Potsdam: Behörden genehmigen Neonazidemo mit Auflagen. Mehrere Gegenkundgebungen angekündigt
(Junge Welt, Christoph Schulze) Offensichtlich überrascht war der Neonazi Christian Worch, als ihm kürzlich die polizeilichen Auflagen für eine von ihm in Potsdam angemeldete Demonstration »gegen linken Terror« mitgeteilt wurden. Konsterniert wies der Hamburger in einem eilig verfaßten Rundschreiben seine Anhänger darauf hin, daß sie in keinem Fall »Thor Steinar«-Bekleidung tragen sollten. Die Polizei hat angekündigt, alle Personen mit Kleidungsstücken dieser Marke zu verhaften und die Teile zu beschlagnahmen.
Die aus Zeesen in Brandenburg stammende Firma »Thor Steinar«, seit 2002 amtlich registriert, produziert ein von der Baseball-Mütze bis zur Windjacke reichendes Sortiment für die rechte Szene. Sie liegt aber inzwischen wegen der leger-sportlichen Aufmachung der Sachen auch bei szenefernen Jugendlichen im Trend. Nur das Firmenlogo, eine Kombination aus zwei Runen, erinnert an rechte Symbolik. Den Firmenbetreibern werden direkte Verbindungen zur Neonaziszene nachgesagt. Verschiedene Antifagruppen starteten deshalb bereits vor Monaten eine Kampagne unter dem Motto »Stopp Thor Steinar«. Sie argumentieren, mit der Marke etabliere sich rechte Ästhetik gesellschaftlich. Darüber hinaus hätten sich Szeneaktivisten mit der Firma eine einträgliche Existenzgrundlage geschaffen.
Die Auflagen für die rechte Demonstration, die am Samstag in Potsdam stattfinden soll, beziehen sich auf einen Anfang Oktober gefällten Gerichtsentscheid aus Prenzlau. Eine 23jährige wurde wegen öffentlichen Tragens eines »Thor Steinar«-Pullovers zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Runen ähnelten verbotenen NS-Symbolen, so die Begründung. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Sollten in zu erwartenden neuen Verfahren andere Gerichte sich der Argumentation aus Prenzlau anschließen, dürfte der kommerzielle Erfolg von »Thor Steinar« ein baldiges Ende finden.
In Potsdam wollen die Neonazis unter anderem am alternativen Projekt »Chamäleon«, in dem sie einen Hort des »linken Terrors« sehen, halt machen. Gerade dieses Jugendhaus war indes zum Jahreswechsel 2002/2003 Ziel eines Angriffs von rund 60 Neonazis, bei dem es zu erheblichen Sachschäden kam. Zudem gab es in Potsdam gerade in den letzten Monaten immer wieder rechts motivierte Übergriffe auf Linke und Nichtdeutsche.
Das »Linke Bündnis Potsdam ruft unterdessen zu einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus am Glockenspiel auf. Zu einer weiteren Gegendemonstration unter dem Motto »Potsdam bekennt Farbe! Gemeinsam für Toleranz, Gewaltfreiheit und ein friedliches Miteinander« haben Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereine und Bürgerinitiativen eingeladen. Die AG Antirassismus der Potsdamer Hochschulen hat ab 10 Uhr eine Veranstaltung an der Ecke Breite Straße/Zeppelinstraße geplant.
* Kundgebung des Linken Bündnisses am 30. Oktober ab 11 Uhr am Glockenspiel; Demonstration von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen u.a. um 12.30 Uhr ab Platz der Einheit
* Weitere Infos: AStA Uni Potsdam