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Geflüchtete Frauen schützen – auch vor struktureller Gewalt!

Frauen erleben Gewalt in den Unterkün­ften durch andere Geflüchtete, das Per­son­al und in der Gesellschaft. Sie erfahren auch struk­turelle Gewalt durch das Lager­sys­tem, die Asylge­set­zge­bun­gen und die diskri­m­inierende Prax­is der Behörden.
Aktuelle bun­desrechtliche Geset­zesver­schär­fun­gen ermöglichen es, Men­schen sechs Monate lang und diejeni­gen mit so genan­nter schlechter Bleibeper­spek­tive auch länger in der Erstauf­nahme festzuhal­ten und so bei ein­er Ablehnung ihres Asylge­such­es direkt abschieben zu kön­nen. Die prekären Bedin­gun­gen in der Erstauf­nahme – fehlende Pri­vat­sphäre, eingeschränk­ter Zugang zu erforder­lichen Gesund­heit­sleis­tun­gen und die Unmöglichkeit, das eigene Fam­i­lien­leben zu gestal­ten – gefährden in beson­derem Maße Schutzbedürftige wie Frauen und Kinder. Ein­er asyl­suchen­den Fam­i­lie mit einem herzkranken Neuge­bore­nen, das regelmäßige Behand­lun­gen in der Berlin­er Char­ité benötigte, wurde etwa der Umzug aus der Erstauf­nahme in Dober­lug-Kirch­hain in eine Woh­nung in Berlin­nähe ver­weigert. Dies, obwohl die lan­gen Fahrtwege eine große Belas­tung für das Kind und seine Eltern darstell­ten. Ähn­lich erg­ing es ein­er Trans­frau, deren Auszug trotz Empfehlun­gen und Gutacht­en von Psycholog_innen durch die Zen­trale Aus­län­der­be­hörde ver­hin­dert wurde. Die Ver­weigerung des Auszuges aus der Erstauf­nahme von Men­schen mit beson­derem Schutzbe­darf, um sie vor Angrif­f­en zu schützen, oder die notwendi­ge Ver­sorgung sicherzustellen, find­et derzeit immer wieder statt. Dies legt die Ver­mu­tung nahe, dass das Ziel, Men­schen rei­bungs­los abschieben zu kön­nen, schw­er­er wiegt als ihre Gesundheit.
Die Notver­sorgung in der Erstauf­nahme lastet in beson­der­er Weise auf den Schul­tern von Frauen, die häu­fig die struk­turelle Lücke in der Ver­sorgung durch eigene Sorgear­beit für kranke Geflüchtete und Kinder ander­er Fam­i­lien füllen müssen. Durch unfaire Asylver­fahren und das Fehlen eines Ver­fahrens für die Erken­nung beson­der­er Schutzbedürftigkeit in der Erstauf­nah­meein­rich­tung kön­nen Frauen häu­fig human­itäre Gründe, die sie vor der Abschiebung schützen kön­nten, nicht gel­tend machen. Trotz Diskus­sio­nen um Gewaltschutzkonzepte bleiben vor allem Frauen, Kinder oder LGBTI-Per­so­n­en den Kon­flik­ten in den Unterkün­ften aus­ge­set­zt. Die Wohn­verpflich­tung in der Erstauf­nahme wird oft vor der Schutzbedürftigkeit und der Notwendigkeit eines Auszuges pri­or­isiert. Ein Umzug in Frauen­häuser scheit­ert nicht sel­ten an fehlen­den Plätzen für Frauen mit mehr als einem Kind.
Auch nach der Verteilung in die Land­kreise bleibt die gesund­heitliche Schlechter­stel­lung beste­hen. Die Ein­führung der Gesund­heit­skarte in mit­tler­weile fast allen Land­kreisen hat häu­fig nicht zur gewün­scht­en Gle­ich­stel­lung und zu ein­er Beendi­gung der Stig­ma­tisierung von Geflüchteten geführt. Noch immer kommt es regelmäßig zu Behand­lungsver­weigerun­gen. So wurde ein­er geflüchteten Frau aus Frankfurt/Oder trotz Krankenkassenkarte dreima­lig die Behand­lung bei Ärzten ver­wehrt, weil diese befürchteten, ihre Leis­tun­gen nicht erstat­tet zu bekom­men. Ein Umstand der laut Geset­zge­ber eigentlich durch die Karte behoben wer­den sollte. Ähn­lich erg­ing es ein­er Frau aus Eritrea: Ihr wurde die notwendi­ge Ent­fer­nung eines Implan­tats zur Empfäng­nisver­hü­tung durch einen Arzt/eine Ärztin ver­weigert. Sie hat­te es sich als Schutz einge­set­zt, da sie auf der Flucht mit Verge­wal­ti­gung rech­nen musste. Das Nich­t­ent­fer­nen des Implan­tats stellt nun ein weit­eres Gesund­heit­srisiko dar. Dabei fordert europäis­ches Recht eine vol­lum­fängliche Ver­sorgung von beson­ders schutzbedürfti­gen Flüchtlin­gen wir Kindern, Kranken oder von Gewalt bedro­ht­en oder betrof­fe­nen Frauen und LGBTI-Personen.
For­men struk­tureller Gewalt gegenüber Frauen zeigen sich immer wieder auch bei gewaltvollen Abschiebev­er­suchen in Bran­den­burg. Im Som­mer diesen Jahres ver­suchte die Polizei ohne Ankündi­gung und unter Anwen­dung von Gewalt eine Mut­ter aus Ober­hav­el abzuschieben. Sie war aktenkundig in ein­er psy­chisch labilen Sit­u­a­tion. Man legte ihr den­noch Hand­schellen an. Ihr vier­jähriger Sohn, selb­st psy­chisch behand­lungs­bedürftig, wurde Zeuge dieser Gewal­tan­wen­dung. Die Folge des Abschiebev­er­such­es war ein fast vier­monatiger Aufen­thalt der Mut­ter im Kranken­haus und eine Unter­bringung des Kindes in ein­er Kinder­sta­tion. Struk­turell gewaltvoll ist hier nicht nur das Ver­hal­ten der Aus­län­der­be­hörde, die die Erkrankung der Mut­ter als Abschiebe­hin­der­nis ignori­erte. Auch die Bedin­gun­gen der Unterkun­ft, wo sich beson­ders Schutzbedürftige immer wieder unangemelde­ten und gewaltvollen Abschiebun­gen aus­geliefert sehen, befördern diese Umstände.
Women in Exile und der Flüchtlingsrat fordern:
*Schutzbe­fohlen­heit und die Gesund­heit von Frauen und Kindern müssen schw­er­er wiegen als die rück­sicht­slose Umset­zung restrik­tiv­er Geset­ze! Schutz für alle geflüchteten Frauen und Kinder – ohne Aus­nahme und unab­hängig von der ver­meintlichen Bleibeperspektive!
*Wir fordern: Eigen­er Wohn­raum für Frauen und Kinder! Verteilung aus der Erstauf­nahme inner­halb eines Monats! Uneingeschränk­ter Zugang zu Gesund­heit­sleis­tun­gen ab dem ersten Tag! Wir fordern eine nach­haltige Bleibeper­spek­tive für alle Flüchtlinge!

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