Bürgerinitiative mobilisiert gegen die »Normalität« des Anbaus von gentechnisch manipulierten Pflanzen. Feld nahe Berlin soll »gezielt zerstört« werden
Jürgen Binder will unverfälschten, reinen Honig produzieren. Sein Berufsethos als Imker lasse gar nichts anderes zu, sagt er. Doch er ist nicht sicher, ob er diesen Anspruch überhaupt noch erfüllen kann. Wenn Anfang Juni »in der Flur sonst fast nichts mehr blüht«, suchen die Bienen Maisfelder auf. Nicht um Nektar zu sammel, sondern sie bedienen sich dort am üppigen Pollenangebot. Maispollen, so Binder, sei ein begehrter Eiweißspender für den Bienennachwuchs und werde für die Überwinterung im Bienenstock eingelagert. Doch Mais ist nicht mehr gleich Mais.
Risiko durch Genmais
Im Mai haben nach Angaben von Umweltaktivisten Bauern aus sechs Bundesländern Saatgut in die Erde gebracht, das insektenresistente Maispflanzen verspricht. Diese Resistenz ist Resultat einer gentechnischen Veränderung, einer Manipulation am Erbgut der Pflanze. Das mache aus simplen Maispflanzen biologische Zeitbomben, sagen Umweltschützer.
Keineswegs, halten die Befürworter dagegen. Die Pflanzen seien stabiler, Verluste durch Schädlingsbefall nahezu ausgeschlossen und das finanzielle Risiko der Bauern dadurch reduziert. Negative Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen auf Natur und Mensch seien trotz intensiver Forschungen nicht bekannt. Nicht zuletzt die Zulassung solchen Saatguts durch zahlreiche nationale Regierungen und Parlamente spräche für sich. Mitte März verabschiedete der Bundestag den zweiten Teil des deutschen Gentechnikgesetzes. Seitdem ist der Anbau höchstoffiziell sanktioniert. Das soll auch bedeuten, es besteht keine Gefahr für die Allgemeinheit.
Imker Binder ist da anderer Meinung: »Hier wird etwas in Gang gesetzt, das nicht rückgängig gemacht werden kann.« Deshalb hat sich Binder mit Gleichgesinnten zusammengetan und will etwas gegen die vermeintliche Normalität des Anbaus genmanipulierter Pflanzen tun. Es sind keine Glaubenskrieger, die sich für die Aktion »Gendreck weg« zusammengetan haben, keine esoterischen Gefühlsumweltschützer, sondern Leute vom Fach. Wie etwa Michael Grolm.
Der Agraringenieur, wie Binder eng mit der Landwirtschaft verbunden, hofft: »Couragiertes Einschreiten kann das Blatt noch wenden.« Nach seinen Erkenntnissen sei nicht nur die übergroße Mehrzahl der Konsumenten gegen Gentechnik. Auch ein Großteil der Landwirte stehe der Kultivierung genmanipulierter Pflanzen ablehnend gegenüber. Doch für Grolm ist es keine Beruhigung, daß nur etwa die Hälfte der dafür vorgesehenen Fläche in Deutschland tatsächlich entsprechend genutzt werde. Deshalb wurde er als einer der Erstunterzeichner in der Kampagne aktiv. »Wir wollen erreichen, daß die Abkehr von der Gentechnik und notfalls auch die aktive Gegenwehr zum guten Ton gehören«, so Grolm.
Tag der Befreiung
Ein Signal dafür soll eine »freiwillige Feldbefreiung« sein. Zu den Flächen, die mit Genmais kultiviert wurden, zähle eine im Naturpark Märkische Schweiz nahe Berlin. Am 30. und 31. Juli wollen einige hundert Gegner der Gentechnik die Öffentlichkeit vor Ort auf die Gefahren dieser Methode aufmerksam machen. In aller öffentlichkeit wollen Grolm, Binder und ihre Mitstreiter ein mit Genmais beplanztes Feld unbrauchbar machen.
Auf diesem Feld wachse der gentechnisch veränderte Mais Mon 810. Dieser Mais wird vom Weltmarktführer, dem US-Nahrungsmittelkonzern Monsanto angeboten. Der hat inzwischen bereits die halbe Welt mit seinem Genmanipulierten Saatgut versorgt. Besonders in den USA und zahlreichen Entwicklungsländern wird Genmais seit geraumer Zeit angebaut. Das müsse – und könne – in Deutschland verhindert werden, so die Initiatoren von »Gendreck weg«. Indem man die Felder verwüstet?
Ihre »Feldbefreiung« sei kein »Akt willkürlicher Aggression« betont Grolm. Polizei und Presse würden offiziell zur Beobachtung eingeladen, der betroffene Landwirt für den Ernteausfall symbolisch entschädigt. »Wir wollen mit unserer Aktion nicht das schwächste Glied in der Agrarkette attackieren«, sagt Jürgen Binder. Doch stelle man sich vorsichtshalber darauf ein, notfalls auch von der Polizei in Gewahrsam genommen zu werden. Binder kämpferisch: »Wir wollen in aller Konsequenz deutlich machen, daß die Bürger in Deutschland sich die Gentechnik nicht bieten lassen.«
* www.gendreck-weg.de