Wenn am 5. November der Neonazi Christian Worch mit seinem braunen Gefolge in Potsdam aufmarschieren will, wird er für den Fall, dass die Demo stattfindet, mit mindestens drei Gegendemonstration rechnen müssen. Das klingt zunächst sehr gewaltig – ist es aber nicht. Denn die Tatsache, dass neben dem Aktionstag der Stadt auf dem Luisenplatz weitere Parteien und Gruppierungen ihren Protest gegen Worch eigenständig zum Ausdruck bringen wollen, zeugt sicher auch von Vielfalt – mehr aber noch von der Uneinigkeit der Gegenbewegung. Statt machtvoll an einer Stelle geschlossen Front gegen Neonazis zu machen, werden die Kräfte der Antifa-Bewegung zersplittert agieren. Sicher, man kann einer staatlich organisierten Gegenaktion auch kritisch und distanziert gegenüber stehen. Doch man stelle sich vor, die Stadt Potsdam hätte nicht zum Protest aufgerufen und sich nicht an die Spitze der Bewegung gestellt? Diesem Ruf zu folgen, den auf breiten Konsens angelegten Aufruf der Stadt als gemeinsamen Nenner zu akzeptieren, wäre das Gebot der Stunde. So aber droht ein makabrer Wettbewerb der Gegner von Worch und Co. darum, wer die besten, die wahren Kämpfer gegen Rechts sind, wer sich dem braunen Feind am entschiedensten entgegen wirft. Nabelschau statt gemeinsamer Widerstand, Diffamierung von Gegendemonstranten an Stelle einheitlichen Agierens – diese Zerrissenheit wird Worch sicher Mut machen, bald die nächste Neonazi-Demo in Potsdam anzumelden. Daher bleibt nur eines: Geschlossen gegen Rechts demonstrieren.
Die Zeiten der Volks- und Einheitsfronten (die übrigens alle kläglich scheiterten) sind vorbei. Was wir gegen den rechtsradikalen Wahn verteidigen, ist unser Recht darauf, anders und nicht eben gleichförmig zu sein. Wir zeigen nicht nur, dass wir viele sind, sondern wir zeigen auch unsere Vielfalt. Daher ist es kein Verlust, wenn sich nicht alle Antifaschisten in einer einzigen machtvollen Gegendemonstration vereinen lassen. Der Konsens, wonach für Rechtsradikale kein Platz ist in der Stadt Potsdam, kann auch durch mehrere Gegendemonstrationen zum Ausdruck gebracht werden. Lange genug hat es gedauert, bis aus den Deutschen ein ausdifferenziertes Volk geworden ist, in dem jeder nach seiner Façon glücklich werden kann. Es wäre gerade ein Unding, wenn die rückwärts gerichtete Gleichschritt-Fraktion die ihr gegenüber stehende überwiegende Mehrheit der offenen Gesellschaft dazu bringen könnte, sich wieder zu uniformieren. Die Deutschen lassen sich nicht mehr unter einer Idee oder einer Losung vereinigen, mag sie auch noch so gut gemeint sein. Der Aufruf zur zentralen Gegendemonstration ist mit Absicht sehr allgemein formuliert, damit sich möglichst viele Menschen mit ihr identifizieren können. Doch diese Stärke des Aufrufes ist auch seine große Schwäche: Es ist gerade die Unverbindlichkeit, an der sich die Freunde klarer Worte reiben. Manche Leute meinen, Antifaschismus sollte nicht bis zur Unidentifizierbarkeit verwässert werden. Das Recht, sich deutlich zu artikulieren, darf nicht bestritten oder diffamiert werden.