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Gericht kann die Mauer des Schweigens nicht brechen

Witt­stocks Bürg­er­meis­ter ver­langt harte Strafen im Prozess um den Tod eines
Russlanddeutschen

Lutz Schei­de­mann ist anges­pan­nt. Der FDP-Bürg­er­meis­ter von Witt­stock in
Nord­bran­den­burg hat sich den Mon­tag dick im Kalen­der angestrichen: Am
Neu­rup­pin­er Landgericht soll am 3. März das Urteil im Prozess um den Tod
eines Rus­s­land­deutschen (die RUNDSCHAU berichtete) verkün­det wer­den. Der
Mann wurde im Mai 2002 in Witt­stock erschlagen. 

Wie hoch das Straf­maß für die fünf Angeklagten aus­fällt, ist nicht nur für
Schei­de­mann inter­es­sant. Der Vor­fall brachte nicht nur Witt­stock ein
frem­den­feindlich­es Image, son­dern rück­te erneut ganz Bran­den­burg in ein
solch­es Licht. Sel­ten lagen allerd­ings die Forderun­gen von Ankläger und
Vertei­di­gung so weit auseinander. 

Was war geschehen? Nach ein­er Tech­no-Disko am 3. Mai 2002 in einer
Gast­stätte im Ort­steil Alt Daber geri­eten zwei Aussiedler und eine Gruppe
Ein­heimis­ch­er aneinander. 

Feld­stein auf Opfer geworfen

Plöt­zlich ras­ten fünf junge Män­ner — die jet­zt 20- bis 23-jährigen
Angeklagten — aus. Sie schla­gen und treten die Opfer, zum Schluss wirft ein
Angreifer sog­ar einen 17,7 Kilo­gramm schw­eren Feld­stein auf die wehr­los auf
dem Pflaster vor der Disko Liegen­den. Der 24-jährige Kajrat Bate­sow, den der
Stein voll trifft, stirbt 20 Tage später an inneren Ver­let­zun­gen; sein
Fre­und über­lebt schw­er verletzt. 

Doch das Dilem­ma der Ankläger und der Jugend­strafkam­mer wird im Prozess
schnell klar. “Obwohl die Disko aus und eine Menge Gäste vor der Gaststätte
waren, will nie­mand etwas gese­hen haben”, klagt Staat­san­walt Kay Clement.
Mehrfach spricht er von ein­er “Mauer des Schweigens”. Trotz­dem glaubt der
Ankläger Haft­strafen von acht, neun und zwölf Jahren wegen Totschlags für
die drei mut­maßlichen Haupt­täter fordern zu kön­nen. Die Vertei­di­gung sieht
dafür kaum Beweise, ver­langt als höch­ste Strafe zweiein­halb Jahre Haft für
den Lehrling. “Das Schweigen tut der Stadt nicht gut”, sagt Bürgermeister
Schei­de­mann. Er ver­langt harte Strafen für die Haupt­täter. “Wer die
Gesund­heit ander­er aufs Spiel set­zt, sollte dafür ger­ade stehen.” 

“Wir sind kein recht­es Nest”

Nach dem Vor­fall hat­te es mehrfach Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen Aussiedlern
und Ein­heimis­chen gegeben. “Damals sucht­en die jun­gen Aussiedler auf eigene
Faust nach Tätern”, erk­lärt Schei­de­mann. Heute habe sich das beruhigt, auch
wenn das Sprach­prob­lem als Haup­tur­sache geblieben sei. “Die Leute müssen
länger Deutsch ler­nen”, ver­langt er. Viele sind wegge­zo­gen, so auch die
Mut­ter des Toten. Sie tritt als Neben­klägerin auf. Ihre Anwältin sieht sogar
“einen Mord”. 

Das dama­lige Erstauf­nah­me­heim für Aussiedler in Alt Daber wird aufgelöst,
die Leute sollen gle­ich in Woh­nun­gen unterge­bracht wer­den, um sie vielleicht
bess­er zu inte­gri­eren. “Das fällt aber schw­er bei ein­er der höchsten
Arbeit­slosen­quoten im Land mit 24,4 Prozent im Altkreis”, schätzt
Schei­de­mann ein. 

Auf keinen Fall sei Witt­stock aber ein “recht­es Nest”, wie viele
behaupteten. “Wegen ein­seit­iger Berichte mussten wir zeitweise sog­ar das
Besucher­buch schließen, so wur­den wir angefeindet.”

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