Der Tod des 16-jährigen Marinus Schöberl in dem Uckermark-Dorf Potzlow machte sogar den erfahrenen Staatsanwalt fast sprachlos, so einzigartig brutal erschien das Verbrechen. “Viehisch” nannte es der Neuruppiner Chefankläger, Gerd Schnittcher. Stundenlang hatten drei junge Männer im Alter von 17 bis 23 Jahren ihr Opfer am 12. Juli gequält, zunächst in zwei Wohnungen, zuletzt im Stall einer verlassenen LPG. Marinus trug weite Hosen: Das sei nicht deutsch, meinten die Täter. Marinus hatte sich die Haare blond gefärbt: Er sei wohl, sagten die Töter, ein “Jude”.
Dieses Wort, das Marinus Schöberl in der wirren Wertewelt der jungen Rassisten die Menschenwürde raubte, war vermutlich sein Todesurteil. Als die Schläger den Anblick des Geschundenen selbst nicht mehr ertragen konnten, brachten sie ihn um und versenkten seinen Leichnam in einer Jauchegrube.
Am nächsten Tag war alles wie immer in Potzlow, nur dass Marinus Schöberl fehlte. Die Täter hatten weiter Spaß an zu viel Bier. Der Älteste, ein überzeugter Neonazi, ging weiter auf die Jagd nach Ausländern und schlug acht Wochen nach dem Mord einen Schwarzafrikaner krankenhausreif. Potzlower, die den Anfang von Marinus Todeskampf miterlebt hatten, betäubten ihre böse Ahnung Tag um Tag — auch als die Polizei den Vermissten längst suchte.
Vier Monate ging das so. Erst die Wette des Haupttäters im Suff erschütterte das Dorf Mitte November. Für 25 Euro würde er eine frische Leiche ausgraben, prahlte der 17-jährige Haupttäter und führte die Ungläubigen zur Jauchegrube.
Danach das Übliche: “Wie konnte das geschehen? Waren wir blind?”, fragten manche. Andere verschrieen Potzlow pauschal als “braunes Nest”, manche wiederum nahmen das Dorf gegen den Rufmord in Schutz.
Beate Blechinger, die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, zog den Fall als Erste auf die politische Bühne. Es handele sich um ein unpolitisches Verbrechen, meinte sie — als müsse sie die Polizeistatistik vor rechtsextremen Morden schützen und den Kampf des Innenministeriums gegen Neonazis verteidigen. Chefermittler Gerd Schnittcher ließ sich davon dennoch nicht beirren. Die Täter, betonte er, “gehören ganz deutlich der extremen rechtsradikalen Szene an”.