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Gemeinsamer Kampf am Laternenmast

In Falkensee hat ein Bünd­nis gegen rechts geschafft, wovon viele Ini­tia­tiv­en träu­men: Von der Linkspartei bis zur CDU unter­stützen alle demokratis­chen Parteien die Gruppe. Sie spon­sern Plakate, die die Bürg­er aufrufen, ihre Stimme bei der Bun­destagswahl nicht an die Recht­sex­tremen zu verschenken

Die Plakate passen nicht so recht zu dieser Bun­destagswahl. Sie hän­gen am Rand der Durch­fahrtsstraßen in Falkensee bei Berlin-Span­dau. Sie fall­en auf in ihrer Schlichtheit zwis­chen all den weib­lichen Partei-Köpfen an roten und schwarzen Jack­etts, denn sie beste­hen nur aus Text: kein Bild, gel­ber Hin­ter­grund. Man solle die Recht­en nicht wählen, fordern die Plakate.

Eines hat Michael Richter-Kempin an seinem Garten­za­un fest­gemacht. Zwei andere kleben auf Pap­pen an den Eingän­gen zum Geschichtspark. Um das alles zu ver­ste­hen, muss man sich diesen Park anse­hen — gemein­sam mit Richter-Kempin, dem pen­sion­ierten Ver­wal­tung­sober­amt­srat, 58 Jahre alt, weißbärtig.

Es sieht aus wie in einem kleinen Stadt­park. Bäume, Rasen­flächen, ein Jog­ger. Auf dem Rasen ste­hen wie vergessen rechteck­ige Beton­flächen, davor liegen beschriftete Met­allplat­ten: “Bad, Desin­fek­tion”. Die Beton­grun­drisse erin­nern daran, dass sich hier die Barack­en eines Lagers befan­den, ein Außen­lager des KZ-Sach­sen­hausen. Eine Baracke ste­ht noch, mit weißen Häftlingsskulp­turen drin, hin­ter ros­ti­gen Gittern.

Michael Richter-Kempin schaut durch die Git­ter­stäbe auf die drei gespen­stis­chen Gestal­ten. “Man brauch ja eine Stange”, sagt er. “Ver­mut­lich war das von langer Hand vor­bere­it­et.” Vor kurzem hat jemand die Häftlingsskulp­turen umgestoßen, obwohl sie eigentlich sich­er hin­ter dem Git­ter­tor ste­hen. Im Park wer­den oft Parolen gesprüht.

Es ist erst einige Monate her, es war im Früh­jahr, da haben sich Richter-Kempin und einige andere zusam­menge­set­zt und ein “Bünd­nis gegen rechts” gegrün­det — wegen der Schmier­ereien im Geschichtspark. Viele Falkenseer Vere­ine waren dabei und alle demokratis­chen Parteien. Deshalb hän­gen jet­zt über­all die Plakate. Auch an seinem Garten­za­un. Die Nach­barn sagen: “Na pass ma auf mit deinem Plakat. Haste keine Angst, dass die dir die Scheiben einknallen?”

Die Botschaft ist ein­fach: “Keine Stimme den recht­sex­tremen Parteien”. Darüber ist das Ortss­child von Falkensee zu sehen. Kreis Havel­land. “Bünd­nis gegen rechts” ste­ht unter dem Ort­sna­men. Eigentlich sollte es nur ihr Logo wer­den. Doch damals hat­ten sie noch keines, und dann kam jemand mit diesem Ortss­child-Ein­fall. Sie haben sich an den bran­den­bur­gis­chen Land­tagswahlkampf im Herb­st erin­nert. Damals hat­te die DVU Falkensees Lat­er­nen­mas­ten flächen­deck­end mit Plakat­en gepflastert. Manch­mal hin­gen 15 Plakate an einem Mast. Man müsste dem optisch etwas ent­ge­genset­zen, haben sie gedacht.

