Potsdam. Die Eskalation rechtsextremer Gewalt in Potsdam war am Sonnabend nachmittag Anlaß einer antifaschistischen Demonstration mit rund 650 Teilnehmern durch das Zentrum der brandenburgischen Landeshauptstadt. Projekte gegen Neonazis aus Berlin und Brandenburg, darunter »Kritik & Praxis Berlin«, die »Antifaschistische Linke Potsdam« sowie der Verein »Opferperspektive« hatten dazu aufgerufen. Redner kritisierten scharf Justiz und Medien, die den Neonaziterror häufig nur als einen Teil einer »Gewaltspirale zwischen links und rechts« interpretierten (siehe jW vom 9. Juli) und damit die rechte Gewalt verharmlosten.
In den letzten Monaten ist es in Potsdam zu einer Reihe neonazistischer Überfälle gekommen: Am 10. August wurde beispielsweise ein 31jähriger Kameruner von Neonazis auf dem Gelände des Asylbewerberheims brutal zusammengeschlagen. Mehrfach seien in Potsdam zuletzt Antifaschisten von bis zu 60 anwesenden Neonazis bei Gerichtsverhandlungen bedroht worden, berichtete eine Sprecherin. Laut Einschätzung der veranstaltenden Gruppen sind an den Übergriffen der Neonazis in den letzten Monaten rechte Aktivisten aus Potsdam ebenso beteiligt wie Neofaschisten aus Berlin. Teilweise seien sie dem Spektrum der durch Berlins Innensenat Anfang dieses Jahres verbotenen »Kameradschaft Tor« sowie der »Berliner Alternative Süd-Ost« (BASO) zuzuordnen.
Den starken Anstieg rechter Gewalt in Potsdam dokumentieren auch neuere Statistiken des Landesinnenministeriums. Darauf hatte die Potsdamer Polizei in Kooperation mit dem Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) im Juli mit der Bildung einer »Soko Potsdam« reagiert. Seit ihrer Gründung ist es laut Einschätzung von Antifaschisten allerdings nicht zu einem verstärkten Kampf gegen den Rechtsextremismus, sondern einer verstärkten Repression gegen ihre Gegner gekommen. Über zwei Monate sitzt nun schon eine 21jährige aus dem linken Spektrum in Untersuchungshaft, der wegen einer Prügelei versuchter Mord vorgeworfen wird. Auf Transparenten wurde die »Freilassung von Julia« gefordert.
Am Rande der Demonstration, die von einem großen Polizeiaufgebot begleitet wurde, bewarfen mehrere Neonazis eine Antifaschistin mit Steinen und verletzten sie schwer am Kopf.