Potsdam gegen Impfpflicht“ aka. „Potsdam für eine freie Impfentscheidung“
(Quellen und Screenshots siehe pdf)
Inhalt: Monothematisch gegen die Impfpflicht. Allerdings ist das Durchsetzen der Maskenpflicht und Abstandsregeln ein Dauerbrenner auf den Demonstrationen, obwohl die Teilnehmenden regelmäßig dazu aufgefordert werden, halten sie Abstände nicht ein und Maskenpflicht zu maximal 50% dauerhaft und korrekt.
Demonstrations-Auftreten: Legalistisch, selbst echte Kerzen (offenes Feuer!) wurden untersagt. Es gab von Anfang an viele Ordner*innen (Warnwesten). Selbst bei der ersten Demonstration am 20.12.2021. Diese war, wenn überhaupt, lediglich online angemeldet, ohne Bestätigung der Polizei.
Das führte am 20.12.2021 zu längerer Wartezeit auf das Eintreffen der Polizei und entsprechende Verhandlungen.
(Partei-)Politische Statements sind nicht gern gesehen. Anfangs gab es nur ein Fronttransparent und ein paar elektronische Lichterketten. Mittlerweile werden auch (wenige) Pappschilder getragen, es gibt kleine Trommeln und Trillerpfeifen. Die Außenwirkung wird durch größtenteils schweigende, bzw. in Privatgespräche vertiefte Demonstrationteilnehmende bestimmt sowie durch Megafondurchsagen zur Maskenpflicht. Seitdem es Protest gegen die Demonstration gibt, gibt es auch Megafondurchsagen die sich davon distanzieren, dass in der Demonstration Nazis mitlaufen würden.
Publikum: Im Wandel. Zu Beginn deutlich erhöhter Anteil an Frauen*, Kindern, Familien. Nur wenige Männer*gruppen mit eher aggressivem Auftreten. Mittlerweile vermehrt PKW-Anreisen aus mindestens dem Potsdamer Umland und Westberliner
Bezirken (Spandau, Kladow etc). Zunehmend mehr Männer*gruppen mit eher aggressivem Auftreten, größtenteils eher eine Art „Weihnachtsmarktstimmung“. Bei der letzten Demo am 10.01.2022 war auch die Neonazigruppierung „Freies Potsdam“ anwesend. Die Neonazi Kleinstpartei war am 3.01.2022 mit dabei.
Kommunikation: Erfolgt nach Außen hauptsächlich über einen Telegram-Chat. Die Inhalte werden teilweise bei Twitter und Instagram oder in sehr geringem Ausmaß bei Facebook gespiegelt. Während der Demonstration gibt es ein Fronttransparent mit dem Demonstrationsmotto und besagtebMegafondurchsagen. Ab dem 13.01.2022 wird eine professionelle Soundanlage in Aussicht gestellt.
Bis zum 3.Januar erfolgten Teile der organisatorischen Diskussion nach Innen ebenfalls im Telegram-Chat. Dieser wurde dann ab dem 06.01.2022 zu einem reinen Informationskanal ohne Diskussionsmöglichkeit, da es den Admins nicht möglich war, den Chat von antisemitischen,
verschwörungsideologischen Nachrichten, Links und Videos frei zu halten. Die Schuld dazu wurde der Antifa und der Presse gegeben, diese würden entweder selbst derartige Nachrichten posten und dann einen Screenshot als Beweis machen oder seien zumindest schneller darin als die Admins beim Löschen. Auch habe es Anfragen und Nachfragen bis in die Nacht hinein gegeben.
Kooperationen: Keine bekannt. Im Gegenteil, grenzen sich die Demonstrationsverantwortlichen
sowohl von Neonazis (III.Weg), als auch von unangemeldeten „Spaziergängen“ ab. Sogar Werbung für letztere war im Telegram-Chat untersagt. Hierbei wird besonders das Ausbleiben von Repression und der Schutz vor „der Antifa“ betont als Argumente für die Abgrenzung von anderen
Impfgegner*innen.
Als am 20.12.2021 die unangemeldete Demonstration auf dem Vorplatz des Riesenrads endete wurden die Teilnehmenden vom Demonstrationsanmelder Sven Hausdorf per Megafon aufgefordert sich auf die Marktseite des Bassinplatzes zum Demonstrationsstartpunkt zu begeben. Dort mussten dann einige Durchsagen erfolgen, bis endlich alle Teilnehmenden Masken trugen und die Demonstration starten konnte.
