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Geschichte als beste Lehrmeisterin

(Eve­lyn Cosi­ma Schönsee, MOZ) Eisen­hüt­ten­stadt — Der NS-Zeitzeuge Sal­ly Per­el hat Schülern des Fürsten­berg­er Gym­na­si­ums am Fre­itag aus seinem Buch “Ich war Hitler­junge Salomon” vorge­le­sen. Als Botschaft gab der in Israel lebende Schrift­steller den Jugendlichen mit auf den Weg, Frem­den­hass und Recht­sradikalität keine Chance zu geben. 

“Wenn ich nach Deutsch­land komme, ist es ein her­rlich­es Gefühl, wieder hier zu sein — dies­mal nicht als Ver­fol­gter, son­dern als freier Men­sch mit meinem echt­en Namen”, ließ Sal­ly Per­el die Schüler der acht­en Klassen­stufe des Fürsten­berg­er Gym­na­si­ums wis­sen. Der bei Tel Aviv in Israel lebende NS-Zeitzeuge und Schrift­steller war in die Ein­rich­tung gekom­men, um Geschicht­slehrer zu spie­len, wie Per­el mit einem Schmun­zeln sagte. 

“Die beste Lehrmeis­terin aber ist die Geschichte selb­st”, betonte der Autor mit einem ern­sten Blick auf die Gesichter der Gym­nasi­as­ten, die mucksmäuschen­still den Worten des 80-Jähri­gen lauscht­en. Im Rah­men des Pro­jek­tes der Hein­rich-Böll-Stiftung “Bunt statt braun” macht Per­el im Mai und Juni in ver­schiede­nen Bil­dung­sein­rich­tun­gen in ganz Deutsch­land Sta­tion. Der Autor beg­ibt sich dabei zum wieder­holten Male auf Lesereise. “Ich bin ein­fach auf die Schilderung sein­er per­sön­lichen Erleb­nisse während der NS-Zeit ges­pan­nt”, sagte der 14-jährige Den­nis Klee­mann, der sich wie der Achtk­lässler Leonard Mätzke über dieses Kapi­tel der deutschen Geschichte aus erster Hand informieren wollte. 

In seinem auto­bi­ografis­chen Buch “Ich war Hitler­junge Salomon”, das auch ver­filmt wurde, ver­ar­beit­ete Per­el das in Jugend­jahren Erlebte nach vierzig Jahren des Schweigens. Es ist die Geschichte ein­er dop­pel­ten Iden­tität: Als jüdis­ch­er Junge über­lebte Sal­ly Per­el die Schreck­en­sh­errschaft des NS-Regimes in der Uni­form der Nationalsozialisten. 

Im nieder­säch­sis­chen Peine geboren, flüchtet er mit sein­er jüdis­chen Fam­i­lie 1935 nach Polen. Während die Eltern im Ghet­to in Lodz umkom­men, flieht Sal­ly in die Sow­je­tu­nion bis nach Min­sk, wo er schließlich 1941 deutschen Trup­pen in die Hände fällt. Er gibt sich als Volks­deutsch­er aus und wird nach einem Jahr bei der Wehrma­cht an der Ost­front in eine Hitler­ju­gend-Schule nach Braun­schweig gebracht, wo er vier Jahre bis zum Kriegsende unter dem Namen Jupp Per­jell bleibt. 

“Für mich waren es vier Ewigkeit­en”, beschrieb der Zeitzeuge die tägliche Angst vor sein­er Ent­tar­nung als Juden. Obwohl sein Vater ihm zum Abschied die Mah­nung “Ver­giss nie, wer du bist”, mit auf den Weg gegeben habe, sei er zu seinem Schutz dazu gezwun­gen gewe­sen, die jüdis­che Iden­tität im Inneren “tief zu ver­graben”. Seine jüdis­che und die Seele des zum Leben erwacht­en Hitler­jun­gen Joseph (Jupp) hät­ten einan­der bekriegt, der innere Zwies­palt habe “die Schul­bank zur Folter­bank” für ihn wer­den lassen. 

Als Jugendlich­er habe er sich dur­chaus für den Zeit­geist des Drit­ten Reich­es begeis­tern kön­nen: “Ich wurde ein echter Hitler­junge, der sich mit der nation­al­sozial­is­tis­chen Ide­olo­gie iden­ti­fizierte”, ges­tand Per­el seinen Zuhör­ern. Auch auf ihn habe das Gift der NS-Pro­pa­gan­da gewirkt. Mit der Rassenkunde sei er jedoch nicht ein­ver­standen gewe­sen. Denn dass der Jude den Satan verkör­pern sollte, habe er als Junge schlicht nicht begreifen kön­nen: “Ich kon­nte mich noch so viel im Spiegel anschauen, ich hat­te ein­fach keine Hörn­er”, machte der Autor auf humor­volle Weise mit einem Augen­zwinkern den Achtk­lässlern die innere Zer­ris­senheit deut­lich, die ihn damals gequält habe. Auch heute noch müsse er mit dem Kon­flikt der zwei Iden­titäten zurechtkom­men: “Der Hitler­junge lebt in mir, ich werde ihn nicht los.” 

Die unzäh­li­gen in Konzen­tra­tionslagern ermorde­ten jüdis­chen Kinder, deren einzige Schuld es gewe­sen sei, als Juden geboren wor­den zu sein, könne er nicht vergessen. “Ich will euch gegen die braune Gefahr mit den Trä­nen dieser Kinder impfen”, betonte Per­el, worauf es ihm mit sein­er eige­nen Geschichte ankommt. 

Die Fehler der Ver­gan­gen­heit dürften sich nicht wieder­holten. Deshalb richte sich die Botschaft seines Buch­es gegen Recht­sradikalis­mus und Frem­den­hass. Der Hass sei das wichtig­ste Pro­pa­gan­damit­tel des NS-Regimes gewe­sen und müsse deshalb bekämpft werden. 

“Ihr sollt kri­tisch sein”, foderte der 80-jährige Zeitzeuge sein jugendlich­es Pub­likum auf und bedauerte, dass nicht mehr Schüler — auch der höheren Klassen­stufen — gekom­men waren.

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