Sie sind keine Partei, nicht ein­mal ein Vere­in. Es wäre etwas kom­pliziert gewor­den, eine Genehmi­gung zum Plakatieren zu besor­gen. Also haben sie die Parteien gefragt. Die CDU-Kan­di­datin hat als erste bere­itwillig ihr Port­monee gezückt. Die anderen haben sich auch nicht ver­weigert. Jede Partei hat 40 Plakate gezahlt. Dafür darf sie auf diese 40 ihr Logo kleben. So sind schon mal 200 zusam­mengekom­men. Eine Stelle der Lan­desregierung hat die übri­gen 100 finanziert. Vor zwei Wochen kon­nten sie mit dem Aufhän­gen anfangen.

Michael Richter-Kempin sitzt mit eini­gen anderen vom “Bünd­nis gegen rechts” in einem kleinen Büro im Jugend­club “Die Brücke”. In der Ecke sur­rt ein Ven­ti­la­tor. Alle sind zufrieden. Frank Pack­häuser, der Clubleit­er, sagt: “Dass dieses über­parteiliche Bünd­nis sich in den Wahlkampf ein­schal­ten kann und alle Parteien eint von der Linkspartei bis zur CDU, das ist ´ne Dimen­sion, die wir so am Anfang gar nicht erhofft hätten.”

Falkensee ist keine rechte Hochburg, dafür liegt es wahrschein­lich zu nah an Berlin. Eine Pendler­stadt im Speck­gür­tel. Bei der Bun­destagswahl 2002 bekam die NPD hier rund 1,5 Prozent der Zweit­stim­men. Bei der Land­tagswahl 2004 holte die DVU 770 Stim­men, etwas mehr als 5 Prozent und damit ein biss­chen weniger als im Lan­des­durch­schnitt. “Wir haben auch in Falkensee eine rechte Klien­tel”, sagt Frank Pack­häuser, “und zwar eine starke rechte Klientel.”

Pack­häuser ist Erzieher. Seit sechs Jahren leit­et er “Die Brücke”. Er hat in dieser Zeit langsam gel­ernt, nicht alles zu akzep­tieren. Der Jugend­club liegt im Plat­ten­bau­vier­tel. “Sehr anfäl­lig für rechte Jugendliche” sei dieses Gebi­et, sagt Pack­häuser. “Die Brücke” galt früher mal als rechts. Heute sind die Recht­en raus. Es war ein aufreiben­der Prozess. Sie haben ihn bedro­ht. Auf den Straßen­festen des Clubs haben sie “Heil Hitler” gerufen. Wenn er spät nach Hause kam, hat­te seine Frau Angst, dass er irgend­wo im Straßen­graben liegt. Es gab Strafanzeigen, aber es gab irgend­wann auch Club-Besuch­er, die öffentlich gegen die Recht­sex­tremen gesprochen haben. Neulich hat der Jugen­damt­sleit­er gefordert, keine recht­sex­tremen Jugendlichen in die Jugend­clubs zu lassen. Das fand Pack­häuser toll. “In dieser Deut­lichkeit wäre das vor ein paar Jahren nicht möglich gewesen.”

Auch die Ini­tia­tive hätte es wohl schwieriger gehabt. Ihre erste Aktion war eine Demo gegen die Beschmierun­gen am Geschichtspark mit mehr als 200 Leuten. Dann haben sie eine “Fach­ta­gung” organ­isiert zur “akzep­tieren­den Jugen­dar­beit” und dazu Ver­bandsvertreter aus der näheren Umge­bung ein­ge­laden. Sie warten jet­zt ab, ob die NPD noch plakatieren wird, ob sie sich vielle­icht sog­ar an diesel­ben Mas­ten traut, an denen auch ihre ortss­child­far­be­nen Plakate hän­gen. Vor kurzem erst hat Richter-Kempin Anzeige erstat­tet. Einige Plakate waren abgeris­sen wor­den. Allerd­ings nicht nur die Papp­schilder der ganz großen Falkenseer Koali­tion, auch die Kon­ter­feis der CDU-Kan­di­datin. Die Fet­zen liegen noch in seinem Kofferraum.

Wenn weit­er Plakate abgeris­sen wer­den, machen sie vielle­icht eine Mah­nwache an den Lat­er­nen­mas­ten. Und soll­ten NPD-Parolen plakatiert wer­den, dann “wer­den wir mit einem Lächeln draufkuck­en, weil unsere Plakate daneben hän­gen”, so Pack­häuser. Er freut sich darauf.

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