ORANIENBURG — “Es scheint gekippt zu sein. Es ist nicht mehr modern Rechts zu sein.” Den Eindruck, dass rechtsextreme Orientierungen unter Jugendlichen in den Berufsschulen auf dem Rückzug sind, schilderte ein Sozialarbeiter auf der Zusammenkunft des Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt gestern Nachmittag. Aber längst nicht alle Teilnehmer, unter ihnen Lehrer, Schüler, Pfarrer und Kommunalpolitiker, konnten diese Tendenz bestätigen. Rechtsextreme würden zunehmend subtiler, smarter auftreten, sich von der Skinhead- und Glatzenkultur fortbewegen, unauffälliger agieren, so Oranienburger Schüler.
Die Mitglieder des Forums wollten von Michael Scharf, Vize-Chef des Polizei-Schutzbereiches Oberhavel, wissen, wie die Strategie der Polizei beim Eindämmen rechter Gewalt aussieht. “Es hat keinen Sinn zu sagen, dass wir jetzt ein Level erreicht haben, mit dem wir leben können”, erklärte der Polizeibeamte. Das Zurückdrängen rechtsextremer Straftaten müsse weiter Priorität haben.
Das Forum hat eine Liste mit sieben rechtsextremen Gewalttaten der vorigen Wochen zusammengetragen. Der Vize-Schutzbereichsleiter vertrat die Ansicht, dass der Brandanschlag auf einen griechischen Imbiss nicht als ausländerfeindliche Straftat gewertet werden kann, sondern eher eine Beziehungstat sei. Er erntete damit den Widerspruch mehrerer Forumsmitglieder. Pfarrer Bernhard Fricke stellte fest, dass es schon in der Vergangenheit Definitionsprobleme zwischen der Polizei und der Initiative gab.
Scharf äußerte, dass die Polizei inzwischen alle rechtlichen Instrumentarien im Kampf gegen rechte Gewalt ausschöpfe. Dieses Instrumentarium werde aber auch bei der Polizei von Menschen benutzt und dabei gebe es Fehler.
Die Ehefrau eines Tunesiers berichtete, dass nach dem Überfall auf ihren Mann im August in Oranienburg, ein Polizeibeamter zunächst die beteiligten Jugendlichen per Handschlag begrüßte. Der Vize-Polizeichef äußerte, dass er für solch ein Verhalten kein Verständnis habe und versprach den Fall zu prüfen. Zufrieden äußerte sich die Frau darüber, dass die Täter ermittelt wurden.
Eine Asylbewerberin aus Hennigsdorf kritisierte, dass nach Übergriffen auf Ausländer deutsche Augenzeugen oftmals nicht bereit seien auszusagen. “Sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen, ist eine Bürgerpflicht”, appellierte Michael Scharf.