Ab Mittwoch gilt in Potsdam für ungeimpfte Personen eine Ausgangssperre zwischen 22.00 und 6.00 Uhr. Demnach dürfen nicht geimpfte Personen das Haus dann nur noch „in gewichtigen Ausnahmefällen“ verlassen, etwa zum Aufsuchen der Arbeitsstätte.
In dieser Regelung wird die ganze Absurdität deutlich, die seit zwei Jahren die staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie prägt. Diese Maßnahmen haben offensichtlich nicht das Ziel, so schnell und so effektiv wie möglich die Pandemie zu beenden, das Leben möglichst vieler Menschen zu schützen und dabei negative soziale und psychische Folgen der Pandemiebekämpfung möglichst gut abzufedern. Stattdessen steht im Mittelpunkt der Pandemiebekämpfung der Grundsatz „The show must go on“. Die kapitalistische Verwertung von Arbeitskraft soll ungehindert weitergehen, Produktion und Vertrieb ungestört bleiben. Deswegen wird die Durchseuchung von Kindern und Jugendlichen in Kauf genommen – damit die Eltern weiter arbeiten gehen können. Deswegen müssen Menschen auf dem Weg zur Arbeit und an ihren Arbeitsplätzen gegen die wichtigsten Schutzmaßnahmen verstoßen: Abstand halten und regelmäßig lüften.
Was so an tatsächlicher Pandemiebekämpfung nicht stattfindet wird kompensiert durch symbolische aber repressive Gesten wie die Ausgangssperre für Ungeimpfte. Als ob die ungeimpfte Person, die um 23:00 Uhr über den leeren Alten Markt geht, ihren Hund ausführt oder um 5:00 Uhr durch die Ravensberge joggt, ein Infektionsrisiko darstellen würde.
Gesteigert wir diese Absurdität noch dadurch, dass infizierte Personen im Gesundheitswesen und in Bereichen der kritischen Infrastruktur schneller wieder aus der Quarantäne an die Arbeit gebracht werden. Dass die Möglichkeit zu kostenlosen PCR-Tests nicht ausgeweitet, sondern drastisch eingeschränkt werden soll, ist ein weiterer Beweis, dass für die Regierungen Kostenargumente stärker wiegen als die Pandemiebekämpfung. Maßnahmen, die nachweisbar etwas gegen die Pandemie bringen und die deswegen von vielen Menschen bereitwillig befolgt werden, wie z.B. das regelmäßige Testen, um Infektionsketten schnell unterbrechen zu können, werden aufgegeben oder eingeschränkt, weil sie den gewohnten Ablauf der Profiterzeugung stören könnten. Aber ein abendlicher Spaziergang einer ungeimpften Person am Havelufer zieht jetzt ein Bußgeld nach sich.
Die Folgen dieser Politik, die am Beispiel der Potsdamer Ausgangssperre im Kleinen erkennbar wird, sind in den letzten Tagen deutlich geworden. Allein in Deutschland sind bisher rund 116.000 Menschen an der Pandemie gestorben. Weltweit sind schätzungsweise 17 Millionen Menschen an Covid-19 gestorben¹. Viele von ihnen könnten noch leben, wenn 2019 weltweit schnell wirksame und gerechte Maßnahmen gegen die Pandemie ergriffen worden wären. Dies ist nicht passiert. Stattdessen wurden Maßnahmen ergriffen, die zur Folge hatten, dass heute weltweit die Reichen wesentlich reicher und die Armen viel ärmer sind¹. Unsinnige Maßnahmen, wie die Ausgangssperre für Ungeimpfte in Potsdam gehören zu dieser Art von Maßnahmen.