POTSDAM Brandenburg wird sich die flächendeckende Einführung eines modernen,
abhörsicheren Digitalfunks für Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und
Katastrophenschutz nach Kalkulationen aus Sicherheitskreisen voraussichtlich
etwa 170 Millionen Euro kosten lassen. Das Kabinett hat in dieser Woche
beschlossen, dass sich das Land an den bundeseinheitlichen
Einführungsvorbereitungen des Digitalfunks beteiligt.
Kommende Woche schon soll Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) einen
Projektvertrag mit dem Bund abschließen. “Im Interesse der Sicherheit müssen
wir auf Bundesebene diesen Schritt gehen”, erklärte Schönbohm. “Brandenburg
darf dabei nicht zurückstehen.” Die Kosten der bundesweiten Einführung des
Digitalfunks werden auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt. Mit einer
flächendeckenden Umstellung auf die neue Technik bis zum Jahr 2006 -
entsprechend dem von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ursprünglich
avisierten Zeitplan — rechnen Experten inzwischen nicht mehr.
Wahrscheinlicher sei das Jahr 2010, heißt es.
Eine Verzögerung wäre vermutlich nicht einmal von großem Nachteil. Denn bei
der Finanzierung des Digitalfunks zeichnet sich schon jetzt ein Dissenz
zwischen dem Land Brandenburg sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten
ab, die den Brand- und Katastrophenschutz gewährleisten.
Die mit der Umstellung auf den Digitalfunk einhergehenden Kosten müssten
“Bund und Land gemeinsam schultern”, geht der Geschäftsführer des
brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, in
Abwehrstellung. Für den innenpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion,
Sven Petke, gilt es hingegen als ausgemacht, dass “Kreise und Kommunen
zahlen”. Nach Petkes Kalkulation würde die Umstellung auf Digitalfunk pro
Leitstelle “mehrere 100 000 Euro kosten”. Traditionell hat bislang jeder
Landkreis auf einer eigenen Leitstelle bestanden — für Petke Ausdruck eines
“gewissen Egoismus der Landräte”. Auch Böttcher spekuliert, dass aus Gründen
der Kosteneinsparung die Zahl der Leitstellen eventuell zu reduzieren sei.
“Aufgabenreform” nennt er das, und Petke äußert bereits die Vorstellung,
dass die Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes künftig in lediglich
“fünf bis sechs Regionalleitstellen” erledigt würden — anstatt bisher in 14
Landkreisen und vier kreisfreien Städten.
Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass mit einem Disput über die
Finanzierung des Digitalfunks eine viel weiter reichende Debatte über eine
Neustrukturierung der Verwaltungseinheiten in Brandenburg angestoßen wird.
Infolge der “Aufgabenreform”, prognostiziert Böttcher, werde es eine
“Verwaltungsreform” geben. “In den heutigen 18 Einheiten der Landkreise und
kreisfreien Städte werden die Aufgaben nicht mehr leistbar sein” — auch
angesichts des Bevölkerungsrückgangs in Brandenburg. Vermutlich werde es
schon im Jahr 2010 “weniger Landräte” geben, glaubt Böttcher und sagt damit
eine zweite Kommunalreform und weitere Zentralisierung im Landes voraus.
Zunächst stellen sich bei der Umstellung auf den Digitalfunk jedoch
konkretere Probleme. Die Funktechnik, die England verbreitet, in
Nordrhein-Westfalen erprobt und möglicherweise bundesweit eingeführt werden
soll, ist eventuell gesundheitsgefährdend. Die Gewerkschaft der Polizei hat
den Verdacht schon vor knapp zwei Jahren geäußert, nachdem kritische
Berichte aus Großbrittanien über die Funkstrahlung der Geräte
bekanntgeworden waren. Dort, heißt es, hätten Polizeibeamte, die mit den
neuen Geräten arbeiteten, über Hautausschlag, Konzentrationsschwäche und
Schlafstörungen geklagt. Im Potsdamer Innenministerium geht man indessen
davon aus, “dass das System auf Herz und Nieren geprüft wurde” und
unschädlich ist.