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Gefahrenzone

Im Fußball­som­mer ent­bran­nte eine Debat­te über No-go-Areas für afrikanis­che Gäste. Kön­nen sich Men­schen mit dun­kler Haut in Ost­deutsch­land tat­säch­lich nicht mehr frei bewe­gen? Ist der Hass auf alles Fremde ein Teil der dor­ti­gen All­t­agskul­tur gewor­den? Gehört der Osten noch zum West­en? Fünf Mitar­beit­er des SZ-Mag­a­zins haben mehrere Monate recher­chiert. Her­aus­gekom­men ist ein bestürzen­der Erfahrungs­bericht, zusam­menge­set­zt aus 22 Stim­men. Und die Erken­nt­nis, dass 16 Jahre nach der Wiedervere­ini­gung Teile des Ostens zu einem anderen Land gewor­den sind. 

1. All­t­ag der Diskriminierung

Amani Bohous­sou, 34, Elfen­beinküste, seit 5 Jahren in Erfurt, Dok­torand der Sprachwissenschaften. 

Ich erin­nere mich noch an meinen ersten Abend in Erfurt. Eine deutsche Fre­undin aus Biele­feld, wo ich als Stu­dent mal gewohnt hat­te, lud mich zum Aben­dessen ein. Beim Abschied sagte sie: »Pass auf dich auf, Amani. Du bist jet­zt nicht mehr in Biele­feld.« Ich war sehr beun­ruhigt und hat­te keine Ahnung, wovon sie sprach. Denn ich hat­te zu Hause zwar im Geschicht­sun­ter­richt gel­ernt, dass Deutsch­land lange Zeit geteilt gewe­sen war. Aber nie­mand hat­te mir erzählt, dass es noch heute riesige Unter­schiede zwis­chen Ost und West gibt. Bald wusste ich aber Bescheid. 

Noah Sow, 32, Mod­er­a­torin und Sän­gerin, in Deutsch­land geboren. 

Als ich das erste Mal aus mein­er Heimat­stadt Ham­burg nach Ros­tock fuhr, hat man mir viele Ratschläge gegeben: im West­en vol­lzu­tanken, nicht über­all auszusteigen, die Hotelz­im­mer mit den Kol­le­gen nebeneinan­der und den Weg zum Hotel nur in Begleitung eines Secu­ri­ty-Mannes zu nehmen. Ich bin dann mit dem Zug gefahren. Eigentlich sollte mich jemand am Bahn­hof abholen, aber kaum war ich angekom­men, hat­ten mich schon sechs Glatzen umringt. Zum Glück hat­te ich einen großen Hund dabei. Beim Eincheck­en im Hotel hieß es: Kein Zim­mer frei. Erst eine weiße Kol­le­gin kon­nte den »Irrtum« beheben. 

Asumaila Atoude, 31, Togo, gedulde­ter Asyl­be­wer­ber in Rathenow. 

In den fünf Jahren, in denen ich hier lebe, habe ich noch nie jeman­den aus Rathenow ken­nen­gel­ernt. Ob wir auch manch­mal in die Dis­co gehen? Ver­giss es. Ich bin nur ein einziges Mal hin. Und weißt du, warum? Weil dort ein­mal alle zwei Monate ein »Black Music«-Abend stat­tfind­et, die machen da auch Wer­bung in der Stadt, und es ste­ht sog­ar auf den Plakat­en, dass Afrikan­er freien Ein­tritt haben. Na ja, da habe ich mich ein­mal überre­den lassen mitzuge­hen. Als wir reingin­gen, fin­gen die ganzen Leute in der Dis­co zu lachen an und sagten alle: »Hey, Bim­bo.« Ich weiß gar nicht, was das bedeutet: »Bim­bo«. Irgend­wann sind wir dann auf die Tanzfläche gegan­gen, meine Fre­unde und ich. Die Tanzfläche war voll in dem Moment, doch als wir da waren, sind auf ein­mal alle Deutschen run­terge­gan­gen. Ein Fre­und meinte noch: »Vielle­icht wollen die alle sehen, wie wir Schwarzen tanzen«, aber das war bes­timmt nicht so. In dem Moment, als wir aufge­hört haben zu tanzen, war die Tanzfläche wieder voll. Da habe ich zu meinen Fre­un­den gesagt: »Kommt, lasst uns gehen.« 

Chi­ma Onyele, 29, lebt als Musik­er in Frank­furt, in Deutsch­land geboren. 

Was Uwe-Karsten Heye da vor der WM ange­sprochen hat mit den »No-go-Areas«, das weiß ich schon seit zehn Jahren. Man geht ein­fach nicht nach Berlin-Marzahn und macht die Probe aufs Exem­pel. Man macht keine Zwis­chen­stopps auf der ICE-Strecke nach Leipzig und man nimmt im Osten keinen Bummelzug. 

Ade Ban­tu, 36, Nige­ria, Pro­duzent und Musik­er in Köln, in Deutsch­land seit 1986. 

Wenn ich in Ost­deutsch­land aus der Bahn aussteige, halte ich immer fünf bis zehn Meter Abstand zu den Gleisen. 

Peter Law­son, Sier­ra Leone, lebt als gedulde­ter Asyl­be­wer­ber in Prenzlau. 

