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Antifaschismus

Gedenken an Rolf Schulze

Als ein Angler den toten Rolf Schulze am 7. Novem­ber 1992 am Kolpin­see, wenige Kilo­me­ter östlich der Gemeinde Kloster Lehnin (Land­kreis Pots­dam-Mit­tel­mark), fand, muss die Leiche einen grauen­vollen Ein­druck hin­ter­lassen haben. Eine fünf Kilo­gramm schwere Propan­gas­flasche war, so hielt es das Gericht später fest, auf seinen Kopf gewor­fen wor­den. Zahlre­iche Prel­lun­gen, Quetschun­gen und Platzwun­den, zeugten von den Ein­wirkun­gen der Tritte mit Springer­stiefeln, Wass­er im Kör­p­er vom Tod durch Ertränken und Brand­wun­den von einem Ver­tuschungsver­such durch Anzün­den des leblosen Leibes.
Trotz­dem kon­nten die Täter damals ver­hält­nis­mäßig schnell ermit­telt wer­den. Es waren drei (Neo)nazis, Mit­glieder der am 27. Novem­ber 1992 ver­bote­nen „Nation­al­is­tis­chen Front“ (NF) und der „Schöne­felder Sturmtrup­pen“, die in Diskotheken mit dem Mord geprahlt hat­ten. „Sie woll­ten“, so die Angeklagten, „auf dem Bahn­hof Schöne­feld (Land­kreis Dahme Spree­wald) auf Patrouille gehen und ´Pen­ner´ ver­scheuchen“. Dabei trafen sie auf den obdachlosen Rolf Schulze, der dort auf ein­er Park­bank schlief. Die (Neo)nazis lock­ten ihn in ihr, zuvor gestohlenes Auto und fuhren damit auf die Auto­bahn, in Rich­tung West­en, bis zur Abfahrt Lehnin. Von dort aus ging es dann zum Kolpin­see, wo die drei Täter Rolf Schulze zunächst bru­tal zusam­men­trat­en, mit der Gas­flasche mal­trätierten, ertränk­ten und schließlich anzün­de­ten.
Obwohl dieser Mord ein­er der weni­gen Fälle in der Bun­desre­pub­lik ist, der auch von den Sicher­heits­be­hör­den als Todes­opfer (neo)nazistischer Gewalt anerkan­nt wird, hat ein wirk­lich­es Gedenken an Rolf Schulze bish­er nie stattgefunden.

Gedenkkundge­bung in Lehnin

Unter dem Mot­to „Nie­mand ist Vergessen“ ver­sam­melten sich deshalb am gestri­gen Abend, erst­mals nach 20 Jahren, ca. 50 Men­schen auf dem Mark­grafen­platz in Kloster Lehnin um dem Toten wieder ein Gesicht zu geben und gegen gesellschaftliche Ten­den­zen zu mah­nen, die solche Morde ermöglichen.
In einem Rede­beitrag legte Judith Porath vom Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V. d, dass „die Täter (…) an gesellschaftlich tief ver­ankerte neg­a­tive Vorurteile gegenüber Woh­nungslosen, Alko­holkranken und Langzeitar­beit­slosen sowie Men­schen mit Behin­derun­gen“ anknüpfen. „In aktuellen Stu­di­en zu Ein­stel­lun­gens­mustern in der Bevölkerung“, so Porath weit­er, „äußerte jed­er 10. Befragte Zus­tim­mung zur sozial­dar­win­is­tis­chen Aus­sage „Es gibt wertes und unwertes Leben“. „38 Prozent der Befragten“ wür­den außer­dem „Obdachlose in Städten“ als „unan­genehm“ empfind­en, „30 Prozent“ seien sog­ar „der Mei­n­ung“, dass „die meis­ten Obdachlosen (…) nur arbeitss­cheu“ sind. Diese deut­liche Ten­denz der Entsol­i­darisierung und sozialen Kälte, habe in den let­zten Jahren zu genom­men, so die Sprecherin der Opfer­per­spek­tive, sog­ar bei „Men­schen die son­st viel Wert auf Würde des Men­schen und die Achtung der Men­schen­rechte leg­en“.
Diese gesellschaftliche Ablehnung ist der Res­o­nanz­bo­den für die kör­per­lichen Angriffe, die über­durch­schnit­tlich hoch mit dem Tod eines Men­schen enden.“, so Porath tre­f­fend. Die Opfer­per­spek­tive e.V. fordere deshalb ein entschlossenes Ent­ge­gen­treten gegen „rechte Ide­olo­gien“.
Gle­ichzeit­ig bekräftigte Porath auch die Forderung des Vere­ins nach offizieller Anerken­nung aller Todes­opfer (neo)nazistsicher Gewalt.
Ein Vertreter des Antifaschis­tis­chen Net­zw­erkes [AFN] regte in seinem Rede­beitrag zudem ein regelmäßiges Gedenken an Rolf Schulze in Lehnin an. Auch eine Gedenkplat­te, ähn­lich wie die für Sven Beuter in Bran­den­burg an der Hav­el oder die für Emil Wend­land in Neu­rup­pin wäre in näher­er Zukun­ft vorstell­bar.
Pos­i­tiv aufgenom­men wurde das Gedenken von Schüler_innen und Vertreter_innen der Partei Die.Linke aus der Gemeinde. In einem Rede­beitrag eines Parteim­it­gliedes wurde die Idee ein­er weit­er­führen­den Erin­nerungsar­beit, möglicher­weise auch als Schul­pro­jekt, aus­drück­lich begrüßt.
Die Kundge­bung endete mit ein­er Schweigeminute zum Gedenken an Rolf Schulze.

Sol­i­dar­ität­skonz­ert in Bran­den­burg an der Havel

Am Fre­itag, dem 9. Novem­ber 2012, find­et im Bran­den­burg­er „Haus der Offiziere“ (HdO) ab 20.00 Uhr das zweite Sol­i­dar­ität­skonz­ert des Antifaschis­tis­chen Net­zw­erkes [AFN] statt. Ein Teil der Ein­nah­men soll dabei an eine Gedenk­ini­tia­tive gehen, die sich für eine würdi­ge Erin­nerung an Rolf Schulze einsetzt.

Presse­fo­tos:

[1.] http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157631956191694/ (07.11.2012)

Weit­ere Presseartikel zum Thema:

[2.] http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12420254/61009/Kundgebung-in-Lehnin-erinnerte-gestern-Abend-an-einen.html (08.11.2012)

[3.] http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12417681/61009/Antifaschisten-erinnern-in-Lehnin-und-Brandenburg-an-Mordtat.html (03.11.2012)

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