FRANKFURT (ODER) Matthias hatte nach dem Mord Hunger bekommen und wollte zu McDonalds. Es sei “geil” gewesen, einen Menschen abzustechen, sagte er. Er wirkte glücklich. Sein weißes Hemd war blutbefleckt, besudelt war die Hose, an seinen Händen klebte frisches Blut. Ronald Masch, der nach einem Diskobesuch eine Mitfahrgelegenheit gesucht hatte, lag tot in einem Rapsfeld bei Alt Mahlisch. Der Raps stand schon mannshoch.
Matthias R. hatte auf und neben ihm gekniet, während er zustach. 30mal, 40mal vielleicht, jedesmal so tief, dass die acht Zentimeter lange Messerklinge im Körper des Dachdeckers verschwand, so gezielt jedesmal, dass er die Nieren und das Herz des Opfers verletzte, das auf dem Rücken lag. Der 29-Jährige hatte vergeblich versucht, mit seinen Armen die Stiche abzuwehren. Als er nur noch röchelte, sagte Stefan, der daneben stand, zu Matthias: “Jetzt musst du es richtig machen, wenn der aufsteht, sind wir geliefert.” Die beiden berieten sich noch kurz, dann schlitzte Matthias die Halsschlagadern auf.
Es war gerade hell geworden an jenem Samstag, dem 1. Juni 2002, als Sylvana M. Stefans roten Peugeot vom Tatort wegsteuert. Matthias R. schwärmte vom Mord, Stefan telefonierte im Auto mit Maik W. und Axel T., die in Axels rotem Seat folgten. Maik W. befahl: Es geht nach Hangelsdorf, sieben Kilometer westlich von Fürstenwalde.
Die blutbeschmutzten Kleidungsstücke wurden dort verbrannt, Matthias R. wusch sich in der Spree. Widerwillig warf er das Mordmesser in den Fluss. Es liegt vermutlich immer noch im Schlamm.
Sie säßen alle in einem Boot, sagte jemand. Verräter würden “kalt gemacht”. Matthias R. hätte Sylvana M. schon zuvor gern umgebracht, weil er sie für zu nervenschwach hielt. Es war offenbar nicht einfach, ihn zur Besinnung zu bringen. Doch schließlich begriff auch er, dass Sylvanas Leiche der Polizei die Spur nach Fürstenwalde weisen könnte. Von dem Toten im Feld hingegen würde kein Verdacht auf sie gelenkt. Ronald Masch, das wussten die Täter, stammte aus Dolgelin, 25 Kilometer nordöstlich von Fürstenwalde. In der Disko im entlegenen Alt-Zeschdorf bei Frankfurt, wo sie das Opfer zufällig kennengelernt hatten, wähnten sie sich unbekannt. Tatsächlich gab es auf die Täter lange Zeit keinen Hinweis. Zufälle wurden fahndungsentscheidend.
“Es war äußerst schwierig, die Täter zu ermitteln”, erklärt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Hartmut Oeser, der morgen im Gerichtssaal die Anklage verlesen wird. Sechs Wochen lang gab es nicht einmal eine Leiche, nur eine Vermisstenanzeige. Selbst als am 12. Juli ein Mähdrescherfahrer in dem Rapsfeld ein Skelett entdeckte, half das den Fahndern zunächst wenig. “Es gab im Wesentlichen nur noch Knochen, anhand der Löcher in der Kleidung musste die Polizei rekonstruieren, was passiert sein muss.” Gerichtsmediziner zählten mehr als 30 Einstiche. Mit Hilfe einer DNA-Analyse wurde die Leiche als Ronald Masch identifiziert.
Die Polizei ermittelte, dass Masch im “Night Live” gewesen war. “Ein besonders tüchtiger Kriminalbeamter”, sagt Oeser, habe das Überwachungsvideo der Diskothek gesichert, bevor es überspielt wurde. Es zeigte, wie einem Schlafenden das Portemonnaie gestohlen wurde. Dass der Dieb Maik W. war, der Rädelsführer der Rechsextremen in Fürstenwalde mit Kontakten zur NPD, war nicht erkennbar. Die Polizei hatte nur den vagen Verdacht, dass der Dieb auf dem Video auch mit Maschs Verschwinden zu tun haben könnte.
Die Ermittlungen zogen Kreise. Schließlich sah ein Polizist das Video, der den wegen Körperverletzung vorbestraften Maik W. wegen einer anderen Tat festgenommen hatte. “Der erinnerte sich”, sagt Oeser. Es war der Wendepunkt in den Ermittlungen. “Aber der Tüchtige hat auch Glück.”