Hier in Pren­zlau ist es so: Jedes Mal, wenn du raus­gehst, passiert etwas. Und zwar nicht ein‑, zweimal am Tag, son­dern die ganze Zeit. Man über­legt sich wirk­lich, über­haupt noch auf die Straße zu gehen. Eigentlich gehen wir nur noch raus, wenn wir wirk­lich müssen, zum Einkaufen oder zum Sozialamt. 

Lina Schäfer*, 30, Sene­gal, Haus­frau, seit 6 Monat­en in Dresden. 

Aus Vor­sicht gehe ich nachts nicht auf die Straße, das macht hier kein Afrikan­er – das wäre ein­fach viel zu gefährlich. Im Sene­gal bin ich nachts immer auf die Straße gegan­gen, aber der Sene­gal ist auch nicht so gefährlich wie Deutsch­land. Manch­mal lauert mir ein­er auf, an der Tram­bahn­hal­testelle, am Kinder­garten oder auch vor meinem Haus. Er star­rt mich an und zis­cht mir Dinge zu. Weil ich noch nicht so gut Deutsch spreche, hat mir mein Mann einen Zettel geschrieben: »Lass mich in Ruhe oder ich hole die Polizei!«, ste­ht da drauf. Den trage ich jet­zt immer bei mir. 

Tch­bo­di Kod­jo*, 26, Togo, lebt seit 6 Jahren in Magdeburg. 

Eben ger­ade, als ich hier von der Bushal­testelle zum Inter­viewter­min kam, stand eine Mut­ter mit ihrer Tochter, so elf Jahre alt, auf dem Balkon. Bei­de macht­en Affengeräusche, als ich vor­beig­ing, »huhuhuhu« haben sie mir nachgerufen. 

Amani Bohoussou 

Am schlimm­sten ist es in der Straßen­bahn. Ich sage immer: In Erfurt bin ich der König der Tram. Wenn ich in einem Vier­erabteil sitze, bleibe ich da allein – egal, wie voll der Wagen ist. Es gibt natür­lich auch viele nette und hil­fs­bere­ite Men­schen hier. Meis­tens sind die aber schon mal im Aus­land gewe­sen. Vorurteile haben eben viel mit Igno­ranz zu tun. Die Men­schen, die Vorurteile gegen mich haben, ken­nen oft nicht mal Berlin. 

Asumaila Atoude 

Baden gehen wir im Som­mer auch nicht, obwohl es hier viele schöne Seen gibt. Ich habe mal von jeman­dem aus unserem Heim gehört, der war in einem Freibad hier in der Nähe. Als er ins Schwimm­beck­en reing­ing, sind sofort alle aus dem Beck­en raus. 

Mouc­tar Bah, Guinea, lebt in Berlin und Dessau. 

Ich bin vor eini­gen Jahren von Berlin nach Dessau gekom­men wegen eines Call­cen­ters, das ich dort eröffnet habe. In dem Laden habe ich auch Oury Jal­loh aus Sier­ra Leone ken­nen­gel­ernt, der dort oft mit sein­er Mama tele­foniert hat. Jal­loh ist ja, das stand viel in der Zeitung, am 7. Jan­u­ar 2005 in ein­er Zelle im Polizeire­vi­er in Dessau ums Leben gekom­men. Er war abends ver­haftet wor­den, weil er ange­blich auf der Straße Frauen belästigt hat­te, und ist dann im Keller auf ein­er Pritsche, auf der er fest­geschnallt war, ver­bran­nt. Es hieß, er habe es trotz der Fes­seln geschafft, sich sel­ber anzuzünden.

Da es mir und anderen sein­er Fre­unde nicht so klar war, wie Jal­loh ums Leben gekom­men ist, haben wir ver­sucht, das her­auszufind­en. Zuerst sind wir zur Polizei gegan­gen, aber nie­mand kon­nte uns nähere Auskun­ft geben. Wir haben dann gesagt: Okay, jet­zt schal­ten wir einen Anwalt ein. Und ich habe mich dann ein Jahr lang richtig mit der Sache beschäftigt, habe Demos organ­isiert, viel mit Medi­en gesprochen und so.

Wie ich vorhin gesagt habe, habe ich ja dieses Call­cen­ter in Dessau geführt. Jeden­falls habe ich dann im Feb­ru­ar 2006 einen Brief vom Ord­nungsamt Dessau bekom­men, dass ich den Laden zumachen muss. Sie sagten, ich hätte Dro­gen­deal­er in meinem Laden geduldet. Diese Anschuldigun­gen hat­te es schon mal lang vorher gegeben, ein Jahr vor Jal­lohs Tod. Die Dro­gen­szene war genau in der Straße aktiv, in der mein Geschäft war, und die Polizei hat­te den Laden unter Ver­dacht, aber der Staat­san­walt ließ die Klage fall­en, weil ich nach­weisen kon­nte, dass ich nichts damit zu tun hat­te. Es war dann zwei Jahre ruhig, die Dro­gen­szene war längst aus der Gegend ver­schwun­den, dann kam plöt­zlich der Brief vom Ord­nungsamt. Ich musste im Feb­ru­ar das Gewerbe inner­halb ein­er Woche abgeben. Jet­zt arbeite ich im gle­ichen Call­cen­ter wie vorher, aber als Angestell­ter. Komis­cher­weise war das Probl
em mit den Dro­gen plöt­zlich nicht mehr akut, als das Call­cen­ter an einen anderen Eigen­tümer ging. 

