(MAZ) FRANKFURT(ODER) “Die machen das doch nicht wirklich!” hatte Sylvana M. am 1. Juni vergangenen Jahres entsetzt ausgerufen. Doch sie taten es. Zwei junge Männer verfolgten den zuvor ausgeraubten und zusammengeschlagenen Roland Masch in ein Rapsfeld bei Alt Mahlisch (Märkisch-Oderland) und brachten ihn mit mehr als 30 Messerstichen um.
Wegen Mordes, Anstiftung und Beihilfe zum Mord, Raubes, schwerer Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung müssen sich fünf Männer und eine Frau seit gestern vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Darunter die 22-jährige Sylvana M., die bis heute die Tat nicht fassen kann. Weinend und verängstigt sitzt die junge Frau auf der Anklagebank. Vor ihr die hoch gewachsenen Mittäter, die sie einst zu ihren Freunden zählte, obwohl sie von ihnen beleidigt und misshandelt worden war. “Ich sollte die Klappe halten, sonst würden sie mich kalt machen”, gesteht sie unter Tränen. Die schwangere Fürstenwalderin passt nicht ins Bild. Unbegreiflich, warum sie die Nähe dieser Männer suchte, die Oberstaatsanwalt Hartmut Oeser allesamt als “stramm rechts” einstuft. “Ich kann nicht Nein sagen”, versucht sie sich vor Gericht zu entschuldigen.
Versucht hatte sie das zumindest, bereits vor der Disko in Alt Zeschdorf. Gegen 5.30 Uhr war das spätere Opfer auf die Gruppe zugegangen und hatte um eine Mitfahrgelegenheit gebeten. Sylvana M. lehnte ab, lag Maschs Heimatort Dolgelin doch genau in der entgegengesetzten Richtung. Maik W. hingegen kam auf eine andere Idee, wie der gepflegt wirkende Brillenträger vor Gericht bestätigt: Vielleicht hat der Mann Geld dabei. Schnell war das Betrunken-Machen, Ausrauben und Aussetzen des Dachdeckers beschlossene Sache.
Mit zwei Autos ging es los. “Als wir im zweiten Wagen zu dem Feldweg kamen, hatten Matthias R. und Stefan K. den Mann schon nach draußen gezerrt und prügelten auf ihn ein”, erzählt der 21-jährige W., der selbst mit einem Axtstiel zugeschlagen haben will und später die Geldbörse des Opfers untersuchte. Es stellte sich heraus, dass Masch keinen Cent bei sich hatte.
Einen unbeobachteten Augenblick nutzte der Dachdecker zur Flucht. R. und K. hätten die Verfolgung des 29-Jährigen aufgenommen, der sein eigenes Todesurteil besiegelte, indem er den Verfolgern zurief: “Eure Gesichter habe ich mir sowieso gemerkt!” Maik W. soll anschließend den Befehl zur Liquidation gegeben haben. Wenig später seien R. und K. blutverschmiert zurückgekehrt. “Sie sagten, sie hätten den Mann abgestochen”, erklärt W. äußerlich ungerührt.
Mit einem Klappmesser, so die polizeilichen Ermittlungen, soll der kahlköpfige, bullige R. auf sein Opfer eingestochen haben. Angestachelt durch Zurufe seines Kumpans K. Immer wieder bohrte der Angreifer die acht Zentimeter lange Klinge in den Oberkörper. Als dieser nur noch röchelte, hatte K. laut Anklage geraten: “Jetzt musst Du es richtig machen, sonst sind wir geliefert.” R. schnitt seinem Opfer in grausamer Konsequenz die Kehle durch.
Die beiden mutmaßlichen Mörder hüllen sich vor Gericht in Schweigen. Roland Masch war erst sechs Wochen nach der Tat von einem Bauern bei der Rapsernte entdeckt worden. Die Leiche des jungen Familienvaters war bereits skelettiert. Trotz der mühsamen Spurensuche und der Verschwiegenheit des Sextetts, einander nicht zu verraten, waren die Ermittler auf Grund von Zeugenaussagen schnell fündig geworden.
Der Prozess wird heute mit weiteren Vernehmungen der Angeklagten fortgesetzt. Dann allerdings — sagt der Oberstaatsanwalt unter Androhung eines Ermittlungsverfahrens — sollten die mutmaßlichen Täter ihre zur Schau getragenen Nazi-Symbole verdecken. Maik W. und Matthias R. haben deutlich sichtbar das Wort “Hass” mit SS-Runen auf ihre Finger tätowiert.
