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Gegen den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche!

Gegen Geschicht­sre­vi­sion­is­mus – Deutsche Täter sind keine Opfer! Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschismus!

Demon­stra­tion am 09.04.2005 in Potsdam

14 Uhr am Glock­en­spiel, Plan­tage (Dortustraße/ Am Kanal)

In Pots­dam herrscht nun schon seit Jahren ein zäh­es Rin­gen um den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche. Als größte Geldge­berin tritt die recht­skon­ser­v­a­tive „Tra­di­tion­s­ge­mein­schaft Pots­damer Glock­en­spiel“ (TPG) auf, die im Wesentlichen aus deutschna­tion­al gesin­nten Bun­deswehrof­fizieren beste­ht. Diese ver­fol­gen das Ziel, die Kirche als Sym­bol für Preußen aufer­ste­hen zu lassen — mit allem was dazu gehört… 

Dabei war die Gar­nisonkirche in Pots­dam Zeit ihrer Exis­tenz weniger eine harm­lose Stätte des Glaubens als vielmehr ein Ort staatlich­er Diszi­plin­ierung und Raum poli­tis­ch­er Insze­nierung. Seit ihrer Ein­wei­hung 1722 durch den preußis­chen König Friedrich Wil­helm I. wurde sie vor allem der Ausstel­lung von Siege­strophäen ver­gan­gener Kriege genutzt und auch die mit kriegerischem Emblem verse­hene Orgel und Innenein­rich­tung dien­ten der Zurschaustel­lung preußis­chen Mil­i­taris­mus. Das Glock­en­geläut der Gar­nisonkirche begleit­ete die Sol­dat­en in den Ersten Weltkrieg. Diese in der Gar­nisonkirche zele­bri­erten religiös aufge­lade­nen Zer­e­monien dien­ten dazu, aller Welt die mil­itärische Macht­fülle Preußens zu demon­stri­eren und „preußis­che Tugen­den“ wie Vater­land­streue und Gehor­sam zu beschwören. 

So war es kein Zufall, daß am 21. März 1933 die Pots­damer Gar­nisonkirche als Kulisse für den Händ­e­druck zwis­chen Reich­spräsi­dent Hin­den­burg und dem ger­ade erst zum Reich­skan­zler ernan­nten Adolf Hitler diente, mit dem der Schul­ter­schluß zwis­chen Preußen und Nation­al­sozial­is­ten insze­niert wurde. Die Nazis kon­nten auf einen bere­its existieren­den Sym­bol­ge­halt der Gar­nisonkirche zurück­greifen, der sich für eine öffentlichkeitswirk­same geschicht­spoli­tis­che Legit­imierung ihrer Herrschaft außeror­dentlich gut eignete. Wesentliche Ele­mente der mil­i­taris­tis­chen preußis­chen Staats­dok­trin fan­den ihre Kon­ti­nu­ität in der men­schen­ver­ach­t­en­den NS-Ide­olo­gie. Das Trau­ma des ver­lore­nen 1. Weltkriegs der wil­helminis­chen Ober­schicht war auch das Trau­ma der Nazis – der Ver­sailler Ver­trag und die Demokratie waren ihnen zuwider. Dadurch erhielt die Gar­nisonkirche den Sym­bol­ge­halt, den Sie bis heute für alte und neue Nazis attrak­tiv macht. 

Der Obrigkeitsstaat Preußen bedurfte jen­er unkri­tis­chen Ein­stel­lun­gen sein­er Bürg­erIn­nen, die uns heute als „preußis­che Sekundär­tu­gen­den” bekan­nt sind. Die Iden­ti­fika­tion mit dem Staat und sein­er Macht war in Preußen sowohl im Adel wie im Heer der Beamten oder dem sozialdemokratis­chen Teil der Arbeit­er­schaft beson­ders aus­geprägt. Die an sich wert­freien Sekundär­tu­gen­den wur­den an die Ziele des autoritären Staates geknüpft. Goethe kon­sta­tierte lange vor dem Nation­al­sozial­is­mus: „Vor die Wahl gestellt zwis­chen Unrecht und Unord­nung, entschei­det sich der Deutsche für das Unrecht”. Der Nation­al­sozial­is­mus kon­nte in der Folge auf diese Werte prob­lem­los zurück­greifen und sie für seine Zwecke nutzen. Die preußis­chen Sekundär­tu­gen­den sind jene Eigen­schaften, mit denen eben­so gut ein Konzen­tra­tionslager betrieben wer­den kann. 