Maria Schöller*, Kenia, lebt als Haus­frau in Dres­den, seit sechs Jahren in Deutschland. 

Ich habe in Frank­furt in ein­er Wäscherei gear­beit­et, und hier in Dres­den habe ich in der Zeitung ein Stel­lenange­bot in ein­er Wäscherei gese­hen. Da habe ich angerufen und der Frau erzählt, dass ich Erfahrung mit dieser Arbeit habe – wir haben einen Ter­min aus­gemacht. Aber als ich bei ihr angekom­men bin, sagt die Frau: »Nein, ich hab keinen Ter­min mit ein­er Afrikaner­in gemacht!« Ich habe gesagt: »Aber wir haben doch miteinan­der gere­det am Tele­fon.« – »Nein, ich habe mit kein­er Afrikaner­in gere­det«, schre­it sie. Da bin ich wieder gegangen. 

Ade Bantu 

Wir waren mit den Brother’s Keep­ers auf Tournee und woll­ten in Pir­na mit ein­er Schulk­lasse disku­tieren. Wir hat­ten aber das Gefühl, dass sich die Schüler nicht frei äußern kon­nten. Es herrschte ein Kli­ma der Angst. Die Nacht zuvor hat­ten Rechte über­all in der Schule Plakate aufge­hängt: »White Ari­an Broth­er­hood against the alien Brother’s Keep­ers«, mit Hak­enkreuz und Ku-Klux-Klan-Sym­bol­en. Ich fühlte mich wie in der Zeit­mas­chine: Mis­sis­sip­pi Burn­ing auf Deutsch. Vor der Schule hörten fünf Neon­azis laut recht­sex­treme Musik. Die Polizei, die zu unserem Schutz mit­gekom­men war, schritt nicht dage­gen ein. 

Vic­to­ria, 16, lebt als Schü­lerin in ihrer Geburtsstadt Pirna. 

Ich mache jet­zt die elfte Klasse in Ameri­ka, in Michi­gan. Der Grund, warum ich dahin wollte, war schon, dass ich mal wegkomme aus Pir­na; in Ameri­ka wohnen ja viel mehr Schwarze als hier. Der Schritt ist aber, glaub ich, auch generell wichtig für meine Per­sön­lichkeit, weil ich hier ein­fach zu hart gewor­den bin, irgend­wie so eine Mauer um mich herum aufge­baut habe, als Selb­stschutz. Weil einem das halt schon alles ziem­lich nahege­ht. Man kann in Pir­na jeden Tag damit rech­nen, dass was passiert. Wenn ich spätabends durch die Gegend laufe, was jet­zt schon hin und wieder vorkommt, dann kann immer ein­er von den Nazis kom­men und einen ver­prügeln. Ich habe in den let­zten Jahren immer alles unter­drückt und habe so getan, wie wenn mich das alles nicht inter­essieren würde, die Gewalt, die Pöbeleien und so. Das hat am Anfang auch geholfen. Im End­ef­fekt war es dann aber über­haupt nicht gut. 

Grund­sät­zlich ist es hier in Pir­na aber schon hart. Wenn ich hier so langge­he – also ich bin jeden Tag darauf eingestellt, dass irgend­was kommt. Ich hab auch keine Lust und keine Kraft dazu, mich damit auseinan­derzuset­zen; es kom­men immer Leute zu mir, die sagen, ich soll die doch mal anzeigen – meine Schwest­er und ich haben schon so viele Anzeigen gemacht früher, das bringt über­haupt nichts, die Polizei macht nichts, da kommt der Angeklagte ein­fach nicht zum Gericht­ster­min, und das Ver­fahren wird dann irgend­wann eingestellt. 

Mein Fehler war, dass ich zu lange alles in mich reinge­fressen, mit nie­man­dem darüber gere­det habe. Ich sag mal so, ich habe lange eine Art Rolle gespielt, in der Schule war ich immer das fröh­liche Mäd­chen. Es kam aber dann alles auf ein­mal aus mir raus, so im Herb­st let­zten Jahres, als ich eine Essstörung gekriegt habe. Ich hat­te mich damals ziem­lich reingesteigert in so ein Buch von Hei­di Klums Fit­ness- und Ernährungstrain­er, David Kirsch, der hat so einen tollen Fit­ness­plan: In 14 Wochen wird man da total toll und nimmt ab, da darf man aber kein Brot essen, keine Kartof­feln, muss auf ganz viel verzicht­en. Das habe ich also gemacht, hab über­legt, was ich über­haupt noch essen darf – und irgend­wann bin ich dann mager­süchtig gewor­den und hab danach auch noch Bulim­ie gekriegt, weil ich entwed­er gar nichts gegessen oder totale Fres­san­fälle bekom­men habe. Meine Mut­ti hat mich dann zu einem Psy­cholo­gen gebracht. Der hat mir schnell geholfen, wir haben einen Essen­s­plan gemacht und so. Und bei dem habe ich dann eigentlich zum ersten Mal über­haupt gel­ernt, über mich zu reden. 