“Der packt aus, der muss sterben”
Vor dem Frankfurter Landgericht begann gestern der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter des “Rapsfeld-Mordes”
(BM, Jeanette Bederke) Frankfurt (O.) — Die beiden Hauptangeklagten schwiegen — so wie sie es
angeblich bereits kurz nach dem Mord im Juni 2002 vereinbart hatten -, nach
einem der abscheulichsten Verbrechen des vergangenen Jahres in Brandenburg,
dem Mord im Rapsfeld. Laut Anklage sollen die beiden jungen Männer aus
Fürstenwalde den 29-jährigen Dachdecker Roland Masch in der Nacht des 1.
Juni an einem einsamen Feldweg bei Alt Mahlisch (Märkisch-Oderland)
zusammengeschlagen und ausgeraubt haben. Voller Angst muss Masch gewesen
sein — und voller Wut. Und fast schon entkommen, schrie er seinen Peinigern
angeblich jenen Satz hinterher, der ihn wohl das Leben gekostet hat: “Eure
Gesichter habe ich mir gemerkt.” Masch wurde erstochen, von Matthias R. und
Stefan K., so der Staatsanwalt, damit er nicht plaudern konnte. “Der darf
nicht am Leben bleiben, der packt sonst aus.” Fiel dieser Satz, wurde Masch
mit 30 bis 40 Messerstichen brutal getötet, damit er für immer über die
Schläge und den Raub schweigt? Offenbar, denn die vier Mitangeklagten waren
gestern zum Prozessauftakt im Frankfurter Landgericht weit mitteilsamer als
die zwei mutmaßlichen Haupttäter.
Matthias R. und Stefan K. hätten Masch nach einer Verfolgungsjagd getötet,
danach ihre blutverschmierte Kleidung verbrannt und das Tatmesser in die
Spree geworfen, sagten die Mitangeklagten, die gestern keine Komplizen mehr
sein wollten. “Ich hab ihm die Kehle durchgeschnitten”, zitierte eine
Angeklagte einender beiden Hauptangeklagten. “Danach meinte er noch, es habe
ihm Spaß gemacht, und dies sei der Kick seiner Karriere”, sagte die
mitangeklagte 23-jährige Sylvana M. unter Tränen. Die schwangere Frau hat
nach eigener Aussage versucht, die Tat zu verhindern. “Halt die Klappe,
sonst mach ich das Gleiche mit dir”, habe sie darauf einer der Angeklagten
angefahren.
Die fünf Männer im Alter zwischen 19 und 26 Jahren sind nach Angaben von
Oberstaatsanwalt Hartmut Oeser alle “stramm rechts”, Teil der Szene in
Fürstenwalde. Das Opfer hatte sie in der Nacht jenes Sonnabend vor der Disco
“Nightlife” in Alt-Zeschdorf um eine Mitfahrgelegenheit gebeten. Gegen den
Willen der beiden Fahrer sei beschlossen worden, Masch mitzunehmen und
auszurauben. Laut Anklage wurde das Opfer auf einem Feldweg aus dem Auto
gezerrt und mit einem Axtstiel geschlagen. Dann stellten einige seiner
Peiniger fest, dass sein Portmonee kein Geld enthielt und ließen zunächst
von ihm ab. Als Roland Masch fliehen wollte, verfolgten in Zwei der Gruppe,
töteten ihn und ließen den Körper im mannshohen Raps liegen. Die
skelettierte Leiche wurde erst Wochen später bei der Ernte gefunden. Bei der
Auswertung von Überwachungsvideos der Diskothek stießen Fahnder auf den
vorbestraften Maik W. und schließlich auf den Rest der Gruppe.
Roland Masch, der aus Dolgelin stammt, hinterließ einen kleinen Sohn und
eine Lebensgefährtin. Die Mutter, seine Lebensgefährtin und sein Bruder
verfolgten gestern als Nebenkläger, wie die angeklagten Männer emotionslos
und ohne ein Wort der Entschuldigung von der Tat berichteten. Von den
Schlägen mit einem Axtstiel, davon, wie die blutdurchtränkte Kleidung
verbrannt wurde und die Gruppe nach der Tat hungrig zu McDonalds ging.
Rädelsführer Maik W., damals 19 Jahre alt, soll angeblich der Tat gemahnt
haben: “Wir sitzen alle in einem Boot. Wird einer erwischt, muss er die
Klappe halten.” Vor Gericht bestätigt er gestern wesentliche Anklagepunkte,
schwächt seine Tatbeteiligung jedoch ab. Zwar habe er den Anstoß zum Raub
gegeben und auch auf das Opfer eingeschlagen. Die Anstiftung zum Mord aber
will W. nicht auf seine Kappe nehmen. Der Prozess wird morgen fortgesetzt
und dauert voraussichtlich zehn Tage. Drei der Männer müssen wegen Mordes an
Roland Masch und
Anstiftung zum Mord mit einer lebenslangen Haftstrafe
rechnen.