Die Per­so­n­en, die sich in der TPG zum Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche zusam­men geschlosse­nen haben, sind nicht naiv. Vielmehr liegt der Ver­dacht nahe, daß sie genau in der Tra­di­tion ste­hen, die zu dem Händ­e­druck Hin­den­burgs und Hitlers am 21. März 1933 in der Gar­nisonkirche führte. In der TPG sam­meln sich reak­tionäre Kräfte jeglich­er Facon. Gegrün­det wurde sie 1984 in Iser­lohn von Sol­dat­en des Fallschir­mjäger­batail­lons 271, die zunächst das Ziel hat­ten „das am 14. April 1944 durch britis­che Bomben zer­störte Pots­damer Glock­en­spiel neu zu schaf­fen”. Als dieses Ziel erre­icht war, wurde der Vere­in­szweck auf die Auf­gabe „geistig und finanziell zum Wieder­auf­bau der Pots­damer Gar­nisonkirche und ander­er his­torisch­er Baut­en Pots­dams beizu­tra­gen” erweit­ert. Ihr Vor­sitzen­der, Max Klaar, ist eben­falls Bun­desvor­sitzen­der des „Vere­ins Deutsch­er Sol­dat­en“, mit dem sog­ar die Bun­deswehr seit 2004 die Zusam­me­nar­beit offiziell wegen recht­sex­tremer Aus­fälle eingestellt hat. Der „Vere­in deutsch­er Sol­dat­en“ kooperiert außer­dem mit der HIAG, ein­er „Hil­f­s­ge­mein­schaft“ für ehe­ma­lige Waf­fen-SS-Ange­hörige. Seit 1991 hat die TPG fast 6 Mio. ? gesam­melt, die sie aber erst frei­gibt, wenn ihre Vorstel­lun­gen von Gestal­tung und Nutzung des Kirchen­neubaus durchge­set­zt sind. 

Nach­dem die Ev. Kirche jahre­lang den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche kat­e­gorisch abgelehnt hat­te, bröck­elte der Wider­stand seit Ende der 90er Jahre immer weit­er. Inzwis­chen geben die „TPG“ und eine „Stiftung Preußis­ches Kul­turerbe“, deren Schirmherr ein gewiss­er Jörg Schön­bohm ist, dank der bere­its gesam­melten Mil­lio­nen weit­ge­hend den Ton an. Die evan­ge­lis­chen Kirche hat inzwis­chen ein als „Kom­pro­miß” beze­ich­netes Konzept vorgelegt, das den Wieder­auf­bau des Gar­nisonkirch­turms als „Ver­söh­nungszen­trum“ mit dem Nagelkreuz von Coven­try auf der Turm­spitze vor­sieht. Der wieder­errichtete Turm soll dann als „City-Kirche” auch den his­torischen Bruch verdeut­lichen. Diese Nutzung als Stadtkirche ist von der TPG allerd­ings wieder an strik­te Bedin­gun­gen gebun­den: „in der wieder aufge­baut­en Kirche soll kein Asyl geboten, keine fem­i­nis­tis­che The­olo­gie gelehrt, kein Segen für gle­ichgeschlechtliche Paare erteilt und keine Kriegs­di­en­stver­weiger­er berat­en wer­den.” Bis dies nicht sichergestellt ist, bleiben alle Geldtöpfe geschlossen. 

Mit­tler­weile haben die Stadt Pots­dam, das Land Bran­den­burg und die Ev. Kirche die Stiftung „Wieder­auf­bau Pots­damer Gar­nisonkirche“ gegrün­det, die nun Eigen­tümerin des Kirchen­neubaus wer­den soll und auf inter­na­tionaler Ebene Spenden dafür sam­meln will. Ent­ge­gen anfänglich­er Ver­sicherun­gen, man befür­worte den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche nur, wenn dafür keine öffentlichen Gelder ver­wen­det wer­den, haben inzwis­chen sowohl die Ev. Kirche als auch das Land Bran­den­burg Spenden­bere­itschaft signalisiert. 

