise,
potenzielle Fälle für die Härtefallkommission “vom Tisch zu schaffen”, um
das Gremium auf Grund mangelnder Fälle außer Kraft setzen zu können, so der
Landesvorsitzende Joachim Gessinger. Belege für diese These gebe es nicht.
Auch sei ihm nicht bekannt, dass Ausländerbehörden in anderen Städten
ebenfalls gehäuft solche Briefe verschickt hätten. Nach einigen Querelen
hatte die Härtefallkommission für Brandenburg am 17. Februar ihre Arbeit
aufgenommen. Das Gremium kann in außergewöhnlichen Fällen die Erteilung
eines Aufenthaltstitels für an sich ausreisepflichtige Ausländer
vorschlagen, wenn die Ausweisung eine besondere menschliche Härte bedeuten
würde.
Die Sozialbeigeordnete Elona Müller betonte unterdessen, dass die größere
Anzahl an Briefen in keinem Zusammenhang mit der Härtefallkommission stehe.
Durch den Einsatz einer zusätzlichen Arbeitskraft seien lediglich Rückstände
aufgeholt worden. “Wir sind hoch erfreut, dass es endlich eine
Härtefallkommission gibt. Wir werden ihre Arbeit nicht als überflüssig
hinstellen, sondern aktiv mit ihr zusammenarbeiten”, so Müller. Darüber
hinaus sei die Potsdamer Ausländerbehörde “weder stur noch bürokratisch”,
sondern komme nur ihrer durch das Gesetz festgelegten Verpflichtung nach.
Auch Monique Tinney wollte sich den Vorwürfen der Grünen nicht anschließen.
Allerdings habe ihr die Ausländerbehörde keine nachvollziehbaren Gründe für
das massenhafte Verschicken der Briefe nennen können.