Der Internationale Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wird
möglicherweise die Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der Befreiung vom
NS-Regime boykottieren. Grund: Die Verwaltung schiebe das Bemühen, in der
Stadt eine Dokumentationsstätte einzurichten, “auf die lange Bank”.
“Wir versuchen seit mehr als zehn Jahren, ein geeignetes Gebäude zu finden,
uns reicht es jetzt”, sagte der Vorsitzende Thomas Lutz gestern dem
Stadtkurier. Auslöser des Unmuts ist eine Tagung der
Friedrich-Naumann-Stiftung am kommenden Montag im Brandenburger Theater.
Unter dem Motto “Schlanke Verwaltung, üppige Kultur?” soll die Kulturpolitik
in der Stadt öffentlich diskutiert werden. Dass das Thema Gedenkstätte in
dieser Veranstaltung zwei Wochen vor dem 60. Jahrestag “in keiner Weise”
aufgegriffen wird, “verstärkt den Eindruck ein weiteres Mal, dass es keine
nachhaltige Bereitschaft gibt, sich in Brandenburg mit der Geschichte der
NS-Verfolgung auseinander zu setzen”, so Lutz und spricht von Brüskierung,
zumal der Beirat nicht eingeladen wurde.
Eine Gedenkstätte sei für die Stadt eine kulturpolitische Aufgabe, etwa weil
in Brandenburg die erste Gaskammer stand. Zudem sei das Zuchthaus nach dem
Krieg und zur DDR-Zeit ein wichtiger Haftort gewesen.
Vor einiger Zeit war der Stiftung das Gebäude der Verwaltung Neuendorfer
Straße 90 angeboten worden. Im Frühjahr 2004 wurde der Plan aber fallen
gelassen, weil kein neues Verwaltungshaus auf dem Neustadt Markt gebaut
wird. “Dann hat uns die Oberbürgermeisterin die Brennaborhöfe
vorgeschlagen”, sagt der Beiratschef, “damit hätten wir leben können, aber
Ende 2004 sagte uns Herr von Kekulé, das ginge nicht. Seither haben wir
nichts mehr von der Stadt gehört.” Der Beirat habe mehrfach versucht, mit
der Stadtspitze zu sprechen. “Frau Tiemann schickt aber immer nur
liebenswürdige Briefe, in denen sie mitteilt, dass sie gerade keine Zeit
hat. Zuletzt hat sie uns einen Termin im Herbst vorgeschlagen”, sagt Lutz.
Dietlind Tiemann (CDU) war gestern Nachmittag außerhalb der Stadt unterwegs
und kannte deshalb nach Auskunft von Stadtsprecher Norbert Plaul den erst
nachmittags eingegangenen Brief der Stiftung nicht. Sie ließ ausrichten, die
Verwaltung habe der Stiftung Angebote unterbreitet. “Und die Aufarbeitung
der Geschichte in der Stadt als solche in Abrede zu stellen, ist nicht
nachvollziehbar”, so Plaul.
Auch die Naumann-Stiftung zeigt sich irritiert. “Ich verstehe diesen Brief
nicht. Wir haben vor, etwas Gutes zu machen, ohne in die Entscheidungen der
Verwaltung einzugreifen”, sagt Wolfgang Glaeser, Leiter des Regionalbüros
Brandenburg. Der Beirat sei versehentlich nicht eingeladen worden. “Das habe
ich inzwischen nachgeholt und mich entschuldigt. Und Herr Lutz darf bei der
Tagung selbstverständlich reden”, sagt Glaeser.
Der Beiratschef will zwar zur Tagung kommen, beim 60. Jahrestag aber bleibt
er hartnäckig. “Wenn uns die Stadt keine Perspektive für eine Gedenkstätte
gibt, nehmen wir nicht an der Veranstaltung teil”, sagt er, “die
Überlebenden würden die Gedenkstätte gern noch erleben, uns läuft die Zeit
weg.”