Betroffen und stumm stehen acht Schüler vor der Guillotine im ehemaligen
Zuchthaus Brandenburg. In Vorbereitung ihrer Jugendfeier wollten sie die
Dokumentationsstelle in der heutigen JVA besuchen. Neben vielen Erwachsenen
führen der Geschichtslehrer Thomas Reichel und eine Kollegin pro Monat mehr
als 300 Jugendliche durch die vor 30 Jahren eröffnete Gedenkstätte, die seit
1993 zur Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten gehört.
2743 Männer wurden dort zwischen 1940 und 1945 hingerichtet. 1691 starben
durchs Fallbeil, die letzten zynischerweise an Hitlers letztem Geburtstag am
20. April 1945. “An manchen Tagen wurde im Zwei-Minuten-Takt hingerichtet”,
sagt Reichel und spricht von einem “grausamen Ort”, während die Jugendlichen
auf die Tötungsmaschine mit der Auffangwanne für Köpfe starren.
Am 27. April 1945 wurde das Zuchthaus, in dem auch Erich Honecker und Robert
Havemann inhaftiert waren, von der Roten Armee befreit. Anlässlich des 60.
Jahrestages lädt die Stiftung am morgigen Sonntag um 12 Uhr zu einer
Gedenkveranstaltung. Während dieser ist erstmals eine neue Dokumentation zu
sehen, die Thomas Reichel gemeinsam mit dem Brandenburger Grafiker Hartmut
Hilgenfeldt erarbeitet hat.
Drei gut drei Meter hohe Tafeln wurden an einer Wand der kleinen
Gedenkstätte angebracht. Sie erläutern die Geschichte des Zuchthauses auf
dem Görden, das nach Berlin-Plötzensee die zweitgrößte Hinrichtungsstätte
der Nazis war und später zu einer der gefürchtetsten Haftanstalten der DDR
wurde. Sie zeigen historische Aufnahmen, Originaldokumente sowie Fotos der
Inhaftierten, die stellvertretend für die Opfer aus 17 €päischen Ländern
stehen, etwa den 1944 geköpften Kirchmann Max Josef Metzger. “Die Stiftung
wollte eine ausgewogenere Darstellung der Geschichte des Zuchthauses,
bislang wurde der kommunistische Widerstand stark betont”, erklärtThomas
Reichel die Neuerung.
Aus Anlass des 60. Jahrestages der Zuchthaus-Befreiung werden morgen um 10
Uhr am Sowjet-Ehrenmal in der Steinstraße und um 11 Uhr am Nordaufgang des
Marienberges ebenfalls Gedenkveranstaltungen stattfinden.