(MOZ) Nach der Räumung des besetzten Hauses an der Rosa-Luxemburgstraße (wir
berichteten) hat es erste Gespräche zwischen der Stadt und den betroffenen
Jugendlichen gegeben. Bürgermeisterin Katja Wolle, als Dezernetin für den
Bereich Jugend und Soziales zuständig, traf sich noch am Dienstagabend mit
jungen Frankfurtern, die vors Rathaus gezogen waren. Im
Stadtverordnetensitzungssaal ließ sie sich die Situation der Jugendlichen
schildern. Anschließend lud die Bürgermeisterin sie zur nächsten Sitzung des
Jugendhilfeausschusses am kommenden Dienstag ein, wo sie ihr Projekt
vorstellen sollen.
Etwa 15 junge Frankfurter im Alter von 18 bis 25 Jahren hatten am Sonnabend
die seit Jahren leer stehende landeseigene Villa an der Ecke
Rosa-Luxemburg-/Wieckestraße besetzt, wo sie ein alternatives Kulturzentrum
einrichten wollten. Ihre Aktion hatten sie u. a. mit “fehlenden Freiräumen
in der Stadt” begründet.
Katja Wolle will nun zuerst klären, “ob wir wirklich am Bedarf vorbei sind”.
Sie verwies auf die “vielfältige Jugendszene” in Frankfurt — und darauf,
dass sich die Stadt nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten bewegen
könne. Illegale Handlungen wie die Hausbesetzung seien, so betonte Katja
Wolle, keine Grundlage, Forderungen zu stellen.
Als Schritt in die richtige Richtung und Teilerfolg wertete einer der
Hausbesetzer gestern die begonnenen Gespräche. Man werde das Konzept für das
angestrebte Zentrum überarbeiten und zur Ausschusssitzung fertigstellen,
sagte er gegenüber dem Stadtboten. Die jungen Leute wollen sich eine Lobby
verschaffen, Verbündete — auch unter den Stadtverordneten — suchen. Ob
unterdessen weitere Aktionen geplant sind, ließ der Hausbesetzer offen.
Bürgermeisterin Katja Wolle forderte die Jugendlichen auf, das Angebot des
Landes anzunehmen, ihr Konzept in anderen landeseigenen Gebäuden zu
verwirklichen. Im Raum stehen Häuser in der Herbert-Jensch-Straße und in der
Beeskower Straße. Von Seiten des zuständigen Liegenschafts- und Bauamtes
hieß es nach der Räumung, dass diese Offerte aufrecht erhalten werde. Frank
Hammer, PDS-Landtagsabgeordneter und Stadtverordneter, begrüßte das Konzept
der jungen Leute. Sie hätten mit der widerrechtlichen Hausbesetzung auch
darauf aufmerksam gemacht, “dass mit leer stehenden Immobilien nichts
passiert”. Die Räumung bezeichnete er als überzogene Reaktion. Hammer
kündigte an, dass er die Verkaufsbemü-hungen des Landes kontrollieren werde.
Die zweistöckige Villa soll veräußert werden, bislang wurde noch kein Käufer
gefunden.
Polizei räumte Villa Rosa
(Rote Hilfe Fankfurt/Oder) Ein martialisches Polizeiaufgebot mit einem Sondereinsatzkommando wurde gegen friedliche HausbesetzerInnen eingesetzt.
Am Nachmittag des 23.04.2005, den 60. Jahrestag der Befreiung Frankfurts vom Nationalsozialismus, wurde ein leerstehendes Haus in der Wieckestraße 2–3 in Frankfurt (Oder) besetzt. Trotz der vorläufigen Duldung zumindest übers Wochenende, wurde die “Villa Rosa” am Dienstag , den 26.04.05 um 13.oo Uhr geräumt.
Unter Androhung einer gewaltsamen Erstürmung des Hauses durch das schwerbewaffnete Sondereinsatzkommando-Brandenburg (SEK), entschieden sich die HausbesetzerInnen die “Villa” zu verlassen. Jedoch taten sie das nicht, ohne lautstark auf die repressiven Maßnahmen aufmerksam zu machen. Ein massives Aufgebot einer uniformierten Hundertschaft der Landeseinsatzeinheit (LESE) aus Potsdam sicherte die Räumung ab und begleitete die HausbesetzerInnen z.T. unter Gewalteinwirkungen vom Gelände. Die Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes gegen 14 junge HausbesetzerInnen, wurde laut Polizeisprecher Detlef Lüben dadurch erklärt, dass “Nachbarn beobachtet(en), wie Steine ins Haus getragen worden waren.”. Durch eigene Recherche wurde festgestellt, dass es sich nachweißlich um Gasbetonsteine handelte, welche für den Baueinsatz genutzt wurden.
