Minister erbost: Tiefpunkt der Auseinandersetzung
Potsdam (dpa) • Agrar- und Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) hat eine für Ende Juli angekündigte Zerstörung eines Feldes mit Genmais als Tiefpunkt der Auseinandersetzung um die Agro-Gentechnik gewertet. “Wer meint, es gebe für diese Aktion eine Rechtfertigung aus angeblich höheren Motiven oder wie auch immer begründeter Einstellung gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft, liegt falsch”, sagte der Minister gestern.
Gentechnikgegner, die sich an der Aktion beteiligen, stellten sich selbst ins Abseits, sagte der Minister. Im Land werde die Einrichtung gentechnikfreier Regionen unterstützt. “Andererseits wollen und müssen wir auch die Grundlagen für eine Koexistenz mit den Nutzern der Gentechnik schaffen”, erläuterte Woidke. Voraussetzung sei die Selbstbestimmung und Freiwilligkeit der Landwirte. Die Zerstörung von Anbauflächen als “Öffentlichkeitsarbeit” zu deklarieren, lässt laut Woidke Zweifel am Demokratieverständnis der Initiatoren aufkommen.
Eine Initiative “Gendreck weg” hat die Zerstörung eines Feldes mit gentechnisch veränderten Mais in der Nähe von Strausberg angekündigt.
Berliner Zeitung:
Die angekündigte Zerstörung
Bundesweit erstmals kündigen Gegner genmanipulierter Pflanzen eine “Feldbefreiung” Wochen vorher an
HOHENSTEIN. Das Maisfeld von Jörg Piprek sieht aus wie jedes andere. Und doch sorgt es bundesweit für erhebliche Aufregung. Die Pflanzen stehen auf dem 50 Hektar großen Acker etwa einen Meter hoch. Alles scheint ganz normal. Doch dieses Stückchen Land in Ostbrandenburg soll am 30. und 31. Juli zum Schauplatz eines Stellvertreterkrieges werden. Gegenüber stehen sich Bauern, die genveränderten Mais anpflanzen, und ihre radikalen Gegner. Die planen diesmal keine der üblichen Nacht-und-Nebel-Aktionen, sondern die erste angekündigte Zerstörung eines Genmaisfeldes.
Provokateur ist immer der andere
“Wir wollen in der Nähe des Feldes ein genfreies Wochenende verbringen”, sagt Imkermeister Jürgen Binder aus Rottenburg bei Tübingen. Binders Initiative “Gendreck weg” versteht sich als bundesweite Koordinierungsstelle des Protestes der Gen-Gegner. Die haben sich für die Aktion “Freiwillige Feldbefreiung” bewusst das Feld in Brandenburg ausgesucht. “Es ist bundesweit das einzige direkt an einem Naturpark”, sagt Binder und spricht von einer “dreisten Provokation”. Das Aufklärungswochenende mit Gottesdienst soll sogar polizeilich angemeldet werden. “Wenn die Veranstaltung am Sonntag beendet ist, kann sich jeder privat an der nachfolgenden Aktion beteiligen — am Betreten des Feldes und dem Rausreißen der Genpflanzen”, sagt er. Die Aktivisten sehen sich als Vorkämpfer, denn in Umfragen lehnen 70 Prozent der Deutschen genveränderte Pflanzen ab. “Wir sind keine Chaoten, sondern verantwortungsvolle Bürger. Deshalb kündigen wir die Aktion auch an”, sagt er. Er rechnet mit bis zu 1 000 Teilnehmern.
Landwirt Piprek findet die Ankündigung unverständlich. “Die wollen nur Chaos und die militante Aktion”, sagt er. “Die planen ihren Protest, ohne vorher mit mir zu reden.” Sein Anbau werde vom Biologischen Bundesamt wissenschaftlich begleitet. Die Fachleute werden die Insekten im Mais zählen. Denn deshalb hat sich der 44-Jährige für den genveränderten Mais entschieden: Der gilt als resistenter gegen Insekten. “Ich will keine Insektizide einsetzen, obwohl ich es auch hier am Naturpark dürfte”, sagt er. Etwa 90 Euro kostet ihn die normale Maissaat pro Hektar. Dazu kommen 40 Euro für Insektengift. Der Gen-Mais kostet nur 113 Euro. Die Ernte ist als Futtermais gedacht. “Sollte es den Leuten gelingen, das gesamte Feld zu zerstören, läge der Schaden bei 50 000 Euro”, sagt Piprek. Er hofft auf massiven Polizeischutz.
Polizeisprecherin Branka Agotz sagt: “Wir haben die Aufgabe, das Eigentum des Bauern zu schützen, genauso wie die Veranstaltung der Gegner, wenn die erlaubt wird.”
Im Brandenburger Agrarministerium ist der Ärger über die geplante Feldzerstörung groß. “Sie stellt eine neue Qualität und einen Tiefpunkt in der Auseinandersetzung dar”, sagt Peter Rudolf, der extra für dieses Thema eingesetzte “Koexistenz-Beauftragte”. Schon der Begriff freiwillige Feldbefreiung sei heuchlerisch, denn die Aktivisten wollen gegen die Lebensgrundlage des Landwirts vorgehen. “Das ist kriminell und eine Provokation des Rechtsstaates”, sagt Rudolph. Mit der selben Begründung könnten auch Felder zerstört werden, auf denen chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. “Der Landwirt macht etwas, das ihm das Gesetz erlaubt”, sagt er. Die Gegner müssten den politischen Streit suchen.
Udo Folgert, Chef des Bauernverbandes, fordert eine politische Regelung, die ein Nebeneinander erlaubt von konventioneller und ökologischer Landwirten und von Bauern, die Genpflanzen als Zukunftstechnologie nutzen wollen.
Umweltverbände wie der BUND lehnen Feldzerstörungen ab. “Wir wollen keine Gewalt, wir diskutieren mit Bauern, damit sie ihre Felder nicht mit Genmais bestellen”, sagt Nora Mannhardt. Immerhin hätte so die Hälfte der Bauern ihren Plan aufgeben, in Brandenburg Genmais anzubauen.