Christi­na Gueye, 28, lebt als Erzieherin in Berlin, in Deutsch­land geboren. 

Ich schicke meine Kinder, drei und elf, seit einiger Zeit ins Judo­train­ing. Ich selb­st habe früher in Dres­den zusam­men mit acht schwarzen Fre­undin­nen Kampf­s­portun­ter­richt genom­men. Das hat uns nach den ganzen Über­fällen auf uns geholfen. 

Peg­gy Fontain­has Mendes, 37, Erzieherin, in Deutsch­land geboren. 

Ich lasse meine Söhne abends nicht allein mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren. Und habe sie zum Kampf­s­port geschickt. Um ihr Selb­st­be­wusst­sein zu stärken. Wer keine Angst hat, das weiß ich von mir selb­st, wird nicht so leicht zum Opfer. 

Abou Souk­er, 33, Kamerun, lebt in Berlin, seit 3 Jahren in Deutschland. 

Ich habe bis zu mein­er Heirat in einem Flüchtling­sheim in Bran­den­burg gelebt, in Bahns­dorf bei Sen­ften­berg. Vom Bahn­hof ist dieses Heim so zwei Kilo­me­ter ent­fer­nt. Es gibt keinen Bus auf dieser Strecke, und die Straße, die zum Heim führt, hat keine Straßen­lam­p­en, das heißt, man geht vol­lkom­men im Dunkeln, wenn man abends dor­thin kommt. Das Heim ist umgeben von einem großen Wald. Das Gebäude sel­ber ist eine alte Mil­itärkaserne, und in dem Wald um das Heim herum gibt es noch lauter Minen. Jed­er Bewohn­er muss, wenn er einzieht, ein For­mu­lar unter­schreiben, dass er darüber aufgek­lärt wurde und nicht in dem Wald rumge­ht. Das ist aber schw­er bei 500 Bewohn­ern und vie­len Kindern, dass das einge­hal­ten wird. Gott sei Dank ist nie was passiert bish­er. Das Heim ist so abgele­gen, dass man es eigentlich nie ver­lässt. Essen und Schlafen, das ist alles. 

Peter Lawson 

Es würde ja auch nie­mand akzep­tieren, dass ein­er aus dem Ort mit einem Aus­län­der befre­un­det ist. Hier, mein Handy, ich zeige dir mal ein paar SMS von einem Mäd­chen, das ich ken­nen­gel­ernt habe, sie arbeit­et beim Roten Kreuz in Pren­zlau. Wir waren eigentlich richtig zusam­men eine Woche, aber dann hat sie plöt­zlich nicht mehr auf meine Anrufe reagiert, und dann schreibt sie plöt­zlich (zeigt die SMS): »Es geht nicht mehr, meine Fam­i­lie und meine Fre­unde machen mir Prob­leme«, jed­er hat­te ein Prob­lem, dass sie die Fre­undin eines Schwarzen war, deshalb hat sie sich von mir getrennt. 

Joy Denalane, 33, Soul­sän­gerin, Berlin, in Deutsch­land geboren. 

Ich fahre zwar bewusst nicht mit öffentlichen Verkehrsmit­teln, aber neulich brauchte mein Mann Max das Auto. Es war abends, ich war bei einem Fre­und am Pren­zlauer Berg im Osten und musste die Ring­bahn nehmen, um heimzukom­men. Die Ring­bahn fährt durch die ganzen Außen­bezirke im Osten und dann zurück in den West­en. Das hat mir über­haupt nicht gefall­en – allein atmo­sphärisch befand ich mich plöt­zlich im Fein­des­land, die Stim­mung hat­te etwas Aggres­sives, mich trafen abschätzige Blicke, und dauernd stiegen Men­schen in Bomber­jack­en und Springer­stiefeln zu. Ich will nicht pauschal­isieren, aber dieses feind­selige Star­ren ist mir im West­en noch nicht begeg­net. Dass nicht mehr passierte, liegt sich­er auch an mein­er Art. Ich bin Berliner­in, kenne die unaus­ge­sproche-nen Straßen­codes und kann mit meinem Blick etwas ausstrahlen, was dem Gegen-über sig­nal­isiert: »Komm mir nicht zu nahe, ich habe keine Angst vor dir.« Die lassen mich dann auch in Ruhe. 

Victoria 

Neuerd­ings kriege ich glück­licher­weise keine Beschimp­fun­gen mehr mit, weil ich immer mit Mp3-Play­er durch Pir­na laufe. Und wenn ich sehe, dass paar Nazis ent­ge­genkom­men, mach ich ein­fach extra laut. 

2. Erfahrun­gen mit Gewalt

Tch­bo­di Kodjo* 

Am 4. Juni 2006 war Stadt­fest in Magde­burg, am »Alten Markt«. Ich habe dort abends auf eine Straßen­bahn gewartet, und weil ich noch zehn Minuten hätte warten müssen, wollte ich weite
r bis zur näch­sten Sta­tion gehen. Da kam eine Gruppe von vier Leuten hin­ter mir her, zwei Jungs und zwei Mäd­chen. Sie haben immer gerufen: »Hey, du, hey!« Ich habe mich umge­dreht und gefragt: »Wer, ich?« Ein­er der Jungs kam dann auf mich zu und hat mir ein­fach so, ohne Vor­war­nung, mit der Faust eine reinge­hauen. Er hat nicht vorher was von »Scheiß­neger« oder so gesagt – dann wäre ich schon vorge­warnt gewe­sen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, denn vier waren ein biss­chen viel. Ich bin also wegge­laufen und wollte mein Tele­fon aus der Jacke nehmen, um die Polizei anzu­rufen, Die bei­den Jun­gen sind nachge­laufen und haben mich beschimpft – »Wen willst du denn anrufen, du Neger, komm mal her« – und haben ver­sucht, mir das Tele­fon wegzunehmen. 

