BERLIN/POTSDAM Nach der Verhaftung eines V‑Mannes in der Neonazi-Szene durch die Berliner Polizei zeigt sich Brandenburg nach wie vor empört.In Berlin ermitteln unterdessen Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der V‑Mann Toni S. war am 20. Juli bei einer Razzia des Berliner Landeskriminalamtes festgenommen worden. Wenig später stellte sich heraus, dass er als Informant des brandenburgischen Verfassungsschutzes tätig war. Berlin hätte das bekannt sein müssen, hieß es in Potsdam.
Es bestehe der Verdacht, dass Informationen aus dem Kreis der Berliner Ermittlungsbehörden „möglicherweise gegen Geld weitergegeben wurden“, teilte die Berliner Innenverwaltung gestern mit. Hintergrund sind Medienberichte mit Details über die Affäre. Zuvor hatte das Potsdamer Innenministerium den Berliner Ermittlern „Indiskretionen in unerträglichen Dimensionen“ vorgeworfen. Die jüngsten Medienveröffentlichungen zeigten, dass Abhörprotokolle von Telefonüberwachungen sowie dort angestellte Verdächtigungen aus Berlin „gezielt und breit in die Öffentlichkeit lanciert“ worden seien. Berlins Innenstaatssekretär Lutz Diwell bezeichnete diese Mutmaßung als „nicht akzeptabel“. Notwendig sei eine „Rückkehr zur sachlichen Kooperation“ zwischen Brandenburg und Berlin.
Toni S. war in Straftaten verwickelt
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte am Wochenende einerseits zugegeben, dass Toni S. mit Wissen der Behörden in Straftaten verwickelt gewesen sei. Gleichzeitig warf er den Berliner Behörden vor, sie hätten durch die nicht abgestimmte Verhaftung des Mannes den Zugriff auf Hintermänner in der rechten Szene verhindert.
Schönbohm sagte in einem Zeitungsinterview, der Verfassungsschutz müsse jeweils abwägen, wie weit ein V‑Mann gehen könne: „Bei Toni S. haben Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in einem Fall zugestimmt, dass er sich am Vertrieb von CDs beteiligen konnte, um an Hintermänner heranzukommen.“ Als der Mann jedoch stärker als abgesprochen in das CD-Geschäft eingestiegen sei, habe man ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Inzwischen gebe es auch eine interne Untersuchung, ob bei der Führung des V‑Mannes Fehler begangen worden seien. „Vielleicht“, so Schönbohm, „hängt die Enttarnung auch damit zusammen, dass es in Berlin einen gewissen Konkurrenzkampf gibt zwischen LKA und Verfassungsschutz, in den wir hineingeraten sind.“
Schönbohm bemängelt, dass es an Absprachen zwischen Berlin und Brandenburg gefehlt habe. Das geht aus einem internen Papier des Ministers hervor, dass in seinem Führungskreis entstanden ist und Journalisten vorliegt.
Namen von V‑Männern im Internet
Schönbohm sieht auch Gefahren für Menschenleben. Denn mittlerweile kursierten Inhalte aus Ermittlungsakten in der rechten Szene, zitiert das Boulevard-Blatt „B.Z.“ aus dem Papier. Namen von Mitarbeitern und anderen V‑Männern seien bereits über rechtsextreme Internetseiten weltweit verbreitet worden. „Für einen Gewährsmann des brandenburgischen Verfassungsschutzes mussten wir bereits ein Schutzprogramm anlaufen lassen, weil für ihn und seine Familie konkrete Gefahr besteht“, sagte Schönbohm.
Er nannte es „unerträglich“, wenn Berliner Behörden und die politisch für sie Verantwortlichen, „die sich in der Angelegenheit als Gralshüter des Rechtsstaates aufführen“, die Weitergabe der Protokolle nicht verhindert haben. Schönbohm appellierte an Innensenator Ehrhart Körting und Justizsenatorin Karin Schubert (beide SPD), diese „Unzuträglichkeiten“ und „Indiskretionen“ abzustellen. Heute sollen zwischen beiden Ländern Gespräche auf Staatssekretärsebene aufgenommen werden.
Nach Informationen des „Spiegel“ hat der V‑Mann unterdessen eingestanden, bei der Herstellung eines CD-Beiheftes der rechtsextremen Band „Landser“ mitgewirkt zu haben. Sein V‑Mann-Führer solle als Beschuldigter von der Berliner Staatsanwaltschaft vernommen werden. Gegen ihn werde wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt.
Der „Spiegel“-Artikel ist nach Ansicht des brandenburgischen Innenministeriums auch einer der Belege dafür, dass Berlin Abhörprotokolle von Telefonüberwachungen „gezielt und breit“ in die Öffentlichkeit lanciert hätten. Laut Magazin „Focus“ will die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe den Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, in der Sache Toni S. als Zeugen vernehmen.