24. November 2017 · Quelle: Women in Exile / Flüchtlingsrat Brandenburg

Geflüchtete Frauen schützen – auch vor struktureller Gewalt!

Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November 2017 wollen wir auf die strukturelle Gewalt gegen geflüchtete Frauen in Brandenburg aufmerksam machen.

Frauen erleben Gewalt in den Unterkün­ften durch andere Geflüchtete, das Per­son­al und in der Gesellschaft. Sie erfahren auch struk­turelle Gewalt durch das Lager­sys­tem, die Asylge­set­zge­bun­gen und die diskri­m­inierende Prax­is der Behörden.
Aktuelle bun­desrechtliche Geset­zesver­schär­fun­gen ermöglichen es, Men­schen sechs Monate lang und diejeni­gen mit so genan­nter schlechter Bleibeper­spek­tive auch länger in der Erstauf­nahme festzuhal­ten und so bei ein­er Ablehnung ihres Asylge­such­es direkt abschieben zu kön­nen. Die prekären Bedin­gun­gen in der Erstauf­nahme – fehlende Pri­vat­sphäre, eingeschränk­ter Zugang zu erforder­lichen Gesund­heit­sleis­tun­gen und die Unmöglichkeit, das eigene Fam­i­lien­leben zu gestal­ten – gefährden in beson­derem Maße Schutzbedürftige wie Frauen und Kinder. Ein­er asyl­suchen­den Fam­i­lie mit einem herzkranken Neuge­bore­nen, das regelmäßige Behand­lun­gen in der Berlin­er Char­ité benötigte, wurde etwa der Umzug aus der Erstauf­nahme in Dober­lug-Kirch­hain in eine Woh­nung in Berlin­nähe ver­weigert. Dies, obwohl die lan­gen Fahrtwege eine große Belas­tung für das Kind und seine Eltern darstell­ten. Ähn­lich erg­ing es ein­er Trans­frau, deren Auszug trotz Empfehlun­gen und Gutacht­en von Psycholog_innen durch die Zen­trale Aus­län­der­be­hörde ver­hin­dert wurde. Die Ver­weigerung des Auszuges aus der Erstauf­nahme von Men­schen mit beson­derem Schutzbe­darf, um sie vor Angrif­f­en zu schützen, oder die notwendi­ge Ver­sorgung sicherzustellen, find­et derzeit immer wieder statt. Dies legt die Ver­mu­tung nahe, dass das Ziel, Men­schen rei­bungs­los abschieben zu kön­nen, schw­er­er wiegt als ihre Gesundheit.
Die Notver­sorgung in der Erstauf­nahme lastet in beson­der­er Weise auf den Schul­tern von Frauen, die häu­fig die struk­turelle Lücke in der Ver­sorgung durch eigene Sorgear­beit für kranke Geflüchtete und Kinder ander­er Fam­i­lien füllen müssen. Durch unfaire Asylver­fahren und das Fehlen eines Ver­fahrens für die Erken­nung beson­der­er Schutzbedürftigkeit in der Erstauf­nah­meein­rich­tung kön­nen Frauen häu­fig human­itäre Gründe, die sie vor der Abschiebung schützen kön­nten, nicht gel­tend machen. Trotz Diskus­sio­nen um Gewaltschutzkonzepte bleiben vor allem Frauen, Kinder oder LGBTI-Per­so­n­en den Kon­flik­ten in den Unterkün­ften aus­ge­set­zt. Die Wohn­verpflich­tung in der Erstauf­nahme wird oft vor der Schutzbedürftigkeit und der Notwendigkeit eines Auszuges pri­or­isiert. Ein Umzug in Frauen­häuser scheit­ert nicht sel­ten an fehlen­den Plätzen für Frauen mit mehr als einem Kind.
Auch nach der Verteilung in die Land­kreise bleibt die gesund­heitliche Schlechter­stel­lung beste­hen. Die Ein­führung der Gesund­heit­skarte in mit­tler­weile fast allen Land­kreisen hat häu­fig nicht zur gewün­scht­en Gle­ich­stel­lung und zu ein­er Beendi­gung der Stig­ma­tisierung von Geflüchteten geführt. Noch immer kommt es regelmäßig zu Behand­lungsver­weigerun­gen. So wurde ein­er geflüchteten Frau aus Frankfurt/Oder trotz Krankenkassenkarte dreima­lig die Behand­lung bei Ärzten ver­wehrt, weil diese befürchteten, ihre Leis­tun­gen nicht erstat­tet zu bekom­men. Ein Umstand der laut Geset­zge­ber eigentlich durch die Karte behoben wer­den sollte. Ähn­lich erg­ing es ein­er Frau aus Eritrea: Ihr wurde die notwendi­ge Ent­fer­nung eines Implan­tats zur Empfäng­nisver­hü­tung durch einen Arzt/eine Ärztin ver­weigert. Sie hat­te es sich als Schutz einge­set­zt, da sie auf der Flucht mit Verge­wal­ti­gung rech­nen musste. Das Nich­t­ent­fer­nen des Implan­tats stellt nun ein weit­eres Gesund­heit­srisiko dar. Dabei fordert europäis­ches Recht eine vol­lum­fängliche Ver­sorgung von beson­ders schutzbedürfti­gen Flüchtlin­gen wir Kindern, Kranken oder von Gewalt bedro­ht­en oder betrof­fe­nen Frauen und LGBTI-Personen.
For­men struk­tureller Gewalt gegenüber Frauen zeigen sich immer wieder auch bei gewaltvollen Abschiebev­er­suchen in Bran­den­burg. Im Som­mer diesen Jahres ver­suchte die Polizei ohne Ankündi­gung und unter Anwen­dung von Gewalt eine Mut­ter aus Ober­hav­el abzuschieben. Sie war aktenkundig in ein­er psy­chisch labilen Sit­u­a­tion. Man legte ihr den­noch Hand­schellen an. Ihr vier­jähriger Sohn, selb­st psy­chisch behand­lungs­bedürftig, wurde Zeuge dieser Gewal­tan­wen­dung. Die Folge des Abschiebev­er­such­es war ein fast vier­monatiger Aufen­thalt der Mut­ter im Kranken­haus und eine Unter­bringung des Kindes in ein­er Kinder­sta­tion. Struk­turell gewaltvoll ist hier nicht nur das Ver­hal­ten der Aus­län­der­be­hörde, die die Erkrankung der Mut­ter als Abschiebe­hin­der­nis ignori­erte. Auch die Bedin­gun­gen der Unterkun­ft, wo sich beson­ders Schutzbedürftige immer wieder unangemelde­ten und gewaltvollen Abschiebun­gen aus­geliefert sehen, befördern diese Umstände.
Women in Exile und der Flüchtlingsrat fordern:
*Schutzbe­fohlen­heit und die Gesund­heit von Frauen und Kindern müssen schw­er­er wiegen als die rück­sicht­slose Umset­zung restrik­tiv­er Geset­ze! Schutz für alle geflüchteten Frauen und Kinder – ohne Aus­nahme und unab­hängig von der ver­meintlichen Bleibeperspektive!
*Wir fordern: Eigen­er Wohn­raum für Frauen und Kinder! Verteilung aus der Erstauf­nahme inner­halb eines Monats! Uneingeschränk­ter Zugang zu Gesund­heit­sleis­tun­gen ab dem ersten Tag! Wir fordern eine nach­haltige Bleibeper­spek­tive für alle Flüchtlinge!

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