Aktion “Ruf aus Potsdam” vereint Industrieclub,
evangelische Kirche, Stadt und Land — Weltweiter Spendenaufruf
(BM) Potsdam — Der Industrieclub Potsdam hat gestern mit der evangelischen Kirche sowie der Stadt und dem Land eine Spendenaktion zum Wiederaufbau der Garnisonkirche gestartet. Mit dem “Ruf aus Potsdam” soll nach dem Vorbild
der Dresdner Frauenkirche und unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und dem evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber weltweit für Spenden geworben werden. Den im Krieg stark beschädigten Bau hatten die DDR-Oberen 1968
sprengen lassen.
“Der Grundstein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche soll bereits am 14. April 2005 — dem 60. Jahrestag der Bombardierung Potsdams — gelegt werden”, verkündete Oberbürgermeister Jann Jakobs am Abend im Industrieclub in der Villa Arnim das ehrgeizige Ziel. Die Kosten des voraussichtlich rund sechs Jahre dauernden Aufbaus werden auf rund 50 Millionen Euro geschätzt.
Offenbar richten sich die Akteure darauf ein, auf die von der “Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel” gesammelten Spenden von rund 5,7 Millionen Euro zu verzichten. Die Traditionsgemeinschaft, die mit für
die Kirche unerfüllbaren Bedingungen zur Nutzung des geplanten Turms das Projekt blockierte, wird der Stiftung vermutlich nicht angehören, doch sie ist zur Mitarbeit aufgefordert.
Der Verein hatte das geplante Versöhnungszentrum strikt abgelehnt, nun wird es umgesetzt. Bei der geplanten Stiftung soll die evangelische Kirche die
Entscheidungshoheit erhalten.
Einigkeit besteht auch darin, dass das Nagelkreuz vor dem Eingang der Kirche aufgestellt werden soll. Auf dem 88,4 Meter hohen Kirchturm wird die historische Wetterfahne mit dem Preußenadler ihren Platz finden.
Ministerpräsident Matthias Platzeck rief dazu auf, das Gotteshaus im Geiste der Versöhnung wieder zu errichten. Sein Vize Jörg Schönbohm würdigte die Garnisonkirche als “Ausdruck von tief empfundener Gläubigkeit und
Patriotismus”. Durch ihren Missbrauch während des Nationalsozialismus und durch ihre Sprengung durch das SED-Regime stehe sie für den “untauglichen Versuch”, die Auseinandersetzung mit der Geschichte zu verdrängen.
Der evangelische Landesbischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber, setzte den Kritikern des Wiederaufbaus entgegen: “Nur eine Stadt mit einer tief gegründeten Identität und einer wachen kritischen Öffentlichkeit vermag
sich gegen Fremdbestimmungen und Wahnvorstellungen zur Wehr zu setzen.”
Nach der Kritik von Landeskonservator Detlef Karg, der für die Garnisonkirche einen Architekturwettbewerb mit zeitgenössischen Konzepten fordert, stellte der Vorsitzende des Industrieclubs, Hans Rheinheimer, klar: “Mit uns ist nur ein originalgetreuer Nachbau der Kirche zu machen.” Sie
soll als verputzter Backsteinbau entstehen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach sich gestern ebenfalls für die Wiederherstellung der
historischen Fassade statt einer modernen Variante aus.
“Ruf aus Potsdam”
(BM) Die Fördergesellschaft für den Aufbau der Garnisonkirche i. G. wendet sich mit diesem Appell an die Öffentlichkeit (Auszüge): “Im Jahre 1968 folgte die
rechtsstaatswidrige Enteignung der Kirchengemeinde und die Sprengung der wiederaufbaufähigen Kirche. Die zahlreichen Proteste aus dem In- und Ausland wurden ignoriert. Doch selbst die Zerstörung der Kirche konnte nicht
verhindern, dass die Garnisonkirche bei zahlreichen Menschen, die Potsdam lieben, als Wahrzeichen bis auf den heutigen Tag lebendig blieb.
Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es bei der Hinrichtung dieses einmaligen und geschichtsträchtigen Bauwerks bleiben soll. Wir rufen zu einer weltweiten Hilfsaktion für den Wiederaufbau der Potsdamer
Garnisonkirche auf.
Unterstützen Sie uns!
Die Garnisonkirche soll zukünftig als offene Stadtkirche ein Gotteshaus für Suchende und Glaubende werden. Der befreiende Ruf des Evangeliums soll von
hier wieder erschallen. In diesem Gotteshaus könnte zukünftig das Gedächtnis geprägt, das Gewissen geschärft und die Zukunft gestaltet werden. Die wieder
aufgebaute Kirche soll zu einem Zentrum für Frieden und Versöhnung werden. Unser Aufruf protestiert gegen die ideologisch motivierte Zerstörung Potsdams in der Vergangenheit und bringt zum Ausdruck, dass Menschen gegen
Krieg und Gewalt, gegen Diktatur und Zerstörung zusammenstehen.