Die Mis­chung aus hemd­särm­liger Infan­til­ität und revan­chis­tis­chem Kalkül, mit der Tra­di­tionsvere­ine, Prov­inzpoli­tik­er und Kirchen­vertreter im Chor nach der Wieder­erlan­gung ein­er „Pots­damer Iden­tität“ durch den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche rufen, ist eben­so lächer­lich wie gefährlich. Damit ver­suchen die Wieder­auf­bau-Befür­worter nicht nur architek­tonisch, son­dern auch his­torisch aus­gerech­net bei den reak­tionären preußis­chen Tra­di­tion­slin­ien Pots­dams anzuknüpfen, die schon die Nazis tre­f­flich zum Auf­bau des Drit­ten Reich­es nutzen kon­nten. Um den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche nicht zu gefährden, wird ihr neg­a­tiv­er Sym­bol­ge­halt auf den Tag von Pots­dam reduziert und der Akt des sym­bol­is­chen Schul­ter­schlusses zwis­chen dem Deutschna­tionalen Hin­den­burg und dem Faschis­ten Hitler zu einem „Betrieb­sun­fall“ der anson­sten „nor­malen“ deutschen Geschichte umgedeutet. 

Inter­es­sant ist, welch­es Engage­ment die Ev. Kirche und die Stadt Pots­dam inzwis­chen – auch finanziell – in den Wieder­auf­bau steck­en. Was mit den Hirnge­spin­sten einiger Recht­sex­tremer, Deutschna­tionaler und Mil­i­taris­ten begann, ist mit­tler­weile zu einem „Pro­jekt der Mitte“ gewor­den. Die TPG hat erfol­gre­ich heim­liche wie sich offene beken­nende Anhänger des Preußen­tums aktivieren kön­nen. Das hier lediglich schlafende Hunde geweckt wur­den, wird daran deut­lich, daß zum Jahrestag der Bom­bardierung Pots­dams der
Grund­stein dieses preußis­chen Sym­bols gelegt wer­den soll. Wer auf solch eine Idee kommt, hat ein zweifel­haftes, aber wohl doch ein sehr aus­geprägtes Geschichts­be­wußt­sein. Dieses Phänomen ist Teil eines Diskurs­es um die Opfer des 2. Weltkriegs, an dessen Ende Täter allzu leicht zu Opfern wer­den und die Zer­störung sym­bol­is­ch­er Orte des Nation­al­sozial­is­mus zu Unrecht wird. Dieser Diskurs wurde und wird von Teilen der CDU, von den Ver­triebe­nen­ver­bän­den und von Recht­sex­trem­is­ten vor­angetrieben und ist inzwis­chen bei der Ev. Kirche, Sozialdemokrat­en und den Bünd­nis­grü­nen angekommen. 

Diese Art von Revi­sion­is­mus ist nicht nur eine Erfind­ung recht­sex­tremer Ide­olo­gen, son­dern vielmehr eine Facette offizieller deutsch­er Geschichts- und Gedenkpoli­tik. Die deutsche Geschichte soll damit von den schreck­lichen Ver­brechen, die während des Nation­al­sozial­is­mus began­gen wur­den, rein gewaschen wer­den. Im Rah­men revi­sion­is­tis­ch­er „Gedenk­feiern“ und „Trauer­märsche“ wer­den deutsche TäterIn­nen zu Opfern stil­isiert. Neon­azis­tis­ches Gedankengut und seit 1989 immer offen­er prak­tiziert­er Geschicht­sre­vi­sion­is­mus sind keine Phänomene, die ver­wun­dern soll­ten, son­dern als sub­stantieller Bestandteil der poli­tis­chen Beschaf­fen­heit der BRD zu ver­ste­hen. Es han­delt sich um poli­tis­che Kon­ti­nu­itäten, zu denen sich eine wach­sende Anzahl von Men­schen immer freimütiger beken­nt. Diese Entwick­lung wird von der offiziellen Poli­tik in der BRD unter­stützt, deren Ziel es ist, nach erfol­gre­ich­er Geschicht­sum­schrei­bung die „deutschen“ Inter­essen endlich wieder „bis zum Hin­dukush vertei­di­gen“ zu kön­nen. So rel­a­tivieren Poli­tik­erIn­nen, allen voran Außen­min­is­ter Josef Fis­ch­er, den Holo­caust sowie die deutsche Ver­gan­gen­heit und recht­fer­ti­gen gle­ichzeit­ig von Deutsch­land mit­ge­tra­ge­nen Angriff­skriege wie zulet­zt in Jugoslaw­ien mit dem Argu­ment, Auschwitz ver­hin­dern zu wollen. Dieser Par­a­dig­men­wech­sel in der deutschen Außen­poli­tik ermöglicht es Deutsch­land nun wieder Krieg zu führen, und das vor allem nicht trotz, son­dern wegen Auschwitz. 