Weiterhin ist es sehr verwunderlich, dass dennoch die LESE-Einheit direkt vor dem Haus auf die BesetzerInnen warteten, wo sie doch die Situation angeblich für so gefährlich einschätzten, wie Lüben verlautete.
Es kam während des Abführens der BewohnerInnen immer wieder zu Provokationen seitens der Polizei, auf welche sich die Jugendlichen nicht einließen. Einem Bewohner welcher lautstark gegen die Ungerechtigkeit der Inhaftierung protestierte, wurden die Arme verdreht und man legte ihm Handfesseln an. Alle 14 wurden vorläufig festgenommen und wurden zum Polizeipräsidium in die Nuhnenstraße abtrasportiert.
Dort angekommen, wurden einige der AktivistInnen aufgefordert sich völlig auszuziehen und einer Leibesvisitation zu unterziehen.
Bei allen Menschen wurde eine völlig unangemessene ED-Behandlung durchgeführt.
Mehreren BesetzerInnen wurden beim Verlassen der Zelle, sei es zur Vernehmung oder zum Telefonieren, immer wieder die Handschellen angelegt.
Der Anwältin des Kollektivs wurde der Zugang zu ihren Mandanten verwehrt, da laut Polizeiangaben nicht geklärt war, ob sie an der Besetzung beteiligt gewesen ist. Telefonate mit der Anwältin wurden mittels der Lautsprecheranlage des Telefons durch Vernehmungsbeamte mitgehört.
Die letzten inhaftierten AktivistInnen wurdengegen 20.oo Uhr aus dem Gewahrsam entlassen.
Am Nachmittag trafen sich mehrere SymphatisantInnen und UnterstützerInnen des Hausprojektes am Karl-Marx-Denkmal und zogen in einer Spontandemonstration formiert in Richtung Rathaus um gegen die Räumung der “Villa Rosa” und für die Schaffung selbstverwalteter Zentren zu demonstrieren. Weiterhin wurde die Freilassung der Inhaftierten gefordert, welche sich seit dem Mittag in Polizeigewahrsam befanden.
Dort angekommen wollten sie vom Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) eine Stellungnahme verlangen. Jedoch wurde ihnen, auf Weisung Martin Patzelts, von der eingetroffenen Polizei-Einheit der Zugang in das öffentliche Gebäude verwehrt. Es ist offensichtlich, wie hier wiedereinmal die demokratischen Grundrechte durch die Stadtoberen mit den Füssen getreten werden.
Erst nach Klarstellung durch die Bürgermeisterin Katja Wolle (SPD), ließen sie von ihrem “Befehl” ab, die DemonstrantInnen nicht ins Rathaus zu lassen.
Im Rathaus fanden Gespräche zwischen der Bürgermeisterin, der PDS-Stadtverordneten Sandra Seifert und dem BesetzerInnenkollektiv statt.
Im Anschluss hielten die DemonstrantInnen eine Kundgebung vor dem Rathaus ab. Nachdem diese vom Anmelder aufgelöst worden war, ließ die Polizei nicht davon ab, die TeilnehmerInnen immer wieder zu schikanieren. Sie versuchten mit allen Mitteln, ihr Recht auf Meinungsäußerung, in Form einer Spontandemonstration, zu verhindern.
Mit der fadenscheinigen Begründung, dass es ” zu dunkel” sei, um “die Sicherheit der Demonstranten zu gewährleisten” wurde die Demonstration für Verboten erklärt und bei Widerhandlungen mit repressiven Maßnahmen gedroht.
Wie an diesem Tag abermals erkennbar wurde die Wahrnehmung der demokratischen Grundrechte mit repressiven polizeistaatlichen Maßnahmen verweigert. Wir fordern weiterhin die Schaffung eines selbstverwalteten sozialen Zentrums in Frankfurt (Oder) und überall. Um die antifaschistischen und basisdemokratischen Grundsätze in der Gesellschaft zu etablieren, müssen wir soziale Freiräume schaffen.
Solidarität mit der “Villa Rosa” !