(…) Die Garnisonkirche wurde missbraucht: Am 21. März 1933 nutzten die
Nationalsozialisten sie schändlicherweise für eine Inszenierung, die ihre
Gegner zu Befürwortern machen sollte.
Wer Zukunft gestalten will, muss Geschichte kennen. Wir wollen uns unsere
Geschichte nicht nehmen lassen. In Kontinuität und Bruch stellen wir uns der
Vergangenheit in ihrer ganzen Zwiespältigkeit. Deshalb rufen wir alle
Menschen auf, die Potsdam in ihr Herz geschlossen haben:
Helfen Sie uns beim Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche!
Weder die Evangelische Landeskirche noch das Land Brandenburg, weder die
Stadt Potsdam noch der Evangelische Kirchenkreis Potsdam können das Geld für
den Wiederaufbau allein aufbringen. Wir rufen diejenigen zur weiteren
Mitarbeit auf, die bereits gespendet haben. Wir hoffen auf Unterstützung aus
den Staaten, die an dem von uns Deutschen entfesselten Zweiten Weltkrieg
beteiligt waren. Wir wenden uns an alle Menschen, die mithelfen können,
unserer Stadt ihre berühmte Barockkirche zurückzugeben.
Potsdam, Villa Arnim, den 15. Januar 2004”
Im April 2005 ist Baustart an der Garnisonkirche
Neue Stiftung benötigt 50 Millionen Euro an Spenden
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) POTSDAM. Die Potsdamer Garnisonkirche, 1968 auf Geheiß der SED-Oberen
gesprengt, soll nach historischem Vorbild vollständig wieder aufgebaut
werden. Dies betonten die Spitzen des Landes, der Stadt Potsdam und der
evangelischen Landeskirche, die am Donnerstag zur Konstituierung der neuen
Stiftung “Garnisonkirche Potsdam” in den Industrieclub gekommen waren. “Wir
wollen am 14. April 2005 den Grundstein für den Wiederaufbau legen”, sagte
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). “Dann jährt sich die Bombardierung
Potsdams zum 60. Mal.”
Ein Wiederaufbau der Kirche werde rund 50 Millionen Euro kosten, sagte der
Chef des Potsdamer Industrieclubs, Hans P. Rheinheimer. Er hat die Stiftung
initiiert. Nach dem Dresdner Modell zum Wiederaufbau der Frauenkirche wird
sich neben der Stiftung, die von Land, Stadt und Kirche getragen wird, ein
Förderverein gründen, der international Spenden einwirbt. Stiftung und
Förderverein werden dann eine Baugesellschaft gründen, die die Barockkirche
in der historischen Mitte Potsdams wieder errichtet. Fundamente sind noch
vorhanden. Ein Plattenbau, in dem derzeit auch der Statistische
Landesbetrieb sitzt, müsste für den Wiederaufbau abgerissen werden.
Unklar ist noch, mit wieviel Eigenkapital die Stiftung ausgestattet wird.
Die evangelische Landeskirche habe bisher 100 000 Euro bereit gestellt,
sagte Superintendent Bertram Althausen. Die finanzielle Beteiligung des
Landes ist noch nicht geklärt, die Stadt gibt einen Großteil des
Grundstückes. “Die Kirche soll als Versöhnungszentrum und City-Kirche
wiederaufgebaut werden”, so Althausen. Das Nagelkreuz aus Coventry werde auf
Augenhöhe am Eingang der Kirche aufgestellt.
Die Gründung der Stiftung ist Konsequenz des jahrelangen Streits mit der
konservativen Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG). Diese
Vereinigung von Bundeswehroffizieren hatte seit 1984 Spenden für den
Wiederaufbau der Garnisonkirche gesammelt und verfügt derzeit &u
uml;ber 5,7
Millionen Euro. 1,5 Millionen Euro davon, die der Versandhausgründers Werner
Otto nur zugesagt hat, sind noch nicht ausgezahlt. Die Stiftung hofft nun,
einen Teil dieser Spendengelder übernehmen zu können. Die TPG hatte sich bis
zuletzt geweigert, das Geld zu überweisen, wenn die Kirche auch für
politische Veranstaltungen genutzt würde. Insbesondere TPG-Chef Max Klaar
hatte sich gegen Beratungen für Kriegsdienstverweigerer, Kirchenasyle,
Homosexuellentrauungen und feministische Theologie im künftigen
Garnisonkirchturm ausgesprochen. Eine Einladung, sich an der neuen Stiftung
zu beteiligen, hat die TPG abgelehnt.
