Potsdam - Die Spirale der Gewalt zwischen linken und rechten Gruppierungen in Potsdam dreht sich weiter. Wie gestern bekannt wurde, haben in der Nacht zu Sonntag in der Friedrich-Ebert-Straße auf Höhe des früheren Melodie-Kinos etwa 15 mutmaßliche Rechtsextreme zwei augenscheinlich linksgerichtete junge Männer krankenhausreif geschlagen. Das Polizeipräsidium hat jetzt eine Ermittlungsgruppe mit dem Ziel gegründet, “in kürzester Zeit die wechselseitigen Gewaltstraftaten aufzuklären und eine weitere Eskalation von politisch-motivierter Gewalt zu verhindern”, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft.
Eines der Opfer vom Sonntag liegt noch im Krankenhaus, das andere organisierte laut Polizei gestern Nachmittag in der City eine Demonstration gegen rechte Gewalt. Zeitweise nahmen fast 100 Personen daran teil. Der Zug begann und endete an der Wilhelmgalerie und wurde von fünf Streifenwagen begleitet. Er führte durch die Charlottenstraße zum Luisenplatz und durch die Hegelallee zur Friedrich-Ebert-Straße, wo in der Nacht zum 19. Juni vor dem Café Heider ein rechtsextremer Jugendlicher von vier linksgerichteten brutal verprügelt worden war. Man hatte unmittelbar nach dieser Tat vier Verdächtige festgenommen; eine Frau sitzt noch in Untersuchungshaft. Sie soll der Führung des linksgerichteten Chamäleon-Vereins angehören, der in der Silvesternacht 2002/03 durch Neonazis überfallen worden war, von denen inzwischen zwei zu Haft- beziehungsweise Bewährungsstrafen verurteilt wurden.
Der jüngste Angriff aus dem rechtsextremen Lager passierte am Sonntag gegen 1.30 Uhr. Die überwiegend angetrunkenen Täter entdeckten laut Staatsanwaltschaft aus einer fahrenden Straßenbahn heraus zwei offenbar Linke, zogen die Notbremse und stürzten sich mit noch gefüllten Flaschen auf ihre Opfer. Die Prügelorgie mit Fußtritten an die Köpfe der zu Boden gegangenen Linken dauerte keine zwei Minuten; dann löste sich der Spuk auf. Die Täter zerstreuten sich, doch konnte die Polizei noch in Tatortnähe fünf der Angreifer festnehmen; sie stammen aus Potsdam und Berlin. Die Videokameras der Straßenbahn lieferte Täterbilder von hoher Qualität. Die Staatsanwaltschaft erließ Haftbefehle, doch der Haftrichter setzte die Beschuldigten unter strengen Meldeauflagen auf freien Fuß mit der Begründung, sie hätten Wohnsitz und Arbeit nachgeweisen können. In einem Fall erhob die Staatsanwaltschaft nach Auskunft von Pressesprecher Benedikt Welfens Beschwerde gegen die Freilassung, weil die Gefahr der Tatwiederholung als akut angesehen wird. Die Haftandrohung für die schwere Körperverletzung liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.
Polizeichef Ralf Marschall kündigte gestern an, seine Behörde werde durch intensive Aufklärung der Bevölkerung und der verfeindeten Lager auf Deeskalation drängen. Eine deutliche Polizeipräsenz solle zudem Auseinandersetzungen erschweren.