Programm 21. April 2002:
12:00h: Busfahrt von Berlin (Rosa-Luxemburg-Platz) nach Oranienburg
13:30h: Treffpunkt für alle Angereisten am “Turm A” auf der Gedenkstätte
14:00h: Dezentrales Gedenken einzelner nationaler Verbände und Opfervertretungen an unterschiedlichen Orten auf dem Gelände
15:00h: Zentrale Gedenkveranstaltung an der “Station Z”
16:00h: Führungen/Gespräche mit:
Karl Stenzel (ehemaliger politischer Häftling, KPD)
Mark Tilewitsch (ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener)
Zdzislaw Jasko (ehemaliger polnischer Häftling)
Wolfgang Wippermann (Historiker) wird die neu eröffnete
Speziallagerausstellung vorstellen.
17:30h: kleiner Empfang des Internationalen Sachsenhausen-Komitee
gegen 18.30h: Rückfahrt
Anreise:
ab Berlin:
entweder mit Bus,
Anmeldung per email: sachsenhausen2002@hotmail.com (bitte unbedingt
Telefonnummer angeben!)
oder mit S‑Bahn
(S1): ab Berlin-Friedrichstr. 12:09h, Oranienburg an 12:55h
ab Potsdam:
Treffen 11.30 Uhr Hauptbahnhof
Das KZ Sachsenhausen
Aufruf:
Bis die Rote Armee am 22. April 1945 das KZ Sachsenhausen befreite, waren
etwa 100 000 von insgesamt 200 000 Häftlingen tot: sie starben an gezielten
Vernichtungsaktionen und willkürlichem Terror der SS, bei mörderischer
Zwangsarbeit in den unzähligen Außenlagern und Betrieben oder schlicht an Hunger,
Kälte und Krankheit als Folge der barbarischen La-gerzu-stände.
Beispielhaft für das politische Anliegen der Überlebenden der deutschen
Konzentrations- und Vernichtungslager steht der Schwur, den die befreiten
Häftlinge des KZ-Buchenwald in sechs €päischen Sprachen ablegten:
?Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau
einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal. Dies
schulden wir unseren ermordeten Kameraden und ihren Familien.?
Das Internationale Sachsen-hausen-Komitee, die Organisation der überlebenden
Häftlinge Sachsenhausens und deren Angehörigen, kommt jedes Jahr zum Tag der
Befreiung in der Gedenkstätte Sachsenhausen zusammen. Sie erinnern die
Jüngeren an ihr antifaschistisches Vermächtnis und gedenken der Ermordeten.
Beteiligt euch am Jahrestag der Befreiung in Sachsenhausen! Solidarität mit
den Überleben-den der nationalsozialistischen Barbarei!
FreundInnenkreis Sachsenhausen
Foto aus Sachsenhausen, gefunden bei einem SSler
Das KZ Sachsenhausen
Ab 1936 wurde in Oranienburg, nördlich von Berlin, das KZ Sachsenhausen als
erstes modellförmiges Konzentrationslager Deutschlands errichtet. Es war
geplant als “KZ der Reichs-hauptstadt”.
Unter den anfänglich vielen politischen Häftlingen waren vor allem
Kommunisten, die einen breiteren aktiven Widerstand gegen den NS zu leisten
versuchten. Andere wurden aus sozialdarwi-nistischen Gründen als “Asoziale” und
“Berufsverbrecher” inhaftiert. Sinti und Roma, Homo-sexuelle und Zeugen Jehovas
wurden zu weiteren Opfergruppen gemacht. Nach der Reichspogromnacht wurden im
No-vember 1938 Tausende Berliner Juden nach Sachsen-hausen verschleppt. Die
meisten sollten zu dieser Zeit noch mit ihren Familien zur Ausreise gezwungen
werden, ihr Eigentum wurde ? zum Nutzen der Volksgemeinschaft — “arisiert”.
Später wurden jüdische, aber auch andere Häftlinge in die Vernichtungslager in
Polen de-portiert, schließlich das KZ Sachsenhausen für “judenrein” erklärt.