Alles was darauf hin­deutet, daß in der his­torischen Entwick­lung von Preußen über das wil­helminis­che Kaiser­re­ich bis zum nation­al­sozial­is­tis­chen Führerstaat eine gewisse Logik zu find­en ist, soll so ver­leugnet oder ver­harm­lost wer­den. Zu dieser Schlussstrich­men­tal­ität gehört es auch, der Öffentlichkeit einen unbe­fan­genen Umgang mit architek­tonis­chen Sym­bol­en zu sug­gerieren. Der Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche ist ein wichtiger Mosaik­stein in diesem geschicht­sre­vi­sion­is­tis­chen Pro­jekt Deutsch­land. Genau deshalb fordern Recht­skon­ser­v­a­tive und Recht­sex­trem­is­ten vehe­ment den Wieder­auf­bau der Garnisonkirche. 

Die Pots­damer Gar­nisonkirche war bere­its lange vor dem Tag von Pots­dam am 21. März 1933, was sie noch heute ist: ein Sym­bol des mil­i­taris­tis­chen Staates Preußen, ein Sym­bol für Mil­i­taris­mus und Krieg, für deutschen Größen­wahn und Chau­vin­is­mus. Genau darum wurde Preußen auch nach der Kapit­u­la­tion Nazi-Deutsch­lands als eine Gefahr für Frieden und Demokratie qual­i­fiziert und am 25.02.1946 durch ein Gesetz des Alli­ierten Kon­troll­rates aufgelöst. 

Wer für die Grund­stein­le­gung des Wieder­auf­baus der Gar­nisonkirche aus­gerech­net den 14. April, den 60. Jahrestag der Bom­bardierung und Zer­störung dieses Sym­bols, wählt, der braucht sich über ein Erstarken der Recht­sex­tremen und Neon­azis nicht zu wun­dern, son­dern der bere­it­et den Weg dafür vor. Wenn diese Per­so­n­en dann das demon­stra­tive Ver­lassen ein­er Schweigeminute für die Opfer des Nation­al­sozial­is­mus durch die NPD-Abge­ord­neten im säch­sis­chen Land­tag geißeln, ist dies nur noch Heuchelei. Wer an frag­würdi­gen Dat­en Grund­steine für frag­würdi­ge Sym­bole legt, die mit den Geldern von Recht­sex­tremen wieder­aufge­baut wer­den sollen, ver­höh­nt die Opfer des Nation­al­sozial­is­mus ebenso. 

Die Kon­ti­nu­ität der recht­skon­ser­v­a­tiv­en TPG und der selb­ster­nan­nten „bürg­er­lichen Mitte“ der Stadt Pots­dam ist es, Geschicht­sre­vi­sion­is­mus zu betreiben und preußis­che Sym­bo­l­ik wieder zu erricht­en. Unsere Kon­ti­nu­ität ist eine antifaschis­tis­che Poli­tik, die sich neuen recht­sex­tremen, preußis­chen und „großdeutschen“ Umtrieben entsch­ieden ent­ge­gen­stellt. Deutsche Täter sind keine Opfer und der Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche ist kein Akt der Ver­söh­nung. Deshalb muß der Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche mit allen Mit­tel ver­hin­dert werden. 

Nie wieder Krieg — nie wieder Preußen — nie wieder Faschismus.
Stop­pen wir den erneuten sym­bol­is­chen Hand­schlag zwis­chen den Recht­skon­ser­v­a­tiv­en und Nazis in der Garnisonkirche.

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