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Flüchtlingsproteste in Brandenburg

(“Irgendwelche Anti­ras” auf Indy­media) Heute haben Flüchtlinge in Kuners­dorf (Bran­den­burg) die Neuau­fladung ihrer Chip­karten ver­weigert. Sie wollen so lange auf das diskri­m­inierende Zahlungsmit­tel verzicht­en, bis auch sie Bargeld bekom­men. In ein­er kollek­tiv­en Protes­tak­tion block­ierten sie kurze Zeit das Heim, ver­weigerten die Annahme und demon­stri­erten vor dem einzi­gen Geschäft in der Nähe, das die Karten nimmt und zogen vors Rathaus. Sie brauchen drin­gend Sol­i­dar­ität und Unterstützung! 

Wie jeden ersten Mittwoch im Monat trat­en heute mor­gen gegen 8.00 Uhr zwei Mitar­bei­t­erIn­nen des Sozialamtes Land­kreis Märkisch Oder­land den weit­en Weg in das abseits im Wald gele­gene Flüchtlingslager in Kuners­dorf an. Begleit­et von Wach­schutz und Polizei woll­ten sie den ca. 200 Heim­be­wohner­In­nen die ihnen monatlich zuste­hende finanzielle Unter­stützung (70% der Sozial­hil­fe für Deutsche) wie gewohnt auf diskri­m­inieren­den Chip­karten gespe­ichert auszahlen. Durch das fak­tis­che Arbeitsver­bot haben die Betrof­fe­nen keine (legale) Möglichkeit, an Bargeld zu kom­men und sind auf die Chip­karten angewiesen. 

Mit diesen Chip­karten sind die Einkauf­s­möglichkeit­en äußerst beschränkt: Für die Men­schen in Kuners­dorf ist die einzige Einkauf­s­möglichkeit ein Min­i­mal-Markt im mehrere Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Wriezen. Dor­thin fährt cir­ca 6x täglich ein Bus, für den die Fahrkarten allerd­ings von den 40 ? Taschen­geld im Monat in bar bezahlt wer­den müssen. 

Neben der Res­i­den­zpflicht, die Flüchtlin­gen ver­bi­etet, den zugewiese­nen Land­kreis zu ver­lassen, und dem Zwang zum Leben in Heimen und Lagern, wirkt diese Form der Auszahlung der Unter­stützung in vielfältiger Weise diskri­m­inierend: Schika­nen beim Einkauf sind die eine Seite. Zum anderen arbeit­et ohne Bargeld keine Recht­san­wältIn­nen, ohne die kein Asyl zu bekom­men ist, sind Tele­fonge­spräche, Brief­marken, Medika­mente usw. ohne Bares nicht zu kriegen. 

Deshalb war heute Mor­gen in Kuners­dorf alles ganz anders. Die Flüchtlinge dort haben sich entschlossen, die Annahme der Chip­karten solange zu ver­weigern, bis sie Bargeld aus­gezahlt bekom­men. Nach ein­er kurzen, friedlichen Block­ade des Lagerein­gangs ver­sam­melten sie sich zusam­men mit eini­gen deutschen Unter­stützerIn­nen vor dem Gebäude, in dem die Karten aus­gegeben wer­den soll­ten. In Ansprachen, mit Sprechchören und –gesän­gen forderten sie ein Ende der Diskri­m­inierung. Cir­ca 80 Leute saßen vor der Baracke in der Sonne, in der die Sozialar­bei­t­erin­nen verge­blich auf die Men­schen warteten – unter­stützt von zwei pri­vat­en Sicher­heit­stypen und zwei Bullen — und ließen sich auch von dem, für das Kaff echt beachtlichen Bul­lenaufge­bot von 12 Pkws, 14 Bullen, vier Zivis und zwei Hun­den wed­er beein­druck­en noch verun­sich­ern. Immer wieder wurde ver­sucht, mit den Ver­ant­wortlichen zu sprechen, aber nach tele­fonis­ch­er Auskun­ft des Lan­drat­samtes beste­ht dort keine Bere­itschaft, den Forderun­gen der Flüchtlinge nachzukom­men, obwohl die meis­ten Bran­den­burg­er Land­kreise längst zur (außer­dem bil­ligeren und unkom­pliziert­eren) Bargeldzahlung zurück­gekehrt sind, nach­dem die Lan­desregierung die Entschei­dung darüber an die Kom­munen zurück­gegeben hatte.
Die Men­schen in Kuners­dorf sind aber entschlossen, ihren Boykott fortzuset­zen, obwohl ihnen gedro­ht wird, ihnen für jeden Tag der Ver­weigerung 5 ? abzuziehen. Konkret heißt das, dass die Men­schen jeden Tag, den sie sich weigern, die Karten anzunehmen, kein Geld für Lebens­mit­tel haben. Nach Abzug der Sozialamtsvertreterin­nen und als klar war, dass sich von behördlich­er Seite nichts tun würde, beschlossen die Betrof­fe­nen, ihren Protest sicht­bar zu machen – das Heim liegt mit­ten im Wald und auch Kuners­dorf ist nur cir­ca 5 Häuser und eine Kirche groß – und nach Wriezen vor den Min­i­mal und das Rathaus zu ziehen. Da nicht alle Platz in Pri­vatau­tos hat­ten, musste der Großteil laufen. Für die Betrof­fe­nen keine große Sache, sie sind es gewohnt bei knal­len­der Sonne oder Schnee die gute ¾ Stunde nach Wriezen durch den Wald und an der Schnell­straße langzu­laufen, auch das, an der Straße von vor­beifahren­den Autos mit Glatzenbe­satzung Angepö­belt-wer­den, wäre nur nor­mal, ver­sicherten die Flüchtlinge. Trös­tend war wohl gedacht darauf hinzuweisen, dass es alleine und abends wesentlich gefährlich­er sei, weil die Nazis dann auch aussteigen würden…! 