Die Garnisonkirche hat der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. von
1732 bis 1735 für sein Militär bauen lassen. Zweihundert Jahre später, am
21. März 1933, inszenierte NS-Propagandaminister Goebbels rund um die
Garnisonkirche den sogenannten “Tag von Potsdam” als Schulterschluss
preußisch-monarchistischer Konservativer mit den Nationalsozialisten:
Reichspräsident Paul von Hindenburg und der neue Reichskanzler Adolf Hitler
reichten sich dort die Hand. 1945 brannte die Kirche nache einem
Bombenangriff aus. SED-Chef Walter Ulbricht ließ die Ruine als “Symbol des
preußisch-deutschen Militarismus” sprengen.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte am Donnerstag, deutliche Verweise
auf die umstrittene politische Geschichte der Barockkirche sollten mit einer
originalgetreuen Gestaltung einhergehen. Landeskonservator Detlef Karg hatte
sich zuvor gegen einen historisierenden Neubau ausgesprochen.
Neue Chance für Garnisonkirche
“Ruf aus Potsdam” zum Wiederaufbau / Grundsteinlegung im April 2005
(MAZ) POTSDAM Nach langer Diskussion steht nun ein Datum fest: Der Grundstein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche soll am 14. April 2005, genau 60 Jahre
nach der Potsdamer Bombennacht, gelegt werden. Das kündigte die
Stiftungsinitiative für den Wiederaufbau gestern an. Mit einem “Ruf aus
Potsdam” wandte sie sich an die internationale Öffentlichkeit mit der Bitte
um Spenden. Der Aufruf scheint ein Ausweg aus der zweieinhalbjährigen
fruchtlosen Debatte zwischen denen zu sein, die das Geld gesammelt haben,
und denen, die das Grundstück besitzen.
Kirche, Land und Kommune wollen sich in eine “Stiftung Garnisonkirche
Potsdam” einbringen. Dabei soll die Kirche die “Goldene Aktie” haben und die
Inhalte bestimmen, sagte Rheinheimer. Eine “Fremddetermination”, wie durch
die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) versucht, sei “nicht
akzeptabel”. Gleichwohl wäre man über eine “harmonische Zusammenarbeit sehr
glücklich”, sagte Rheinheimer. Bisher gebe es seitens des TPG-Vorsitzenden
Max Klaar kein kategorisches Nein. Der im Jahr 1984 im westdeutschen
Iserlohn von Soldaten gegründete konservative Traditionsverein hatte vor der
Wende im Glauben an die deutsche Einheit mit seiner Sammlung begonnen. Klaar
hat 5,7 Millionen Euro für die von Friedrich Wilhelm I. 1732 geweihte Hof-
und Militärkirche gesammelt, nötig sind 45- bis 50 Millionen.
Das Gotteshaus, dessen wiederaufbaufähige Ruine 1968 aus politischen Motiven
gesprengt wurde, soll in sechs bis acht Jahren innen und außen
originalgetreu rekonstruiert sein, sagte Hans P. Rheinheimer, der
Vorsitzende des Industrieclubs Potsdam. Er hatte Ministerpräsident Matthias
Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und den Vorsitzenden des
Rates der evangelischen Kirchen, Bischof Wolfgang Huber, als Schirmherren
gewonnen. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach sich
gestern für einen historischen Nachbau aus.
Superintendent Bertram Althausen erklärte, ein “Zentrum für Frieden und
Versöhnung” sei wichtigster Punkt im Nutzungskonzept, um sich “in
Kontinuität und Bruch der Vergangenheit zu stellen”. Das Coventry-Nagelkreuz
werde “in Augenhöhe” vor dem Turm angebracht. “Wir haben gelernt, dass die
Wetterfahne mit Adler an der Spitze keine der Versöhnung abgewandte Symbolik
ist”, sagte Althausen. Bischof Huber sagte, Gottesdienst und Gebet würden in
der Kirche wieder die Mitte des Geschehens bilden.
“Wir wollen diese Kirche in ihrer historischen Gestalt neu aufbauen, um sie
in einem neuen, freiheitlichen Verständnis als Ort des Dialogs
wiedergewinnen zu können”, sagte Platzeck. Das Land werde “im Rahmen seiner
Möglichkeiten” dazu beitragen.
Das Projekt Garnisonkirche ist in Potsdams Bevölkerung nicht ganz
unumstritten. Erst im Oktober vergangenen Jahres verübten Unbekannte einen
Anschlag auf das Glockenspiel der Garnisonkirche in der Dortustraße. Dabei
wurden die Glocken mit Bauschaum besprüht. V.Kl./red
Spenden gehen an den Evangelischen Kirchenkreis, Mittelbrandenburgische
Sparkasse, Konto-Nr. 350 3011 888, Bankleitzahl 160 50000, Verwendungszweck:
Wiederaufbau Garnisonkirche.
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