Um uns herum waren die ganze Zeit vielle­icht tausend Leute, die auf dem Stadt­fest waren. Kein­er hat sich für die Sache inter­essiert. Die bei­den kamen also hin­ter mir her. Sie nah­men mir die Jacke mit dem Tele­fon weg und fin­gen an, mich zu ver­prügeln. Ein­er der bei­den hat­te eine leere Flasche in der Hand und wollte mich damit schla­gen. Und ich hat­te wirk­lich Angst. Ich meine, ich habe in Afri­ka schon gel­ernt, wie man sich vertei­digt, auch gegen zwei Leute. Irgend­wie habe ich dem einen die Flasche weg­nehmen kön­nen, und ich habe sie ihm im Kampf über den Kopf geschla­gen. Es blieb ein­er übrig. Viele Men­schen hat­ten einen Kreis um uns gebildet und schaut­en dem Kampf zu. Plöt­zlich, als der eine schon auf dem Boden lag, kam ein­er aus dem Kreis her­aus und sagte zu mir: »Hände weg!« und pack­te mich am Arm. Ich dachte, dass das jet­zt jemand von der Polizei war, und ließ den anderen los, aber plöt­zlich fing der auch an, mich als »Scheiß­neger« zu beschimpfen. 

In dem Moment habe ich mir gesagt: Okay, jet­zt muss wohl ein­er von uns ster­ben, entwed­er ich oder die bei­den anderen. Dann kam wirk­lich die Polizei. Es waren zwei. Der eine hat mich mit auf das Revi­er mitgenom­men, der andere den Jun­gen. Was mit dem ver­let­zten Jun­gen passiert ist, weiß ich nicht.
Wir sind dann zu dem Polizeire­vi­er gefahren. Dort habe ich gesagt, dass ich unbe­d­ingt zuerst in ein Kranken­haus muss. Sie haben mich in eines gebracht; man hat mich unter­sucht und Ver­bände gemacht. Das hat lange gedauert, und erst nach Mit­ter­nacht war ich wieder bei der Krim­i­nalpolizei. Ich wollte eine Anzeige machen gegen den Jun­gen, und die Frau bei der Polizei sagte mir, dass der Junge auch schon eine Anzeige gegen mich gemacht hat­te. Ich dachte: Hal­lo? Als ich meine Anzeige machen wollte, sagte sie: »Das mit der deutschen Sprache ist schw­er, wir brauchen unbe­d­ingt einen Dol­metsch­er.« Das würde aber erst am Dien­stag gehen, weil am Mon­tag Feiertag sei, Pfin­gst­mon­tag oder wie das heißt. Der andere hat­te aber schon am Son­ntagabend die Anzeige gemacht, und deshalb stand dann am Dien­stag der Vor­fall so in der Zeitung, wie es der Junge gesagt hat­te: dass ein Afrikan­er die deutschen Jugendlichen als Nazis beschimpft und die Schlägerei provoziert hätte und einen von ihnen mit ein­er Bier­flasche ver­let­zt hätte. 

Nun ist es so, dass wir alle drei, die bei­den deutschen Jungs und ich, eine Anzeige haben, wegen »schw­er­er Kör­per­ver­let­zung«. Ich habe aber natür­lich auch die anderen bei­den angezeigt. Ich weiß nicht, was dabei rauskommt. Der Prozess begin­nt in den näch­sten Wochen. 

Salomon Ngo­mane-Schulz, 40, Mosam­bik, lebt als Sozialar­beit­er in Magde­burg, seit 18 Jahren in Deutschland. 

Seit ich an Hitlers Geburt­stag zusam­mengeschla­gen wor­den bin von Skin­heads, hier in Magde­burg in mein­er Straße, trauen sich unsere Kinder eigentlich nicht mehr allein auf die Straße, um Brötchen kaufen zu gehen oder so. Das ist für die Entwick­lung mein­er Söhne, sie sind neun und 14, natür­lich nicht so gut. Wir schauen jet­zt halt, dass wir bald was anderes find­en, dass wir umziehen kön­nen. Damit die Kinder wieder raus­ge­hen kön­nen. Das Dumme war: Als mein älter­er Sohn bei der Polizei ange­hört wurde als Zeuge – er war ja am Anfang noch dabei, als die Skin­heads uns blöd anre­de­ten, bevor ich ihn nach oben in die Woh­nung geschickt habe –, da haben sie ihm auch Fotos gezeigt von eini­gen Skin­heads und ihn gefragt, ob die bei dem Angriff dabei waren. Das hätte die Polizei nicht machen sollen. Er hat tat­säch­lich viele erkan­nt, hat sich aber natür­lich auch die anderen Gesichter auf den Fotos gemerkt, und wenn wir jet­zt in unserem Vier­tel rum­laufen, ist das natür­lich schw­er. Er glaubt ständig, jeman­den wiederzuerken­nen, weil viele von denen dauernd hier rum­laufen. Deswe­gen traut er sich jet­zt nicht mehr auf die Straße. 