Die größte Vernichtungs-aktion der SS in Sachsenhausen selbst war die
Erschießung von über 10 000 sowjetischen Kriegsgefangenen im Herbst 1941. Nach den
deutschen Vernichtungsfeldzügen in Osteu-ropa und den Überfällen auf
west€päische Länder machten deutsche Häftlinge nur noch eine Minderheit aller
Häftlinge in Sachsenhausen aus. Die Stadt Oranienburg wurde im Laufe der Jahre
zum zentralen Stützpunkt und Ausbildungsort der SS, erhielt zeitweise den
Beinamen “Stadt der SS” und beherbergte seit 1938 die “Inspektion der
Konzentrationslager”, die Verwaltungszentrale (fast) aller Konzentrations- und
Vernichtungslager NS-Deutschlands. Hier saßen die Schreibtischtäter, die z.B. die
Belieferung des Lagers Auschwitz mit Zyklon B koordinierten. Aber auch die
örtliche Bevölkerung beantragte hier die Zuweisung von Zwangsarbeitern aus
dem KZ Sachsenhausen für den Ernteeinsatz oder in kleinen Betrieben. Daneben
verfügte das Stammlager Sachsenhausen über etwa 100 Außenlager (darunter z.B.
Falkensee, Lieberose/Jamlitz), die direkt an SS-eigenen, zumeist aber
privaten Unternehmen angeschlossen waren. Unter anderem bei Siemens, AEG,
Daimler-Benz und IG Farben mussten KZ Häftlinge Zwangsarbeit leisten: “Vernichtung
durch Arbeit”.
Von insgesamt 200 000 Häftlingen des KZ Sachsenhausen wurden etwa 100 000
ermordet .
Ein Überlebender
Zur bundesdeutschen Erinnerungspolitik
Die Absicht […], die Verbrechen des Faschismus und die Handlungen der
sowjetischen Besatzungs-macht im Rahmen der zwischen den Siegermächten
vereinbarten Politik der Entnazifizierung und Demilitarisierung auf eine Stufe zu
stellen, ist nicht zu rechtfertigen. Solche Versuche laufen letztlich auf eine
Reinwäsche der Untaten von Nazi-Verbrechern hinaus.?
(Der Sprecher des russischen Außenministeriums am 9. Dezember 2001 in Moskau
zur Eröffnung der neuen Speziallager-Ausstellung in der Gedenkstätte
Sachsenhausen)
Die Wiedervereinigung 1990 bewirkte eine radikale Umgestaltung der
Gedenkstätte Sach-senhausen an die neuen Verhältnisse. Die DDR berief sich auf die
Perspektive der Überle-benden und pflegte ein antifaschistisches
Staatsverständnis. Der Antifaschismus deutscher Kommunisten war jedoch ignorant gegenüber
der Spezifik der Shoah und anderen Opfer-gruppen. Auch bot er den Angehörigen
der NS- Volksgemeinschaft eine allzu leichtfertige Entlastung durch ihre
Aufnahme ins antifaschistisch — sozialistische Kollektiv. Dennoch bezog die DDR
zurecht ihre Legitimation aus dem antifaschistischen Kampf ihrer Gründer und
berief sich auf einen radikalen Bruch mit dem NS.
Dagegen herrschten in der BRD vielfältige personelle Kontinuitäten in Staat
und Wirtschaft, strikter Anti-kommunismus und eine Abwehr der Erinnerung. Der
“antitotalitäre Konsens” als Staatsdoktrin setzte und setzt unter dem
Begriff der Diktatur den Realsozialismus mit dem Nationalsozialismus gleich und
relativiert damit die deutsche Massenvernichtungspolitik. “Antifaschismus” galt
und gilt in dieser Republik als kommunistischer Unterwanderungsversuch und
ist damit ein Fall für den Verfassungsschutz. Das mussten auch immer wieder
Verbände von NS-Opfern erfahren.
Ab 1990 wurden die KZ-Gedenkstätten der ehemaligen DDR im Sinne des
antitotalitären Konsens umgestaltet und der Antifaschismus der DDR als
“instrumentell” und “verordnet” denunziert.
In Sachsenhausen musste sich das Internationale Sachsenhausen-Komitee
vehement da-gegen wehren, dass nun auch auf dem Gelände des ehemaligen KZ
Sachsenhausen den von sowjetischer Besatzungsmacht internierten Nazis gedacht würde.
Das Museum zum Speziallager Nr.7/Nr1 wurde dennoch im Dezember 2001 eröffnet.
Zunehmender Antisemitismus, einhergehend mit der Uminterpretation deutscher
Täter zu Opfern, die eine positive Bezugnahme auf Geschichte auch im Land der
Täter wieder möglich erscheinen lässt, zeichnen die “Berliner Republik”
aus. Krieg wird heute nicht mehr trotz, sondern wegen Auschwitz geführt.
Den Überlebenden der
deutschen Vernichtungspolitik die Deutungsmacht über
ihr Leiden!
Deutsche Täter sind keine Opfer!
Modell der “Station Z”
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