Rheinsberg Es kann so schnell gehen: “Wenn Jugendliche laut wummernde
rechtsradikale Musik hören, dann sagen Eltern schnell : ‚Mach den Krach
aus´, statt zuzuhören, was eigentlich gespielt wird”, warnte Gabriele
Schlamann.
Interessiert verfolgten die Zuhörer die Diskussion.
Die nur zehn Gäste, die am Mittwoch im Gemeindehaus der Evangelischen
Kirche Rheinsberg saßen, nickten zustimmend. Sie alle waren da, um
Situationen wie der beschriebenen vorzubeugen. Doch wie schnell sich
rechtsradikale Gruppen den Weg in die Köpfe junger Leute bahnen, war
vielen unklar.
Deshalb folgten sie gebannt Schlamanns Ausführungen. Die Expertin vom
Mobilen Beratungsteam Neuruppin erklärte anhand einfacher Beispiele die
aktuellen Strategien Rechtsradikaler Gruppen. So ist das, was für die
einen nur ein T‑Shirt ist, für andere ein rechtsradikales Symbol. Dann
nämlich, wenn das Kleidungsstück von einer Firma der Szene wie Thor
Steinar produziert wird. Deren Logo ist in Insiderkreisen ein
Erkennungszeichen. “Wenn Sie jemanden mit so einem T‑Shirt sehen, fragen
Sie doch nach, ob er weiß, was das in rechtsradikalen Kreisen bedeutet”,
schlug Schlamann vor. Denn “beileibe nicht jeder, der ein T‑Shirt mit
dieser Firma trägt, ist rechtsradikal,” warnte sie vor
Generalisierungen. Doch, wenn zur Kleidung weitere Erkennungszeichen der
Szene kommen, müsse man aufmerksam werden.
Das Gespräch mit jungen Leuten sei dann wichtiger als jedes Verbot. Denn
Verbote provozierten Rebellentum. Und wer will, findet andere Symbole -
und zwar überall. So gibt es Anstecker mit der Reichskriegsflagge auf
dem Neuruppiner Wochenmarkt und germanische Symbole auf Dorffesten.
Diese Zeichen sind nicht verboten und finden reißenden Absatz.
Allerdings gab Schlamann zu, dass es nahezu unmöglich sei, in ihrem
Denken gefestigte Rechtsradikale von ihren Werten abzubringen. Nur
frühzeitiges Eingreifen helfe. “Ein Grund dafür, dass junge Menschen in
der rechtsextremen Szene bleiben, ist, dass sich niemand für die
Tatsache interessiert, dass sie Teil der Szene sind.” Dieses
Desinteresse könne in soziale Verrohung münden. Denn wer den Eindruck
habe, dass sich in der Gesellschaft niemand um ihn kümmert, sucht sich
neue Vorbilder — oft unter Rechtsradikalen, die vorgeben, endlich Zucht,
Ordnung und Orientierung zu schaffen.
“Da ist jeder von uns angesprochen gegenzusteuern”, mahnte sie. Auch
Lehrer und Politiker seien oft überfordert, wenn jungen Menschen Fragen
zur rechtsradikalen Szene stellten. Hier könnten Schulungen Abhilfe
schaffen, sagte Schlamann. Die Regionale Arbeitsstelle für
Ausländerfragen (RAA) schult auch Lehrer. “Man muss uns nur rufen, dann
kommen wir gerne”, betonte die Expertin.
Bei den anwesenden Eltern stieß sie auf offene Ohren. “Das war eine
wirklich gute Information. Bisher konnte ich mit Begriffen wie
“Schulhof-CD” nichts anfangen”, sagte Irene Hilbert, deren Sohn in
Rheinsberg zur Christenlehre geht. Wie die meisten Gäste war sie jedoch
bereits zuvor für das Problem des Rechtsradikalismus sensibilisiert.