Eisenhüttenstadt: Unmenschliche Behandlungen von Asylbewerbern im sogenannten Beruhigungszimmer
(Junge Welt, Timo Berger, 22.10.) Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) hat jüngst auf Aussagen von
Flüchtlingen aufmerksam gemacht, die in der Zentralen Aufnahmestelle für
Asylbewerber in Eisenhüttenstadt (ZAST) unmenschlichen Behandlungen
ausgesetzt wurden. Zwei Fälle hat die Berliner Flüchtlingsorganisation
dokumentiert und der Presse zugänglich gemacht.
Fall 1: B. (*) befindet sich zur Zeit in der ZAST in Eisenhüttenstadt. Sie
sprach der ARI auf das Tonband des Anrufbeantworters. Dabei schildert sie,
daß sie drei Tage lang in einem sogenannten Beruhigungszimmer festgehalten
wurde, ihre Arme und Beine so fest an das Bett gebunden waren, daß ihre
Blutzirkulation eingeschränkt wurde. Danach mußten sich mehrere Ärzte darum
kümmern, den Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen. Ein Sprecher der ARI
erklärte, B. sei seitdem wiederholt im »Beruhigungszimmer« fixiert worden.
Fall 2: Der Flüchtling N. (*) wird seit über zehn Monaten festgehalten und
wurde ebenfalls mehrmals im »Beruhigungszimmer« jeweils für einige Stunden
aufs Bett gebunden. »Die Leute, die aggressiv sind oder einfach nur
durchdrehen«, erzählt er, »werden gefesselt, Man kann dich töten, ohne daß
du etwas dagegen tun kannst. Eine Stunde bleibst du da mindestens. Du
kriegst kein Essen. Ich habe den Wärter, der das gemacht hat, nach seinem
Namen gefragt, aber verraten hat er ihn mir nicht. Du kannst nichts tun.«
Die Leitung der ZAST wollte gegenüber junge Welt mit Verweis auf die
Zuständigkeit der Pressestelle des Innenministeriums keine Stellung
beziehen. Der stellvertretende Pressesprecher des Innenministeriums
Brandenburg, Wolfgang Brandt, erklärte am Dienstag, daß er den Bericht der
ARI nicht kenne. Er schloß aber »grundsätzlich aus, daß es zu
unverhältnismäßigen Gewaltanwendungen
me.«
Die ZAST Eisenhüttenstadt war im Dezember 2000 vom Anti-Folterkomitee des
Europarates (CPT) besucht worden. Eine 13-köpfige Delegation von Ärzten, Juristen,
Gefängnis- und Menschenrechtsexperten besichtigte Polizeikommissariate, Gefängnisse,
Abschieberäume und psychiatrische Anstalten in sieben Bundesländern. Im
Abschlußbericht, der erst im März 2003 nach der Zustimmung durch die Bundesregierung
veröffentlicht wurde, kritisierte das Komitee unter anderem die Zustände im
Abschiebegewahrsam in der brandenburgischen ZAST.
Die €päischen Folterexperten entdeckten u.a. einen Verwahrraum mit vier
Eisenringen am Boden, die dafür benutzt wurden, Häftlinge mit gespreizten Armen und
Beinen fest zu binden. »Die Bedingungen in einer der beiden Sicherheitszellen in
Eisenhüttenstadt (Zelle Nr. 2008) war völlig unannehmbar«, so der Bericht. Mit
Verweis auf die €päische Antifolterkonvention forderte die CPT die deutschen
Behörden dazu auf, »die vier Eisenringe sofort zu entfernen«.
Doch den jüngsten Aussagen von Flüchtlingen zufolge, hat sich in der ZAST
Eisenhüttenstadt auch nach dem Besuch des Anti-Folterkomitees des Europarates nur
wenig geändert.
Die ARI Berlin, die Flüchtlingsinititative Brandenburg, die JungdemokratInnen/Junge
Linke u.a. veranstalten vom 29. bis 31. Oktober Aktionstage in Eisenhüttenstadt.
Unter dem Motto »Plan your Escape Route« werden drei Tage lang Aktionen stattfinden.
Informationen und Anmeldung unter
www.plan-your-escape-route.tk und
Telefon: 0331/7049363.
(*) Vollständige Namen sind der Redaktion bekannt.