David Ibrahim*, 39, Togo, seit 7 Jahren in Deutsch­land, Dok­torand der Kultursoziologie. 

Ich bin so was wie ein Kat­a­log schlechter Erfahrun­gen. Fan­gen wir bei den Polizei- beamten in Dres­den an, die mich auf der Straße ver­prügel­ten: Auf die Frage im Gerichtssaal: »Wieso haben Sie diesen jun­gen Mann auf der Straße aufge­hal­ten?« antworteten sie: »Weil er schmutzig aus­sah.« Weil ich schmutzig aus­sah! Meine Frage an die Beamten, ich war Neben­kläger: »Wie kön­nen Sie aus dem Auto her­aus sehen, dass ich auf dem Fahrrad schmutzig ausse­he?« – »Ja, man sieht das.« Sie fuhren mit min­destens dreißig Stun­denkilo­me­tern ent­lang. Die Leute von einem Dön­er­laden in der Straße haben alles beobachtet. Diesen Dön­er­laden hat die Polizei danach zugemacht. Ich war aber bei den Türken. Sie haben mir gesagt, sie riskieren ihre Haut für mich und sagen aus. Die Polizis­ten sind nach wie vor im Dienst. Das Ver­fahren läuft noch. 

Asumaila Atoude 

Im Mai bin ich in Rathenow auch ange­grif­f­en wor­den, hier in dem still­gelegten Beton­werk direkt neben dem Flüchtling­sheim. Als ich an einem Abend so um sieben mit dem Fahrrad vom Einkaufen zurück­kam, hat mich ein Auto mit drei Leuten drin ver­fol­gt und mehrmals ver­sucht, mich auf einem abgele­ge­nen schmalen Weg zu über­fahren. Die Täter wur­den auch gefun­den ein paar Tage später, sie haben aber bei der Polizei gesagt, dass sie nur ihr Auto aus­pro­bieren und ein biss­chen herum­fahren woll­ten. Vor ein paar Tagen kam ein Brief, dass das Ver­fahren eingestellt wurde. Ich habe aber jet­zt einen Anwalt, und wir wer­den dage­gen kla­gen. Man kann sog­ar noch heute an den Spuren im Gras genau sehen, wie sie mich gejagt und mir den Weg abgeschnit­ten haben. 

Noah Sow 

Let­ztes Jahr bin ich mit dem ICE nach Pots­dam gefahren: Da ist eine Horde Glatzen zu mir ins Abteil; sie haben den Vorhang zuge­zo­gen und mich belästigt – auf die Einzel­heit­en möchte ich lieber nicht einge­hen. Zum Glück kam mir der Bun­des­gren­zschutz zu Hil­fe. An der näch­sten Hal­testelle ver­ließen die Bah­n­polizis­ten aber für mich völ­lig über­raschend den Zug. Ich flüchtete dann in ein Abteil mit zwei dunkel­häuti­gen Jour­nal­is­ten aus Eng­land. Es nützte nichts: Jet­zt hat­ten die Glatzen freie Bahn für ihre Gewalt­tätigkeit­en, Mord­dro­hun­gen und sex­uellen Beläs­ti­gun­gen … Ich war danach monate­lang arbeit­sun­fähig und in Therapie. 

Diego Aban­dos*, 23, Ango­la, seit 6 Jahren in Dres­den, derzeit arbeitslos. 

Mir haben zwei Typen vor einiger Zeit das Bein gebrochen. Ich habe eine Anzeige gemacht, aber das dauert lang, bis da was passiert. Jet­zt klin­geln die bei­den manch­mal bei mir. Die wis­sen von ein­er Nach­barin, wo ich wohne. Ein­mal war mein Cousin allein bei mir zu Hause, da hat es an der Tür gek­lin­gelt. Das waren dann die zwei Typen. Ich hat­te ihm gesagt: Wenn du die Tür auf­machst, schmeißen die dich aus dem Fen­ster – ich wohne im 16. Stock. Er hat sie durch das Loch in der Tür gese­hen. Die haben schon den Brief gekriegt, dass ich sie angezeigt habe. Ich frag meine
Nach­barin manch­mal, ob die Jungs wieder da waren. Dann sagt sie: Ja, aber ich wusste gar nicht, dass die dich ken­nen. So tut die immer. 

David Ibrahim*

Vor vier Jahren habe ich eine Schreckschusspis­tole gekauft, um mich selb­st zu schützen. Ich habe einen Antrag auf Genehmi­gung gestellt und eine bekom­men. Wegen des Über­falls auf mich damals auf dem Stadt­teil­fest in Gör­litz. Das waren fünf, sechs Leute, Nazis. Sie riefen: »Jagt den Neger, jagt ihn! Du kommst nicht lebendig hier raus.« Sie haben mit zer­broch­enen Bier­flaschen und einem Mess­er auf mich eingestochen. Ich habe mir die Hand vor den Bauch gehal­ten; seit­dem funk­tion­ieren meine Fin­ger nicht mehr. Die Gerichtsver­hand­lun­gen dauern Jahre. Und jet­zt habe ich sog­ar ein­mal Polizeis­chutz bekom­men, als ich nach Gör­litz aufs Gericht fahren musste. 

