2000 Gegendemonstranten wollen Rechtsextremisten in Schranken weisen
(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Erstmals seit zwei Jahren werden an diesem Samstag wieder Neonazis in einem
genehmigten Demonstrationszug durch Potsdam marschieren. Ermuntert von den
Wahlerfolgen der rechtsextremen Parteien DVU und NPD in Brandenburg und
Sachsen werden unter der Führung des Hamburger Notariatsgehilfen Christian
Worch vermutlich 100 bis 120 Gefolgsleute gegen zwölf Uhr am Hauptbahnhof in
Richtung Innenstadt aufbrechen. Mehr als die Hälfte der Neonazis stammt nach
Einschätzung der Polizei aus dem Land Brandenburg.
Die Stadt Potsdam will sich gegen den Nazi-Aufmarsch mit drei
Gegendemonstrationen zur Wehr setzen. Mehr als 20 Vereine, Parteien und
Organisationen wollen sich dem gewaltfreien Protest anschließen, zu dem
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) aufgerufen hatte. Die Polizei
erwartet zu den drei Gegendemonstrationen 1500 bis 2000 Teilnehmer. Um
gewalttätige Übergriffe zwischen rechtsextremen und den übrigen
Demonstranten zu verhindern, wird die Potsdamer Polizei in erheblicher
Stärke vertreten sein. Aus einsatztaktischen Gründen hält das Präsidium die
Zahl der eingesetzten Beamten geheim.
Erfahrungsgemäß ist nach Einschätzung des Einsatzleiters, Polizeidirektor
Arne Feuring, davon auszugehen, dass sich die Rechtsextremisten auch am
Wochenende zumindest während der Demonstration diszipliniert verhalten. Dass
diese Zurückhaltung nicht die Gesinnung widerspiegelt, lassen allerdings
Äußerungen des Neonazis Worch vermuten. Nach Auskunft des privaten
Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus (IDGR) aus Nordrhein-Westfalen
hatte Worch im September 2003 in einem Fernsehinterview vor laufender Kamera
“unverhohlene Morddrohungen” geäußert. “Ich persönlich”, so Worch gegenüber
dem Politmagazin “Report” aus Mainz, “spreche mich dafür aus, dass nach der
Machtübernahme vier Wochen lang grundsätzlich keine Exekution stattfinden
darf. Vor der Machtübernahme wäre es nicht auszuschließen, weil wir wissen
nicht, inwieweit es gegen uns sich noch weiter richten wird.”
Der 48-jährige Worch ist weder Mitglied von DVU noch NPD, sondern ein
führender Kopf der “Freien Kameradschaften” innerhalb der Neonazi-Szene.
Diese Kameradschaften sind meistenteils untereinander lose verbundene
Gruppierungen der gewaltbereiten Skinheadszene.
Die Grenzen zwischen NPD und Kameradschaften sind allerdings fließend. In
dem Bestreben, alle Neonazis unter ihrer Führung zu vereinen, sollen beim
Bundesparteitag der NPD erstmals auch drei Anführer militanter
Neonazi-Organisationen für den Bundesvorstand der vom Verfassungsschutz
beobachteten Partei kandidieren. Zugleich verschwimmen die Grenzen zwischen
der NPD und der sich kleinbürgerlich gebenden DVU, seitdem beide
rechtsextremen Parteien zur Verbesserung ihrer Wahlchancen eine
Kooperationsvereinbarung geschlossen haben.
Trotz offenkundig verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Männer um Worch
werde die Brandenburger Polizei die genehmigte Neonazi-Demonstration
schützen, betonte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) — selbst wenn es die
Polizei “in eine innere Konfliktlage” bringen sollte, unter Umständen gegen
Personen vorzugehen, die sich den aufmarschierenden Neonazis gewaltsam
entgegenstellen. Wer Straftaten verübe, indem er etwa mit Steinen auf
Demonstranten werfe, werde vorläufig festgenommen, stellte Einsatzleiter
Feuring klar. Die rechtsextremen Demonstranten würden selbstverständlich auf
Waffen gefilzt.
Polizei schaltet Infotelefon
Potsdam — Demos am Sonnabend
Am Sonnabend wird es wegen mehrerer angemeldeter Demonstrationen zu
Verkehrsbeeinträchtigungen und Straßensperrungen in der Innenstadt kommen.
Um ein Verkehrschaos möglichst zu verhindern, wird die Polizei ein
Infotelefon schalten, wo man sich über die aktuellen Verkehrseinschränkungen
informieren kann. Betroffen sind insbesondere der Bereich Lange Brücke,
Breite Straße, Dortustraße, Charlottenstraße und Zeppelinstraße. Die Polizei
empfiehlt, für diesen Zeitraum die Stadt Potsdam weiträumig zu umfahren. Infotelefon: (0700) 33 33 0331