Nach der Festnahme der Verdächtigen zeigte sich dem Staatsanwalt allmählich ein Bild “von maßloser Brutalität”: Als die jungen Leute nach dem Diskobesuch heimfahren wollten, bat Ronald Masch um eine Mitfahrgelegenheit. Maik W. habe zum Schein eingewilligt, mit seinen Freunden jedoch verabredet, Masch unterwegs auszurauben. Nur Sylvana M. und Daniel J. seien dagegen gewesen, doch sie hätten den Plan nicht verhindert. Per Handy hätten sie die Polizei rufen können, meint Oeser. Oder Masch warnen müssen.
Gegen 5.45 Uhr bog der Peugeot mit dem Opfer auf der Rückbank bei Alt Mahlisch in einen Feldweg ab. Axel T. und Maik W. im Seat folgten. Masch wurde aus dem Auto gezerrt und mit einem Axtstiel geschlagen. Daniel J. blieb unbeteiligt im Peugeot sitzen, Sylvana M. bat vergeblich, mit dem Schlagen aufzuhören. Masch flehte um sein Leben. Während die Räuber seine Geldbörse durchsuchten, gelang ihm die Flucht. “Eure Gesichter habe ich mir sowieso gemerkt!” rief er zurück.
“Der könnte sich unsere Kennzeichen gemerkt haben”, hat nach Überzeugung des Staatsanwalts Maik W. darauf gesagt, was dessen Verteidiger Matthias Schöneburg anzweifelt.
Wer immer den Satz sagte — Matthias R. hat ihn offenbar als Aufforderung zum Mord verstanden. “Der darf nicht am Leben bleiben!” rief er, als er Masch verfolgte. Stefan K. rannte hinterher. Als Matthias R. und Stefan K. etliche Minuten später zu den Wagen zurückkehrten, soll Maik W. gefragt haben: “Ist der tot?” Matthias R. antwortete: “Dem hab ich die Kehle durchgeschnitten.” Stefan K. meinte: “Ich weiß nicht, ob der noch lebt.” Kurz darauf schnauzte Maik W. seinen Kumpel Matthias mit den Worten an “Idiot! Spinnst du!” und gab ihm eine Ohrfeige — weil Maik W. den Mord nicht wollte, meint sein Anwalt. Weil W. befürchtete, Matthias R. würde mit dem Blut des Toten das Auto verschmutzen, glaubt hingegen der Staatsanwalt.
In Ronald Maschs Portemonnaie fanden die Täter nicht einen Cent.
Vier Täter aus der rechtsextremen Szene
Vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) wird morgen und an neun weiteren Prozesstagen eines der abscheulichsten Verbrechen des Jahres 2002 in Brandenburg verhandelt.
Fünf junge Männer — vier aus der rechtsextremen Szene — stehen wegen des Mordes an dem 29-jährigen Dachdecker Ronald Masch aus Dolgelin vor Gericht. Die Tat geschah am 1. Juni 2002 nach dem Besuch der Disko “Night Life” in Alt Zeschdorf.
Wegen Mordes angeklagt sind der 22-jährige Matthias R. sowie der 25-jährige Stefan K. Dem zur Tatzeit 20-jährigen Maik W. wirft die Staatsanwaltschaft Anstiftung zum Mord vor, dem damals 18-jährigen Axel T. Beihilfe zum Mord. Der 25-jährige Daniel J. sitzt wegen des Vorwurfs unterlassener Hilfeleistung bei dem Mord auf der Anklagebank.
Die 22-jährige Sylvana M. ist nicht im Zusammenhang mit dem Mord angeklagt. Ihr wird unterlassene Hilfeleistung bei einem Raubdelikt vorgeworfen. Sie habe gewusst, dass die Mitangeklagten das Opfer berauben wollten, es jedoch nicht gewarnt.
Der heute 21-jährige Maik W. gilt als Rädelsführer der rechtsextremen Szene in Fürstenwalde. Dazu werden auch die Angeklagten Matthias R., Axel T. und Daniel J. gezählt.
Oberstaatsanwalt Hartmut Oeser sieht bei dem Verbrechen kein politisches Motiv. “Aber”, sagt er, “dass diese menschenverachtende Tat begangen wurde, liegt an der menschenverachtenden Einstellung der Täter.”