Vermischungen: Durch die öffentliche Abgrenzung von unangemeldeten „Spaziergängen“ bildet die Demonstration eine Art Rückzugsort für Anti-Corona-Protest in Potsdam. So ist schon mehrfach beobachtet worden, dass die unangemeldeten Spaziergänge und die angemeldete Demonstration
sich personell vermischen. Dies geht tendenziell von den selbsternannten „Spaziergänger*innen“ aus, wird von der angemeldeten Demonstration aber nicht zurückgewiesen. Im Gegenteil, als am 13.12.2021 sich beide Demonstrationszüge vermischten, nahmen auch die Maskenträger*innen der angemeldeten Demonstration ihre Masken ab und verblieben mehrheitlich bei der sehr verschwörungsideologischen Kundgebung am Filmmuseum. Im Nachgang veröffentlichte Teilnehmer*innen und Verantwortliche der Demonstration „Potsdam gegen Impflicht“ Videos vom
vereinten Demonstrationszug und freuten sich über die Menschenmassen.
Strategie: Mit ihrer Strategie das Corona-Thema nur über die Impfpflicht anzugehen, sind die Veranstalter*innen bislang vergleichsweise erfolgreich. Es ist eine zunehmende Professionalisierung im Auftreten zu beobachten. Es wird technisches Equipment organisiert und es sollen zukünftig durch die Demonstration mehr Inhalte nach außen getragen werden. Hier sind zukünftig auch nach außen wahrnehmbare Entgleisungen des Publikums zu erwarten. Dabei dient die monothematische Herangehensweise einer besseren, weniger abschreckenden
Außenwirkung der Demo. Es geht nicht um eine inhaltliche Abgrenzung von Reichskriegsflaggen, Maskenverweigerung, Impfgegnerschaft, Anti-Wissenschaftlichkeit, Verschwörungsideologien (Qanon, Gates, Nanopartikel), sondern ausschließlich um die Außenwahrnehmung durch Politik, Presse und Öffentlichkeit. Es geht darum möglichst viele Menschen über die Thematik der freien Impfentscheidung zu aktivieren, aber möglichst ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen, weder diejenigen die oben genanntem Verschwörungsdenken anhängen, noch diejenigen die diese Verschwörungserzählungen ablehnen. Eine starke Abgrenzung erfolgt lediglich auf der legalistischen Ebene, hier wird die Strategie der angemeldeten Demonstration als einzig richtiger Weg dargestellt, mit einer starken Abgrenzung zu unangemeldeten Demonstrationen. Diese Idee (der monothematischen und angemeldeten Demonstration) hat der Anmelder Sven Hausdorf, laut eigenen Angaben von einem Youtuber namens „Agent 00 Bielefeld“, dieser verbreitet ansonsten verschwörungsideologische Videos, die er vorgeblich „kritisch satirisch“ einordnet, eigentlich aber nur einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.
Da es auf inhaltlicher Ebene keine politische Abgrenzung von den diversen Verschwörungsideologien erfolgte, ist es unter anderem möglich, dass immer wieder aktive Neonazis an dem Aufzug teilnehmen (die Kleinstpartei „Der 3. Weg“ am 03. Januar 2022 und Mitglieder von „Freies Potsdam“ am 10. Januar 2022). Auch das Chat-Verhalten des Anmelders ist nicht ausgerichtet auf inhaltliche Abgrenzung zu neonazistischen, verschwörungstheoretischen Positionen, es geht ihm nur darum, diese nicht öffentlich zu artikulieren.
Mitorganisator*innen:
Gunnar Gast: Gunnar Gast ist nicht nur Mitglied des Organisationsteams, sondern hier auch tonangebend. Er ist Anhänger diverser Verschwörungstheorien, (ehemaliger) Mitveranstalter der „Montagsmahnwachen“ und fleißige Social-Media-Ameise. Er ist nicht nur großer Fan von Trump, sondern gibt auch den Erklärbär was Polizeitaktiken betrifft. Er ist der Meinung, dass Corona nicht viel schlimmer sei als eine Grippe bzw. sogar weniger schlimm. (s.o.)
Nima: Bis vor kurzem war auch noch ein gewisser „Nima“ im Chat aktiv. Dieser scheint ebenfalls Anhänger diverser Verschwörungsideologien zu sein, u.a. des „Great Reset“.
Fazit:
Das Konzept der Demonstration „Potsdam gegen Impfpflicht“ bzw. „Potsdam für freien
Impfentscheid“ ist auf Wachstum der Teilnehmer*innenzahlen ausgerichtet. Deshalb erfolgen die Demonstrationen jeden Montag zur gleichen Uhrzeit und zukünftig wohl mit der immer gleichen Route. Dieses Wachstum sehen die Verantwortlichen gefährdet durch Distanzierungen von Themen, die nichts mit dem direkten Demonstrationsmotto zu tun haben. Den Teilnehmenden wird sogar geraten nicht auf Fragen durch Journalist*innen einzugehen, da den Verantwortlichen klar ist, wer einen nicht geringen Teil ihres Publikums und ihres Organisationsteams stellt: Menschen die Verschwörungsglauben anhängen oder diese sogar aktiv verbreiten. Somit ist die Potsdamer Demonstration „Für freien Impfentscheid“ nichts als ein weiteres U‑Boot, welches durchaus berechtigte Kritik an den Corona-Maßnahmen aufnimmt um eine eigene Agenda durchzusetzen.