NEURUPPIN Als “katastrophal” bezeichnet der Brandenburger Flüchtlingsrat die Situation im Neuruppiner Asylbewerberheim. In einem Bericht beschreibt der Verein den “schlechten baulichen Zustand” des Gebäudes in Neuruppin-Treskow und den angeblich aggressiven Führungsstil der Heimleitung.
Der Besitzer und Betreiber des Flüchtlingsheims, Karl Wiesemann, weist die darin geäußerten schweren Vorwürfe zurück. “Ich engagiere mich stark für das Wohl der Heimbewohner”, sagt der 61-Jährige, dem bundesweit noch drei weitere Asylbewerberheime gehören. Er verweist auf den Einbau von über 100 neuen Fenstern und die Renovierung der Fassade. “Sogar einen Sportraum will ich einrichten. Das muss ich laut Vertrag nicht. Ich will aber, dass es den Leuten gut geht”, so Wiesemann. Sein Motto: “Nur wer Liebe gibt, wird Liebe ernten.”
Militärischer Umgangston?
Dem entgegen stehen die Klagen zahlreicher Heimbewohner: Der Umgangston Wiesemanns, der regelmäßig in Neuruppin ist, sei “militärisch und herrisch”. Einziges Interesse des Heimbesitzers sei es, die Kosten zu senken: Wasser sparen, Strom sparen. So ist es den Asylbewerbern nicht gestattet, eigene elektrische Geräte in ihren Zimmern zu haben. “Meine Mikrowelle wollen sie mir wegnehmen und in den Keller schließen”, bestätigte eine Heimbewohnerin. Wiesemann sagt, dies sei aus Brandschutzgründen notwendig.
“Oft kommt das Personal auf Anweisung vom Chef mit einem Generalschlüssel in die Zimmer, auch wenn niemand da ist”, sagt Nguyen Thi Huyen. Sie fühlt sich dadurch in ihrer Privatsphäre verletzt. Nach einem Konflikt mit Heimleiterin Margitta Dauksch musste die schwangere Vietnamesin vor einigen Wochen für vier Tage ins Krankenhaus (die MAZ berichtete). Bei dem Streit ging es um ein Türschloss, das Thi Huyen einbauen ließ, um ihr Zimmer vor willkürlichen Kontrollen und Diebstählen zu schützen.
Kein Gemeinschaftsraum
“Vertraglich mag das Vorgehen Wiesemanns korrekt sein, jedoch werden die Asylbewerber zu Menschen zweiter Klasse degradiert”, kommentiert Dominique John, der das Heim für den Brandenburger Flüchtlingsrat besuchte. Der Berliner sieht die Menschenrechte der Bewohner durch die “repressiven Maßnahmen” des Betreibers verletzt. Wiesemann verteidigt die Kontrollen als notwendig und will die Rundgänge bald aller zwei Wochen statt wie bisher monatlich durchführen lassen.
Einen besonders harschen Kritikpunkt brachte eine Heimbewohnerin gegenüber der MAZ an: Wiesemann komme nicht nur ohne anzuklopfen in die Zimmer, sondern kontrolliere gelegentlich auch in den Duschen — “wenn sich dort gerade Frauen waschen”.
“Das ist nicht wahr”, dementiert der Hesse. Er müsse zwar gelegentlich auch in den Duschen nach dem Rechten sehen, “aber doch nicht, wenn sie gerade benutzt werden”.
Eckhard Häßler, Mitarbeiter der “Initiativgruppe Ausländerarbeit Neuruppin”, zeigte sich von dem Vorwurf nicht überrascht: ” Mir liegen ähnliche Berichte vor . Das ist eine absolute Frechheit.” Er verweist zudem auf einen Vorgang von vor eineinhalb Jahren. Eine Bosnierin hatte damals behauptet, von Wiesemann als “Scheißasylantin” beschimpft und geschlagen worden zu sein. Häßler: “Es ist, gelinde gesagt, sehr schwer, sich mit diesem Menschen auseinander zu setzen.”
Laut dem vorläufigen Flüchtlingsrat-Bericht trägt der schlechte bauliche Zustand des ehemaligen Lehrlings-Wohnheims zur angespannten Atmosphäre im Alltag bei. “Kaum auszuhalten” seien die hygienischen Bedingungen, sagte eine vietnamesische Frau der MAZ. Kalt und feucht sei es, hinzu komme der Schmutz in Bad und Küche — Kakerlaken seien ein enormes Problem. “Die Duschen haben keine Vorhänge und es gibt nur eine schlecht ausgestattete Gemeinschaftsküche je Etage”, sagte ein anderer Heimbewohner, der wie die Vietnamesin anonym bleiben möchte. Auch klagen viele der Flüchtlinge in Treskow über das Fehlen eines Gemeinschaftsraumes.
“Wir tun alles, um das Heim sauber zu halten”, hält Wiesemann dagegen. Ursache für die gelegentliche Verschmutzung sei das asoziale Verhalten einiger Heimbewohner. “Es ist richtig, dass wir öfter Ärger mit Kakerlaken haben. Deshalb habe ich einen Kammerjäger engagiert.” Dennoch glaubt er, dass die Bedingungen im Heim gut sind: “Ich hätte keine Probleme damit, hier wohnen zu müssen. Wenn ich hier bin, benutze ich dieselben sanitären Anlagen.”
Sabine Schmidt, Chefin des Kreissozialamts und für das Heim zuständig, sieht das anders: “Es ist ganz bestimmt kein leichtes Leben, gerade für Familien, wenn man im Heim untergebracht ist.” Das liege am problematischen Umgang der Flüchtlinge untereinander, habe aber auch andere Ursachen. Wiesemann hätte “ein ausgezeichnetes Konzept” vorgelegt, als er sich vor zweieinhalb Jahren um den Betrieb des Heimes bewarb. “Doch an der Umsetzung hapert es ein wenig. Wir haben unterschiedliche Auffassungen, wie so ein Heim geführt werden sollte”, so Schmidt. “Er ist ein sehr schwieriger Mensch.”
Hauptsache Ruhe
Alexandra Willers war für ein halbes Jahr im Heim angestellt. “Das war die schlechteste Arbeit, die ich hatte. Ständig mischte Wiesemann sich mit seinem militärischen Ton ein”, schildert die 29-Jährige. Um die Asylbewerber konnte sich die studierte Sozialarbeiterin kaum kümmern, da der Heimbetreiber sie oft zum Aufpassen am Eingang oder zum Überprüfen der Küchen und Zimmer einsetzte. “Manche Heimbewohner benahmen sich tatsächlich sehr daneben, andere verkümmerten geistig total”, beschreibt Willers. “Doch Wiesemann wollte nur, dass Ruhe herrscht, die dringend nötige Sozialarbeit konnte ich kaum leisten.” Nach ihrer Kündigung zog die jetzige Stadtjugendpflegerin von Rheinsberg gegen ihren ehemaligen Chef vor Gericht: “Noch immer schuldet er mir ein halbes Monatsgehalt.”
Eins steht für Willers fest: “Wiesemann ist ein knallharter Geschäftsmann, der maximalen Profit machen will. Die Betreuung von Menschen hingegen überfordert ihn.”