Patri­cia Vester, 36, lebt als Lit­er­atur­man­agerin in Pots­dam, in Deutsch­land geboren. 

Anfang der Neun­ziger haben mir regelmäßig Nazis mit qui­etschen­den Reifen nachgestellt und mich mit Base­ballschlägern ver­prügelt. Bis heute kriege ich Herzrasen und Panik, wenn ich qui­etschende Reifen höre. Inzwis­chen habe ich einige Ther­a­pi­en gemacht: Jet­zt traue ich mich wieder, mich im Stadtzen­trum zu bewe­gen. Mit dem Rad kann ich selb­st nachts allein nach Hause fahren, ich hangele mich von Fix­punkt zu Fix­punkt. Mit dem Zug nachts nach Hause zu fahren ist für mich aber immer noch ein Hor­ror­trip. Vor drei Monat­en kam ich nachts allein zit­ternd am Bahn­hof in Pots­dam an. Der Tax­i­fahrer hat mich ein­fach ste­hen lassen – das hat mich total aus der Fas­sung gebracht. 

Asumaila Atoude 

Ich gehe seit dem Über­fall auf mich nicht mehr allein nach draußen. Wenn ich einkaufen will, muss ich mit jeman­dem zusam­men gehen. Ich habe immer Angst. Außer­dem schwitze ich dauernd und mein Herz macht bumm­bumm­bumm, wenn ich frem­den Men­schen begeg­ne. Deswe­gen gehe ich seit einiger Zeit zur Ther­a­pie. Ich vergesse jet­zt auch immer alles sofort. Auch unser Gespräch heute hätte ich vergessen, hätte ich den Ter­min nicht in mein Handy ein­pro­gram­miert. Die Ther­a­pie ist gut, aber es ist teuer, weil ich bekomme nur mein eigenes Zugtick­et bezahlt, und ich bezahle das Tick­et von dem, der mit mir geht. 

3. In einem anderen Land?

Sam Mef­fire, 36, geboren in Dres­den, war der erste schwarze Polizist in Ostdeutschland. 

Ich lebe schon seit etwa drei Jahren nicht mehr in Ost­deutsch­land, bin nach Köln gezo­gen, um der alten Heimat zu entkom­men. Hier kann ich in die Masse ein­tauchen. Wenn ich dage­gen in einem Vorort von Dres­den einkaufen gehe, bin ich immer noch das Kurio­sum, die Drogerie-Verkäuferin ver­fol­gt mich auf Schritt und Tritt, während drei weiße Kundin­nen in Ruhe einkaufen. 

Victoria 

Let­ztens war ich in Nürn­berg, und da sieht man alle nase­lang Schwarze rum­laufen. Hier in Pir­na sind wir ja nur sieben schwarze Jugendliche ins­ge­samt. Was mich so erstaunt hat, war, dass ich in Nürn­berg über­haupt nicht angeschaut wurde. Ich bin es ja aus Pir­na gewohnt, dass man mich immer anstar­rt. Das war wirk­lich toll. 

Ade Bantu 

Wenn mir in Köln jemand den Hit­ler­gruß zeigt, weiß ich mich zu wehren. Da glaube ich noch an die Polizei auf mein­er Seite. Im Osten füh­le ich mich total schutzlos. 

Chi­ma Onyele 

Auch am Stuttgarter Haupt­bahn­hof werde ich manch­mal angerem­pelt. Das geht mir aber am Arsch vor­bei. Weil ich darauf ver­traue, dass mir Leute zu Hil­fe kom­men oder es zumin­d­est nicht gutheißen wür­den. Dieses Ver­trauen habe ich in den neuen Bun­deslän­dern nicht. Da gehe ich dann immer mit diesem Scan­ner-Blick durch die Straßen. Im End­ef­fekt ist es aber eine hohe Erwartung­shal­tung an ost­deutsche Jugendliche, sich ihrem recht­en Umfeld ent­ge­gen­zustellen. Diese Zivil­courage wird dir in Frank­furt, München, Han­nover nie abverlangt. 

Tch­bo­di Kodjo* 

Ich werde jet­zt noch die Gerichtsver­hand­lung wegen des Über­falls auf mich abwarten und dann von Magde­burg wegge­hen, für immer. Ich schaue, dass ich nach Berlin, Ham­burg oder Han­nover gehe. Als ich in diesen Städten mal zu Besuch war, war ich fast schock­iert, wie selb­stver­ständlich die Afrikan­er dort herum­laufen kon­nten; die Frauen tra­gen die tra­di­tionellen afrikanis­chen Klei­der. Wenn man das in Magde­burg machen würde, würde man ständig blöd angere­det werden. 

