POTSDAM Im Seehotel in Templin (Uckermark) werden Mitte April mehrere
Hundert meist ältere Damen übernachten, die eines gemeinsam haben: Sie
kehren an die nahe gelegene Stätte ihrer Leiden zurück, an den Ort, der sich
tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hat: Sie alle sind Überlebende des
Konzentrationslagers Ravensbrück. In acht weiteren Hotels zwischen
Oranienburg und den nördlichen Bezirken Berlins werden zur gleichen Zeit
Gäste aus der ganzen Welt erwartet, die vor und während des Zweiten
Weltkriegs im KZ Sachsenhausen inhaftiert waren.
Mehr als 1000 Überlebende beider Lager werden an den Feiern zum 60.
Jahrestag der Befreiung durch die Rote Armee teilnehmen. 850 ehemalige
Häftlinge und 440 Angehörige, zumeist Kinder und Enkelkinder, nehmen als
Gäste der Landesregierung teil.
“Die meisten von ihnen kommen aus Ost€pa, sie konnten aus materiellen
oder politischen Gründen bisher nicht an den Feiern zu den Jahrestagen
teilnehmen”, sagte Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten. Vor zehn Jahren waren 2700 ehemalige Häftlinge nach
Sachsenhausen und Ravensbrück gekommen. Viele sind in der Zwischenzeit
verstorben.
Morsch und seine Mitarbeiter wissen, dass dieses Jahr für viele der 1000 der
letzte runde Jahrestag sein wird, den sie noch erleben. Unermüdlich haben
sie daher versucht, die nötigen Mittel für Reise und Unterbringung zu
bekommen. 1,2 Millionen Euro sind insgesamt nötig, 500 000 Euro steuert das
Land bei, 350 000 Euro der Bund aus dem Etat von Kulturstaatsministerin
Christina Weiss, 100 000 Euro kommen vom Land Berlin, der Rest von
verschiedenen Stiftungen.
“Die Häftlinge haben uns eine Botschaft zu vermitteln”, sagte Morsch. Und
fügt angesichts der weiterhin hohen Zahl rechtsextremer Übergriffe im Land
in einem Anflug von Resignation hinzu: “Auch wenn ich den Eindruck habe,
dass viele das nicht mehr hören wollen.”
Das Interesse der brandenburgischen Schulen zumindest liefert keinen Anlass
für diese Resignation: Für den “Tag der Begegnung” am 16. April in
Sachsenhausen haben sich bei der Vorstellung des Begleitprogramms mehr als
120 Lehrer interessiert — aus der unmittelbaren Umgebung, aber auch von
Schulen in Dänemark und Israel. Auch die Jugendbegegnungsstätte Ravensbrück
wird brummen.
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) besucht am 17. April beide
Gedenkstätten. Um 10 Uhr beginnt die zentrale Gedenkveranstaltung in
Ravensbrück, auf der Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD), Anne
Chalut als Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Kommitees und Jakow
Drabkin sprechen werden, der als Angehöriger der Roten Armee an der
Befreiung des Lagers am 30. April 1945 teilnahm. Um 17 Uhr werden in
Sachsenhausen neben Platzeck Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne),
der Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, Pierre Gouffault,
und Thomas Buergenthal sprechen, der die Befreiung als Zehnjähriger erlebte.
Gleichzeitig wird der neugestaltete Gedenkort “Station Z” mit der
Dauerausstellung “Mord und Massenmord im KZ Sachsenhausen” seiner Bestimmung
übergeben.
Die Gedenkstätten suchen noch ehrenamtliche Betreuer, idealerweise mit
Russisch- oder Polnischkenntnissen. Informationen unter 0 33 01/ 81 09 10.