Presseerklärung des Besetzerinnenkollektives
Das Haus in der Rosa-Luxembergstraße, Ecke Wieckestraße, wurde vorgestern, am 26.04.05, durch Einsatzkräfte d
er Polizei des Landes Brandenburg geräumt. Der Polizeieinsatz, der kurz vor 13 Uhr begann, war einer der größten und kostenintensivsten der jüngeren Frankfurter Stadtgeschichte. Rund dreißig Polizeifahrzeuge der Bereitschaftspolizei und aus dem Poilzeipräsidium Frankfurt( Oder) sperrten das Gebiet um die besetzte Villa weiträumig ab. Ein riesiges Aufgebot behelmter und gepanzerter Polizisten begann sich daraufhin auf dem Hof vor der Villa rund um das Gebäude zu postieren. Dabei zeigten sich die Beamten der Bereitschaftspolizei nicht eben freundlich. Der Journalist Kamil M. zum Beispiel wurde angeschrien, bedroht und kurzzeitig am Filmen gehindert. Andere Besucherinnen wurden gezwungen sich mit dem Gesicht an die Wand zu stellen. Während dessen bereiteten sich Mitglieder des Sonder-Einsatz-Kommandos, kurz SEK, auf den Sturm des Hauses vor. Die Szenerie muss auf die zahlreichen Zuschauer der Polizeiaktion martialisch und beängstigend gewirkt haben: da machten sich dunkel gekleidete und vermummte Gestalten, welche mit Schrotflinten und Maschinenpistolen bewaffnet waren, bereit für einen gewaltätigen Angriff auf 14 friedfertige Jugendliche im Alter von 18- 22 Jahren. Der Einsatz der Antiterrortruppe wurde von Poilzeisprecher Detlef Lüben damit begründet ‚dass Anwohner bemerkt hätten wie Steine in das Haus getragen wurden. Diese Behauptung entspricht der Wahrheit. Es handelte sich dabei nachweislich um Mauersteine, die zur Errichtung provisorischer Tische benutzt worden waren. Nach unserem Wissensstand erfüllt der Besitz von Baumaterialien weder nach Landes- noch nach Bundesrecht einen Straftatbestand. Zu keinem Zeitpunkt erwogen die Besetzerinnen die Verteidigung der Villa mit gewaltätigen Mitteln. Bis zum Beginn der Polizeiaktion stand außerdem jedem interresierten Menschen die Tür zu dem von uns angestrebten sozialen Zentrum offen, da wäre Raum für Fragen und Diskusionen gewesen, der seitens der Stadt und des Landes jedoch weitesgehend ungenutzt blieb. Einige Kommunal- und Landespolitiker, darunter Katja Wolle und Frank Hammer, sahen sich im Haus um und überzeugten sich von den gemeinnützigen und friedlichen Absichten der Besetzerinnen. Nach Beendigung der Räumung wurden dann alle Aktivistinnen in Gewahrsam genommen und ins Polizeipräsidium in der Nuhnenstraße überführt. Dort wurden sie gegen ihren Willen erkennungsdienstlich behandelt und Leibesvisitationen unterzogen. Infolge dessen wurde ihnen eröffnet, dass sie Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und illegalem Abzapfen von Wasser und Strom erhalten werden. Die letzten Gefangenen wurden dann gegen 20 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen.
Während dessen hielten Unterstützerinnen der kriminalisierten Besetzerinnen
eine Solidaritätskundgebung ab. Diese zog anschließend geschlossen zum Rathaus. Dabei wurden in erster Linie zwei Fordrungen gestellt: Freilassung der Inhaftierten und Räume zum Aufbau eines selbstbestimmten sozialen Zentrums. Am Rathaus angekommen verlangten die Teilnehmerinnen des Demonstrationszuges ein Gespräch mit den politisch Verantwortlichen der Stadt. Der Zutritt zu dem öffentlichen Gebäude wurde ihnen allerdings, auf Anweisung von Oberbürgermeister Martin Patzelt, durch Beamte der lokalen Polizei verwehrt. Die Beamten der Polizei drängten die Protestierenden daraufhin mit körperlicher Gewalt vom Eingang weg. Erst auf Einlenken von Katja Wolle und der PDS-Abgeordneten Sandra Seifert ließen die Polizisten die Menge in das Rathaus wo es dann auch zu einer offenen Diskusion zwischen Bürgermeisterin Katja Wolle und den Demonstrantinnen kam.
