Härtefallkommission soll gegründet werden
(Berliner Zeitung, 5.7.) POTSDAM. Der Flüchtlingsrat Brandenburg will auch gegen den Willen von
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eine Härtefallkommission für Flüchtlinge
gründen, die seit Jahren im Land geduldet werden, aber kein offizielles
Bleiberecht erhalten. Das kündigten das Gremium am Freitag in Potsdam an.
Hilfsorganisationen, Kirchen und Anwälte sollen Altfälle abgelehnter
Asylanträge noch einmal begutachten. Betroffen sind oft traumatisierte
Flüchtlinge aus Bürgerkriegsregionen oder in ihrer Heimat verfolgte
Oppositionelle aus afrikanischen Ländern. “Die Kommission kann nur eine
beratende Funktion für die regionalen Ausländerbehörden haben, die über die
Abschiebung der Flüchtlinge entscheiden”, sagte Judith Gleitze vom
Flüchtlingsrat. In Brandenburg sei eine solche Institution immer wieder vom
Innenministerium abgelehnt worden.
In Brandenburg werden derzeit 1 700 Flüchtlinge geduldet. Sie leben
teilweise seit zwölf Jahren in Angst vor Abschiebung, sagte Gleitze. Deshalb
sollen Flüchtlinge, die seit fünf Jahren geduldet werden, ein dauerhaftes
Bleiberecht erhalten — genau wie Opfer rechtsextremer Gewalt. Die
Abschiebung von drei Gewaltopfern stehe aber unmittelbar bevor, sagte Kay
Wendel vom Verein Opferperspektive.
Opfer rechter Gewalt sollen nicht abgeschoben werden
(FR, 5.7.) POTSDAM, 4. Juli (epd). Ein dauerhaftes Bleiberecht für Opfer rassistischer
Gewalt haben Flüchtlingsinitiativen in Brandenburg gefordert. In den
kommenden Wochen sei die Abschiebung von drei seit Jahren in Brandenburg
lebenden Flüchtlingen geplant, die zum Teil mehrfach von Rechtsextremisten
überfallen worden seien, sagte Kay Wendel vom Verein Opferperspektive am
Freitag in Potsdam. Dadurch vollendeten die Behörden als Erfüllungsgehilfen
der Rechtsextremen deren Ziel der Vertreibung von Flüchtlingen, kritisierte
Wendel. Eine Strafverfolgung der Täter werde erschwert, da die Opfer nicht
mehr als Zeugen zur Verfügung stünden. Ein Abschiebestopp sei
“Wiedergutmachung für das, was der Staat nicht verhindern konnte”.
Der Togolese Orabi Mamavi aus Rathenow solle am 24. Juli abgeschoben werden,
obwohl ein Strafverfahren gegen die Täter, in dem Mamavi als Zeuge aussagen
muss, noch nicht abgeschlossen sei, sagte Wendel. Auch die beiden
Überlebenden des Übergriffs in Guben im Februar 1999, bei dem ein Algerier
getötet wurde, hätten kein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.
Kirchenvertreter haben die Gründung eines “Netzwerkes für Wanderkirchenasyl”
angekündigt, das die Unterstützung von Abschiebung bedrohter Flüchtlinge
kalkulierbarer machen und die Risiken auf mehrere Träger verteilen soll.
Privater Schutz für Asylbewerber
Flüchtlingsrat schafft Härtefallgremium
(MAZ, 5.7.) POTSDAM Der brandenburgische Flüchtlingsrat will sein Engagement für
abschiebungsbedrohte Asylbewerber verstärken. Unabhängig von einer
staatlichen Härtefallkommission — dessen Einrichtung bisher vor allem am
Widerstand des Potsdamer Innenministeriums gescheitert ist — plant der
Flüchtlingsrat die Gründung einer unabhängigen Härtefallkommission. Sie
solle sich zusammensetzen aus Rechtsanwälten, Kirchenvertretern,
Verwaltungsfachleuten und “Politikern mit Rückgrat”, kündigte das Gremium am
Donnerstag abend bei einer Veranstaltung in Potsdam-Babelsberg an.
Die Ausländerbeauftragte Almuth Berger bezeichnete die Einrichtung einer
Härtefallkommission als erforderlich, weil die bestehende Gesetzeslage nicht
verhindere, dass Flüchtlingen in Einzelfällen “unzumutbare persönliche
Härten angetan” würden.
Darüber hinaus gaben Kirchenvertreter ein eindeutiges Bekenntnis zum
Kirchenasyl ab. Es sei die “klare Überzeugung der Kirche, dass Menschen in
Not zu helfen sei”, erklärte der Ausländerbeauftragte der evangelischen
Kirche Berlin-Brandenburg, Hanns Thomä-Venske. Er kenne keinen Fall, in dem
die Kirchenleitung sich nicht hinter eine Gemeinde gestellt habe, die
Kirchenasyl angeboten hatte.
