Das Ehepaar I. wurde durch die Ausländerbehörde Oranienburg im November letzten Jahres bei einem Vorsprachtermin ohne Voranku?ndigung festgenommen. Der schwer traumatisierte Mann verbrachte die Nacht an Händen und Fu?ßen gefesselt, seine Reisefähigkeit wurde trotz vorhandener fachärztlicher Gutachten kurzerhand festgestellt. Am nächsten Morgen wurde die verängstigte Familie ausser Landes geschafft, die Anwältin wurde nicht informiert.
Das Landgericht erteilte dem rechtsverletzenden Hauruckverfahren der Ausländerbehörde nun eine Absage. Der Haftantrag sei ohne Bezug zum Einzelfall gestellt und voller Textbausteine und Leerformeln gewesen. Der darauf folgende Haftbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg bestätigte den fehlerhaften Antrag und war daher rechtswidrig.
Denn: Die Inhaftierung zum Zwecke der Abschiebung stellt einen besonders schweren Eingriff in die Freiheitsrechte dar. Die Haft darf nur das allerletzte Mittel sein und ihr muss bei der Anordnung eine gru?ndliche Einzelfallpru?fung vorhergehen. Die Haftanordnung muss ebenfalls verhältnismäßig sein, und die individuellen Umstände beachten. Diese hohen rechtlichen Hu?rden wurden von
Ausländerbehörde und Amtsgericht missachtet, stellte das LG Neuruppin fest. Die Vermutung, Herr I. sei untergetaucht, obwohl er sich am darauf folgenden Tag nachweislich im Krankenhaus befand, sei unverhältnismäßig gewesen. Die Ausländerbehörde habe hier genauer ermitteln mu?ssen, der Haftantrag sei daher unzulässig gewesen. Durch die sorglose Haftverhängung des Amtsgerichtes
Oranienburg wurde dem u?bereifrigen Handeln der Ausländerbehörde kein Einhalt geboten.
Grundlage fu?r die Abschiebungspraxis der Ausländerbehörden ist derzeit ein Erlass des Innenministeriums, der zur so genannten Verfahrensbeschleunigung den Ausländerbehörden so gut wie freie Hand lässt. Es bliebt dabei offen, ob die Vollzugsbehörden bei Abschiebungsmaßnahmen die Familieneinheit oder den Gesundheitszustand von Flu?chtlingen wahren mu?ssen, oder nicht. Es
wird den Behörden auch die Möglichkeit einer unangeku?ndigten Abschiebung eingeräumt, was eine freiwillige Ausreise erschwert oder unmöglich macht. In Folge herrscht in Brandenburg ein Verfahrenschaos, das dazu fu?hrt, dass besonders schutzbedu?rftige Flu?chtlinge mit unverhältnismäßiger Härte in Haft genommen und abgeschoben werden.
Trotz wiederholter Kritik weigert sich das Innenministerium bis heute, die problematische Erlasslage zu ändern. „Wir fordern das Innenministerium auf, unverzu?glich mit neuem Erlass dafu?r sorgen, dass die Landesausländerbehörden die Freiheitsrechte und körperliche Gesundheit von Flu?chtlingen achten!“ sagte Ivana Domazet vom Flu?chtlingsrat Brandenburg.
Kategorien