Nun wollen wir noch mit einigen Worten auf die Verhandlungen zwischen Hausbesetzerinnen und dem Bau- und Liegenschaftsamt des Landes Brandenburg eingehen. Zunächst wurde den Aktivistinnen am ersten Tag der Besetzung die vorübergehende Duldung in der Villa bis zum vergangen Montag, den 25.04.05, durch die Bürgermeisterin zugesagt. An diesem Montag kamen wir nun im Rathaus zu Gesprächen mit BM′in Katja Wolle, Vertretern der Polizei und des Landesbau- und Liegenschaftsamtes zusammen.Die jungen Leute nutzten diese Gelegenheit um ihr Nutzungskonzept für die seit 3 Jahren leerstehende Villa darzustellen. Weiterhin boten sie die Beseitigung des sich im Keller ausbreitenden Schimmels, die Unterhaltung der anfallenden Betriebskosten sowie die Instandhaltung des Hauskomplexes an. Konkrete Verhandlungen mit dem Bau- und Liegenschaftsamt wurden den Bewohnerinnen daraufhin für 11 Uhr des Folgetages zugesichert. Bei dieser “Verhandlung” wurden den Bestzerinnen nun aber keine, wie in der Presse verlautbar, konkreten Angebote zur Nutzung anderer Objekte vorgelegt. Dies war für die jungen Leute verständlicher Weise keine vertretbare Verhandlungsebene. Ihre Position war Folgende: “Wir bleiben in der Villa bis uns konkrete Vorschläge zur Nutzung anderer Immobilien vorgelegt werden”. Dies bezeichnete der Amtsleiter des Bau- und Liegenschaftsamtes, Michael Tschauder, als Erpressung. In Folge wurden die Gespräche seitens der Behörde für beendet erklärt. Die Vertreter des Amtes verließen den Saal mit der Ankündigung, die nötigen Schritte einzuleiten. Eine Stunde später begann die Polizei Straßensperren rund um das Gebäude zu errichten.
Das Besetzerinnenkollektiv hat den Umgang mit den staatlichen Behörden als repressiv und schikanös erlebt. Es bestand offenbar kein wirkliches Interesse sich mit unseren Ideen und Plänen zum Aufbau eines unkommerziellen sozialen Zentrums auseinander zu setzen, geschweige denn dies zu unterstützen. Die jungen Leute werden Ihren Kampf um ein Bildungs-und Kulturzentrum in dieser sterbenden Stadt nicht aufgeben und weiterhin versuchen antifaschistische und basisdemokratische Grundsätze zu etablieren. Ein erster Schritt dorthin ist die Schaffung eines selbstverwalteten, sozialen Freiraums. Die Aktionistinnen haben versucht mit ihrer Aktion einen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben in Frankfurt (Oder) zu leisten. Dabei war eine große Solidarität von seitens der Bevölkerung zu spüren. Von staatlicher Seite wurden die Besetzerinnen augenscheinlich als gefährliche Kriminelle und Schwerverbrecher eingestuft.Anders kann man auch den völlig überzogenen Polizeieinsatz, inklusive Antiterroreinheit, nicht erklären. Das Besetzerinnenkollektiv ist über diese Vorgehensweise schockiert und empört. Ein Untersuchung im Landtag zu dem SEK-Einsatz wird seitens der Aktionistinnen bereits angestrebt.
Gegen die Unterdrückung sozialer Bewegung in Frankfurt(Oder) und anderswo.
Für die Meinungsfreiheit!
Helfen sie unkommerzielle Bildungs- und Kulturzentren aufzubauen!
Die BewohnerInnen
Das Haus der Träume – Der Traum vom Haus
(Blogbeitrag von Mathias Richel bei Zeit Online) Ich war 19 Jahre alt, als ich meine Heimatstadt verließ. So wie es schon viele Jugendliche meines Alters vor mir taten. Von meiner Abiturklasse wohnen nur noch zwei Mitschüler in der Grenzstadt – meinem Frankfurt (Oder).
Es ist die Mischung aus Perspektivlosigkeit, Enttäuschung und Resignation, die so viele in die Flucht schlägt, denn vor allem drei Schlagworte verbindet man mit der Stadt: Arbeitslosigkeit, Chip-Fabrik und Neonazis. Nicht gerade Attribute, mit denen man sich gern schmückt. Dass Frankfurt mehr zu bieten hat, bemerkt dann der Besucher auch recht schnell. Die Innenstadt hat eine Grundsanierung erfahren und braucht sich mit diesem neuem Outfit nun wirklich nicht zu verstecken. Ganz zu schweigen von der Europa-Universität, die sich zu Recht einen hervorragenden Ruf erkämpft hat. Ein riesiges Potenzial, doch der Aufschwung Ost ist immer noch der meist zitie
rte Traum in der Region.
