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Antifaschismus

Gedenken an Emil Wendland

Am 07.Juli 2012 wurde die Gedenkkam­pagne an Emil Wend­land unter dem Mot­to „Nie­mand ist vergessen“ mit ein­er Demon­stra­tion durch Neu­rup­pin been­det. Wend­land wurde am 01.Juli 1992 im Neu­rup­pin­er Rosen­garten von ein­er Gruppe Neon­azis bru­tal ermordet. Die Nazis woll­ten einen „Pen­ner klatschen“, der in ihren Augen „unwertes Leben“ war.

Das Gedenken an Emil Wend­land fand viele Jahre nicht oder nur durch linke Jugendliche statt. Auch das Gedenken zum 20. Todestag geht auf die Ini­tia­tive von jun­gen Antifas aus dem Jugend­Wohn­Pro­jekt „Mit­ten­Drin“ (JWP) zurück.

Zur Demo selb­st kamen, trotz strö­men­dem Regen etwa 70 Per­so­n­en – über die Hälfte waren Antifas aus Berlin und Umge­bung. Die lokale Beteili­gung beschränk­te sich auf Mitglieder_Innen des JWPs, sowie Mitglieder_Innen der DKP und eini­gen Einzelper­so­n­en. Vertreter_Innen des lokalen Aktions­bünd­niss­es gegen Rechts waren nicht anwesend.

Auf der Demo sprach die „Opfer­per­spek­tive“ und erin­nerte an die zahlre­ichen Morde an sozial-mar­gin­al­isierten Men­schen in Bran­den­burg seit 1990. Die all­ge­meine Gle­ichgültigkeit am Schick­sal Emil Wend­lands und anderen sozial aus­ge­gren­zten Men­schen hat ihre Ursache in zutief­st verin­ner­licht­en, kap­i­tal­is­tis­chen Denk- und Hand­lungsmustern. Durch alltägliche Konkur­renz und Wet­tbe­werb find­et eine Entsol­i­darisierung zwis­chen den Men­schen statt. Die Angst vor dem eige­nen sozialen Abstieg find­et Aus­druck in der Abw­er­tung von sozialen Rand­grup­pen (Woh­nungslose, Arbeit­slose, Migrant_Innen etc.), denen die Schuld für die eigene missliche Lage gegeben wird. Let­ztlich wird den Men­schen ein Wert zuge­ord­net, der sich an deren Pro­duk­tiv­ität im Sinne von Lohnar­beit misst – wer nichts leis­tet ist nichts wert. Solche Posi­tio­nen sind nicht nur am Stammtisch ver­bre­it­et, son­dern find­en auch Aus­druck in Aus­sagen von Vertreter_Innen der soge­nan­nten „gesellschaftlichen Mitte“ z.B. wenn Franz Mün­te­fer­ing (SPD) sagt: „Nur wer arbeit­et, soll auch Essen“. Diesem Sozial­dar­win­is­mus des Wortes fol­gt ein Sozial­dar­win­is­mus der Tat, welch­er sich in Aus­gren­zung und Gewal­tan­wen­dung gegen Rand­grup­pen äußert.

Auch ein Vertreter der Gedenk­ini­tia­tive an Dieter Eich fand deut­liche Worte, etwa gegen die Ver­logen­heit der Herrschen­den, die bemüht sind, das Gedenken an Opfer rechter Gewalt zu auszublenden, die Hin­ter­gründe zumeist bestre­it­en bzw. klein reden und sich dann wenn es sich nicht mehr ver­mei­den lässt, „an die Spitze der Bewe­gung“ set­zen. Gle­ich­wohl würde es wohl nir­gends in Deutsch­land Gedenken an Opfer rechter Gewalt geben, wenn sich Antifaschist_Innen nicht dafür stark machen wür­den. Deswe­gen ist es auch nicht wichtig, wie viele Men­schen sich tat­säch­lich an einem Gedenken beteili­gen, son­dern vielmehr, dass über­haupt ein Gedenken stat­tfind­et! Antifaschis­mus funk­tion­iert nur ohne den Staat.

Eben­so kri­tisierte der Sprech­er, die fak­tis­che Zen­sur der aufgestell­ten Gedenk­tafel für Emil Wend­land durch die Stadtver­wal­tung. Gestrichen wur­den die bei­den let­zten Sätze, welche die gesellschaftliche Ursachen der Tat benen­nen und zum Wider­stand dage­gen aufrufen. Denn obwohl es einen Wohungsleer­stand gibt, wer­den Men­schen gezwun­gen auf der Straße zu leben.

Die Glücksver­sprechen der kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft gel­ten eben nicht für alle, denn ihr Ziel ist nicht die Bedürfnis­be­friedi­gung aller Men­schen, son­dern die Prof­it­max­imierung Einzelner.

Kam­pag­ne­nauswer­tung

Eine abschließende Ein­schätzung kön­nen wir noch nicht vornehmen. Eine vor­läu­fige Gesamtwer­tung fällt aber „durchwach­sen“ aus. Zwar war es möglich, den Mord durch eine bre­ite Öffentlichkeit­sar­beit wieder in das Gedäch­nis der Bevölkerung zu rufen, denn mehr als ein­mal beka­men wir zu hören: „Was? In Neu­rup­pin wurde schon ein­mal jemand durch Nazis ermordet?“. Eben­so kon­nten wir durch unsere Recherche ein Bild von Emil Wend­land find­en und eine Gedenk­tafel am Ort der Ermor­dung durchsetzen.

Allerd­ings blieb die Beteili­gung an den Infover­anstal­tun­gen im Vor­feld, etwa zu Ros­tock-Licht­en­hagen und den Hin­ter­grün­den des Mordes an Wend­land, weit hin­ter den Erwartun­gen zurück. Auch an der Gedenkkundge­bung am 01.Juli 2012 nah­men nur etwa 35 Men­schen teil.

Am Geeignesten für eine Ein­schätzung der Rel­e­vanz bzw. Wirkung der Kam­pagne sind wohl die kurzen Gespräche am Rande der Demo, als an Passant_Innen Fly­er verteilt wur­den. Etwa die Hälfte war unserem Anliegen gegenüber aufgeschlossen und befür­wortete ein Gedenken. Die restlichen Ange­sproch­enen reagierten gle­ichgültig bis ablehnend.

Faz­it

Es bleibt zu sagen, dass es wichtig ist, an Opfer rechter Gewalt zu erin­nern, die Täter und den gesellschaftlichen Rah­men zu benen­nen (eben nicht nur die Nazis, die für den jew­eili­gen Mord in let­zter Kon­se­quenz ver­ant­wortlich sind) und eine antifaschis­tis­che Gedenkkul­tur zu etablieren, die über ein bürg­er­lich­es Gedenken hin­aus­ge­ht. Allerd­ings müssen wir dabei in Kauf nehmen, dass eine Poli­tisierung allein durch ein Gedenken nicht stat­tfind­en wird.

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