Entsetzt zeigte sich Thomä-Venske über eine neue Entwicklung in Brandenburg.
Dass das Kirchenasyl in den vergangenen Monaten zweimal von
Ausländerbehörden gebrochen wurde — sehr wahrscheinlich mit Wissen und sogar
auf Anregung des Innenministeriums, wie eine Diskussionsteilnehmerin der
Veranstaltung betonte — sei ein “alarmierendes Zeichen”, erklärte der
Ausländerbeauftragte. Im Gegensatz dazu sei der Schutzraum der Kirche sogar
in der DDR respektiert worden.
Damit Kirchengemeinden Flüchtlingen künftig bereitwilliger Kirchenasyl
gewähren, soll nach dem Willen des Flüchtlingsrats ein “Netzwerk für
Kirchenasyl” entstehen. Mit einem Netzwerk und wechselnden Asylorten sollten
die Kosten lang andauernder Kirchenasyle besser verteilt werden.
Härtefälle beim Asyl — Druck auf Regierung nimmt zu
Flüchtlingsrat will Prominente und Fachleute gegen Abschiebungen
mobilisieren. Kommission nach Berliner Vorbild soll Verfahren prüfen
(Tagesspiegel, 5.7.) Potsdam. Der Flüchtlingsrat in Brandenburg will gemeinsam mit Vertretern der
Kirche eine unabhängige Härtefallkommission für von Abschiebung bedrohten
Flüchtlingen gründen. Dafür sollen Rechtsanwälte, Kirchenleute,
Verwaltungsfachleute und “Politiker mit Rückgrat” gewonnen werden.
Der Flüchtlingsrat hatte sich am Donnerstagabend nach einer Diskussion über
Kirchenasyl in Potsdam zu diesem Schritt entschieden, nachdem alle
Bemühungen um eine Härtefallkommission im Land Brandenburg gescheitert
waren. Immer wieder war es in den vergangenen Monaten zu spektakulären
Hilfsaktionen für von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge gekommen. In den
meisten Fällen hatten sich Kirchgemeinden entschlossen, die betroffenen
Familien unterzubringen. Durch Polizeieinsätze in Kirchen und Pfarrhäusern
sind nach Angaben der Potsdamer Ausländerseelsorgerin Annette Flade viele
Gemeinden sehr verunsichert.
Der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Hanns
Thomä-Venske, sagte dem Tagesspiegel: “Es ist nicht zu verstehen, warum sich
die brandenburgische Landesregierung seit Jahren weigert, eine
Härtefallkommission einzurichten. In Berlin gibt es eine solche Kommission
als Beratungsgremium für die zuständigen Behörden. Wir haben damit sehr gute
Erfahrungen gesammelt.”
In Potsdamer Regierungskreisen wollte man sich nicht konkret zum Vorschlag
des Flüchtlingsrats äußern. Regierungssprecher Manfred Füger sagte: “Sowohl
Ministerpräsident Matthias Platzeck als auch Innenminister Jörg Schönbohm
bleiben bei der innerhalb der Koalition beschlossenen Haltung und setzen
sich für eine differenzierte bundeseinheitliche Härtefallregelung ein.” Dies
könne — so Füger — beispielsweise im Rahmen eines Zuwanderungsgesetzes
geschehen. Eine “staatliche” Härtefallkommission werde es aber bis zum Ende
der Legislaturperiode in Brandenburg nicht geben.
Vertreter des Flüchtlingsrates und der Kirchen wollen außerdem auch ein
“Netzwerk für Wanderkirchenasyl” gründen. Damit könne nach Ansicht von
Pfarrer Johannes Kölbel aus Schwante das Risiko hoher Kosten durch lang
andauernde Kirchenasyle auf mehrere Träger verteilt werden. Kölbel und seine
Gemeinde hatten im vergangenen Winter einem Vietnamesen und seinem
fünfjährigen Sohn mehrere Wochen lang erfolgreich Kirchenasyl gewährt.
Während der Veranstaltung in Potsdam hatten viele Flüchtlinge von ihre
n
Schicksalen und ihrer Angst vor Abschiebung berichtet. Besonders dramatisch
ist die Situation des Togolesen Orabi Mamavi, der im Dezember 2002 in
Rathenow von einem rassistischen Schläger überfallen wurde. Obwohl die
Potsdamer Staatsanwaltschaft nach einem Bericht des Tagesspiegels versichert
hatte, dass Mamavi vor Ende des Verfahrens nicht abgeschoben wird, entschied
die Ausländerbehörde des Landkreises Havelland anders. In einem Schreiben,
das dem Anwalt von Mamavi dieser Tage zuging, teilt ein Mitarbeiter im Namen
des Landrats kurz und knapp mit: “Ich beabsichtige nicht, den für die
Abschiebung angekündigten Termin zu verändern.”