Lehrstellenmangel und Frustration treiben nicht nur viele in die Flucht, sondern auch unerträgliche Blüten. Der Neo-Nazi-Dresscode gilt immer noch als chic und Übergriffe auf Menschen anderer Herkunft, mit anderem Aussehen oder eben mit einer anderen Meinung, als die der selbsternannten Retter einer pseudodeutschen Leitkultur, gehören nach wie vor zum Alltag der Stadt. Doch es gibt jene Mädchen und Jungens, die diese bestehenden Zustände nicht akzeptieren und versuchen, diese ganz praktisch zu bekämpfen oder zumindest in das Bewusstsein der Bevölkerung der Stadt zu bringen. Das passiert im Kleinen, durch Jugendarbeit oder auch im Großen, wenn eben eine Neonazi-Kundgebung durch Sitzblockaden zum Stehen gebracht wird, während der so genannte Aufstand der Anständigen das Aussitzen vor dem Fernseher probt und sich damit selbst blockiert. Doch es ist schwer, gegen die örtliche Hegemonie der stillen Akzeptanz anzugehen. Wenn Zuhause die eigenen Probleme das Leben schwer machen, Arbeitslosigkeit die Familien belastet und die Leute in dem vermeintlichen Bewusstsein leben, sowieso nichts an den bestehenden Zuständen ändern zu können, dann kommen die adretten Kameraden doch ganz recht, wenn sie “Arbeit zuerst für Deutsche” fordern, mit ihrem anständigen Haarschnitt und den mit Runen bedruckten Markenpullovern, die schon lange Ausdruck einer unerträglichen Jugendkultur geworden sind. NPD und Kameradschaften akquirieren munter drauf los und geben leichte Antworten. Entsetzt reagieren die Verantwortlichen an höchster Stelle und antworten mit Verbotsverfahren, um dann zu scheitern, anstatt an die Wurzel des Problems zu gehen. Teil der rechten Kultur zu sein, vermittelt für die Mitläufer vor allem ein Gefühl der Stärke. Die Stärke des Wir, die Kraft der Gemeinschaft und es ist ein Familienersatz, denn oft genug zerbrechen bestehende, intakte Bindungen an den Problemen des Alltags. Die rechte Jugendkultur hat die Straßen der Stadt längst für sich eingenommen. Die meisten Jugendclubs sind fest in den Händen dieser Gruppen. Wo kein Raum für alternative Angebote jenseits des rechten Mainstreams ist, so dachten sich linke Jugendliche am vergangenen Wochenende, da muss man sich Raum nehmen und so kam es seit vielen Jahren zur ersten Hausbesetzung in der Stadt.
Das “Haus des Lehrers”, eine grau verputzte Stadtvilla im Zentrum, stand drei Jahre lang leer, wurde aber mit ein paar Handgriffen wieder an die Infrastruktur der Stadt angeschlossen. Strom und Wasser. Ideale Ausgangslage für das ambitionierte Projekt eines sozialen Zentrums: Eine WG sollte geschaffen, Seminar- und Büroräume eingerichtet und Party- und Konzerträume zur Verfügung gestellt werden. Dass es Bedarf an einer solchen Einrichtung gibt, haben wohl auch die Stadtoberen erkannt. Schwer lässt sich die vorübergehende Duldung durch die amtierende SPD-Bürgermeisterin Katja Wolle anders deuten, mit der sie gegen die von Brandenburgs Innenminister Schönbohm ausgegerufene Null-Toleranz-Strategie, die eine Räumung von besetzten Häusern innerhalb von 24 Stunden vorsieht, verstiess. Am Dienstag wurde nun doch geräumt, keine vier Tage nach der Besetzung. Friedlich, aber mit viel Polizei und zahlreichen Zaungästen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Volkes Wille wurde endlich einmal Genüge getan – die Ordnung ist wieder hergestellt und alle können sich wieder beruhigt durch die Fernsehlandschaft zappen. Eine Frage müssen sich aber alle Entscheidungsträger dieser Stadt stellen lassen: Was passiert, wenn solche engagierten Menschen wie diese Jugendlichen auch die Stadt verlassen – entmutigt und ohne Perspektiven?