4. Per­spek­tiv­en

Abou Souker 

Ich arbeite bei der Flüchtlingsini­tia­tive Bran­den­burg, weil das eine gute Möglichkeit ist, die Asyl­be­wer­ber aufzuk­lären, ihnen zu sagen, was sie machen kön­nen. Wir organ­isieren Kon­feren­zen und Demos oder auch Sportver­anstal­tun­gen; wir gehen in die Heime und machen den Leuten Mut. Ich als jemand, der auch jahre­lang in so einem Heim gewohnt hat, im schlimm­sten von allen wahrschein­lich in Bran­den­burg, ich sage den Leuten: Ihr dürft nicht bleiben, wo ihr seid. Ihr müsst Leute tre­f­fen, auch mal nach Berlin fahren. Ich habe das auch geschafft, weg aus dem Heim in Bahns­dorf zu kom­men, ich bin seit vier Monat­en ver­heiratet, wohne zusam­men mit mein­er Frau, und ich glaube, der extra große Stress, den ich als Asyl­be­wer­ber hat­te, ist vor­bei. Man darf nicht mit Angst kämpfen. Wenn du mit Angst kämpf­st, hast du schon verloren. 

Patri­cia Vester 

Mit dem Vere­in »Black Flow­ers« engagiere ich mich für eine Zukun­ft, in der die Haut­farbe meines Sohnes und sein­er Fre­unde akzep­tiert­er Bestandteil des Deutsch­land­bildes ist: Ich habe für das geplante Begeg­nungscafé den Lit­er­atur­part über­nom­men, möchte Kindern dort afrikanisch geprägte Kul­tur und Lit­er­atur näher­brin­gen. Mein Sohn zum Beispiel hat eine ganz starke poli­tis­che Ein­stel­lung: Er weiß über Ungerechtigkeit und Haut­far­ben Bescheid und inter­essiert sich für alle Nachricht­en, die im Zusam­men­hang mit Ras­sis­mus ste­hen. Und nach­dem wir André Hellers Afri­ka! Afri­ka! angeschaut hat­ten, war er so begeis­tert, dass er jet­zt unbe­d­ingt seinen afrikanis­chen Groß­vater besuchen will. Darüber freue ich mich sehr. Und auch wenn ich oft ziem­lich besorgt bin, ver­suche ich doch meinem Sohn meine Angst nicht zu zeigen – um ihm nicht die Unbeschw­ertheit zu nehmen. 

Fred­die Debrah, 26, Ghana, lebt als Fußball­spiel­er in Berlin, seit 17 Jahren in Deutschland. 

Bei meinem Vere­in, dem SV Altlüder­s­dorf in der Nähe von Berlin, hat es eigentlich bish­er nie Prob­leme gegeben. Wenn du Fußball spie­len kannst, dann ist alles klar. Bei den Heim­spie­len ist das auch toll. Die Zuschauer, unglaublich viele für die Ver­band­sli­ga, wollen einen am lieb­sten umar­men. Und wenn die Fans ein­er geg­ner­ischen Mannschaft Ärg­er machen, dann treten hier alle für mich ein. 

Ali­da Babel, 45, lebt als Film­cut­terin in Pots­dam, seit 1969 in Deutschland. 

Die Men­schen in Ost­deutsch­land sind rel­a­tiv unnah­bar, aber her­zlich, wenn man sie ken­nen­lernt. Vieles läuft da über meine Kinder, sie sind vier, sieben und elf Jahre alt. Sie näh­ern sich durch gemein­sames Spie­len an, was sich oft auf die Eltern auswirkt – die grüßen mich plöt­zlich, sind erstaunt, dass ich so gut wie sie Deutsch spreche, und schauen nicht mehr so fin­ster. Ich komme ursprünglich aus Gelsenkirchen und bin vor sieben Jahren nach Pots­dam gezogen. 

Hier habe ich einen Film für die Schulen gedreht: eine Doku­men­ta­tion über schwarze Jugendliche in Pots­dam, ihren All­t­ag und ihre Bedürfnisse. Mir ist aufge­fall­en, dass es kaum Lit­er­atur und Filme gibt, in denen sie sich wiederfind­en kön­nen. Daher schreibe ich auch Stücke über schwarze deutsche Kinder. Wenn man KiKa guckt, kom­men schwarze Kinder nur in Klis­cheerollen vor: als tanzende, sin­gende Clowns. Uns gefällt Pots­dam gut und wir möcht­en hier bleiben. Und wenn wir im Umland Men­schen tre­f­fen, die mit offen­em Mund daste­hen, wenn sie uns sehen, lachen sog­ar me
ine Kinder drüber. 

Asumaila Atoude 

In dem alten Beton­werk, wo ich ange­grif­f­en wor­den bin, haben wir während der WM ein Fest gemacht. Wir haben eine Groß­bildlein­wand aufge­hängt und ein Viertel­fi­nal­spiel angeschaut. Es waren viele Bewohn­er aus dem Heim da, ein paar Leute aus Rathenow kamen auch vor­bei, mit den Kindern sog­ar. Das war mal ein ganz net­ter Abend, weil ich sage immer: Wir brauchen mehr Kon­takt mit den Leuten hier. An dem Tag hat­te ich zum ersten Mal keine Angst, obwohl ich genau an dem Ort war, wo ich über­fall­en wor­den bin. An diesem Tag war ich glücklich. 

Noah Sow 

Trotz der absur­den Erfahrun­gen, die ich im Osten gemacht habe, denke ich mir: Fuck you, das ist immer noch mein Land. 

*Namen von der Redak­tion geändert

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