Angekom­men vor dem Min­i­mal hat­te sich die örtliche Polizei bere­its Ver­stärkung ange­fordert, in Form der Lan­despolizei, denen die Stunde in der Sonne, bis alle da waren, bere­its zu Kopf gestiegen war. Kaum fing die Kundge­bung an, direkt vor der Ein­gangstür, kamen sie auch schon angeeilt und mein­ten ihre Gesichter wären von einem Aktivis­ten abge­filmt wor­den. Zu diesem Zeit­punkt war übri­gens das „Doku­men­ta­tion­steam“ der Lokalbullen min­destens schon bei der zweit­en Videokas­sette und Fotofilm. In der sich nun ergeben­den Diskus­sion wurde schon mal kurz ange­dro­ht, „man wolle ja keine Gewalt ein­set­zen …“ und gle­ichzeit­ig die ersten Leute geschub­st. Als sich die nicht–migrantischen Kundge­bung­steil­nehmerIn­nen in die Debat­te ein­mis­cht­en, platzte dem Grup­pen­leit­er der eh schon enge Kra­gen und er wollte alle „Deutschen“ der Kundge­bung ver­weisen. Darauf aufmerk­sam gemacht, dass das nun wirk­lich wed­er juris­tisch noch polizeirechtlich irgend­wie begründ­bar sei, musste dann auch der Ein­sat­zleit­er zäh­neknirschend zus­tim­men, das es ein Demon­stra­tionsrecht gibt und es nicht an der Polizei liegt, zu entschei­den, wer sich über ras­sis­tis­che Diskri­m­inierung und eben­solche Geset­ze empören darf. Der Grup­pen­leit­er bemühte sich zwar noch in erlesen­em Englisch den Migran­tInnen zu ver­mit­teln, sie säßen hier ganz gefährlichen Sub­jek­ten auf, die er kenne und die Lügen ver­bre­it­en, die Polizei schlecht machen und anson­sten auch noch gegen den Staat und seine Geset­ze wären, stieß damit aber in sofern auf taube Ohren, als dass es eben dieser Staat, diese Geset­ze und let­ztlich auch diese Polizei sind, die die Flüchtlinge zu ihrer Aktion genötigt haben. 

Die Kundge­bung ver­lief dann laut und kraftvoll, es wur­den ver­schiedene spon­tane Rede­beiträge an die Bevölkerung, an die Polizei und an die Teil­nehmerIn­nen gehal­ten, gerufen und auch ziem­lich viel gelacht und eine kleine Del­e­ga­tion wollte den Min­i­mal-Fil­ialleit­er auf­suchen. Dieser ver­weigerte jedes Gespräch, das Chip­karten­sys­tem fände er aber gut – klar, sein Prof­it – und mit den Betrof­fe­nen müsse er ja nun wirk­lich nicht reden. Die Flüchtlinge beschlossen, dann eben die poli­tis­che Ebene zu besuchen und zogen in ein­er Demon­stra­tion mit mit­tler­weile noch cir­ca 50 Teil­nehmerIn­nen zum Rathaus.

Weit­ere Aktio­nen sollen fol­gen, diese aber war schon mal ein stark­er Auf­takt. Die Betrof­fe­nen haben sich laut und stark gegen ihre Diskri­m­inierung aus­ge­sprochen. Sie haben gezeigt, dass sie sich nicht erpressen und nicht ein­schüchtern lassen und darauf aufmerk­sam gemacht, dass ihre Sit­u­a­tion zum Kotzen, aber verän­der­bar ist! 

Wichtig ist, die Men­schen in ihrem Kampf gegen dieses Sys­tem nicht alleine zu lassen! Jeden weit­eren Tag, den sie auf die Chip­karten verzicht­en, kön­nen sie nicht einkaufen gehen und ihre Aktion wird gefährdet, wenn wir ihnen nicht helfen. Durch unsere Anwe­sen­heit, aber auch mit finanziellen Spenden oder Leuten, die mit ihnen mit Autos irgend­wo anders einkaufen gehen, stärken wir sie in ihrem Kampf gegen die ras­sis­tis­che Bürokratie, deren VertreterIn­nen und den Geset­zen, die sie hil­f­los machen und degradieren sollen. Die Men­schen haben gezeigt, dass sie das nicht sind und sie wis­sen, was sie nicht mehr akzep­tieren wer­den! Anti­ras­sis­mus mus
s prak­tisch sein und Unter­stützung sol­i­darisch und nicht pater­nal­is­tisch. Deshalb sind es vor allem die selb­st­gewählten und selb­stor­gan­isierten Wider­stands­for­men, die unsere prak­tis­che Sol­i­dar­ität erhal­ten sollten. 

Es wird in den näch­sten Tagen in Berlin und Bran­den­burg (wahrschein­lich) Soli­ak­tio­nen geben – achtet auf Ankündi­gun­gen – für weit­ere Infos oder Kon­takt oder Spenden wen­det Euch an: 

Ini gegen das Chipkartensystem

Flüchtlingsi­ni Brandenburg

SPENDETORGANISIERTSOLIDARISIERT UND INFORMIERT EUCH –
Bargeld für alle, bis nach der Rev­o­lu­tion – freies Fluten und kreativ­en Wider­stand immer!!!

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