Über 30 Mal zugestochen
Mord an einem Diskobesucher vor Gericht — Schwangere Mitangeklagte fühlt sich bedroht
(MOZ) Frankfurt (Oder) (ddp-lbg). Nur leise und unter Tränen kann die schwangere
Frau mit den lilafarbenen Haaren über das ungeheuerliche Geschehen
berichten. Die 23-jährige Sylvana M. war am 1. Juni 2002 dabei, als der
bullige Matthias R. (23) blutverschmiert und mit einem Messer in der Hand
aus einem Rapsfeld nahe Neu Mahlisch bei Seelow zum Pkw zurückkehrte. «Ich
habe ihm die Kehle durchgeschnitten», habe R. trocken gesagt und im Auto
dann hinzugefügt: «Es hat Spaß gemacht und war der Kick meiner Karriere.»
Der Aufsehen erregende Mordfall wird seit Dienstag am Landgericht Frankfurt
(Oder) verhandelt. Matthias R. muss sich dort zusammen mit weiteren drei
weiteren jungen Männern aus Fürstenwalde wegen Mordes oder der Beihilfe dazu
verantworten. Sylvana M. und ein sechster Angeschuldigter sind der
unterlassenen Hilfeleistung angeklagt. Die Beschuldigten sollen einen vor
der Disko von Alt Zeschdorf aufgelesenen Zimmermann brutal
zusammengeschlagen, ausgeraubt und getötet haben. Seine bereits skelettierte
Leiche war erst sechs Wochen später von einem Mähdrescherfahrer entdeckt
worden.
Vier der Angeklagten berichteten am Dienstag ziemlich übereinstimmend, wie
der 29-jährige Diskogänger die Gruppe um eine Mitfahrgelegenheit im Pkw bat.
Zunächst habe man abgelehnt, dann aber den Raubplan ausgeheckt. Auf einem
Feld hätten zwei der Männer ihr Opfer aus dem Wagen gezerrt und zu Boden
gedroschen. Ein dritter Angeklagter, Maik W. (21), räumte ein, den Mann mit
einem Beil geschlagen zu haben. Er leugnete aber den Anklagevorwurf, zum
Mord angestiftet zu haben.
Als die Gruppe sich über die leere Geldbörse des Mannes ärgerte, konnte
dieser flüchten. Dann sei Angst aufgekommen, was wohl passiere, wenn er sich
die Autokennzeichen merkt. Alle vier sagten aus, dass allein Matthias R. und
der 25 Jahre alte Stefan K. dem Flüchtenden folgten. Beide äußerten sich zu
Prozessbeginn nicht zu den Vorwürfen. Laut Anklage soll R. über 30 Mal auf
das um sein Leben bettelnde Opfer eingestochen haben. Stefan K. habe ihm
gesagt: «Jetzt musst Du es richtig machen. Wenn der aufsteht, sind wir
geliefert». Daraufhin soll R. dem Mann die Halsschlagadern durchtrennt
haben.
Nach der Tat hätten sich alle geschworen zu schweigen, wenn einer von der
Polizei geschnappt werden sollte, sagten die Angeklagten am Dienstag weiter.
Sylvana M. kann unterdessen kaum mehr ruhig schlafen. Schon bei der
Schlägerei will sie gefleht haben, die sollen doch aufhören. Doch ein
Mitangeklagter habe nur gesagt, sie solle die Klappe halten, sonst würden
sie dasselbe mit ihr machen. Und nach dem Mord habe Matthias R. ihr gedroht,
sie umzubringen, wenn sie redet.
Die Angst der jungen Frau vor dem in Untersuchungshaft sitzenden R. ist so
groß, dass ihr Verteidiger die Kammer — vergeblich — bat, den Glatzkopf
während ihrer Aussage aus dem Saal zu schicken. Sie kannte die Gruppe seit
langem: «Dass die nicht ganz ohne sind, wusste ich schon», sagte sie. Vor
fünf Jahren habe Maik W. ihr das Nasenbein gebrochen. Zwei der Angeklagten
hätten zudem eine Freundin vergewaltigt. Von der menschenverachtenden
Gesinnung zeugen zudem die SS-Runen auf den Fingern von Matthias R. Das
Urteil will die Kammer voraussichtlich am 6. März verkünden.